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Unterstützter sammeln sich vor dem Haus in Mitte. Aus den Fenstern hängen Transparente.

© Thomas Loy

„Die Häuser denen, die sie brauchen“: Obdachlose und Aktivisten besetzen Haus in Berlin-Mitte

Die meisten Wohnungen in dem Gebäude stehen seit Jahren leer. Der Eigentümer möchte das Gebäude abreißen. Für die Aktivisten ist das nicht hinnehmbar.

Hotte, ein schmaler bärtiger Mann, obdachlos, sitzt auf dem Sofa und zündet sich eine Zigarette an. Normalerweise macht er Platte am Berghain, jetzt besetzt er mal so nebenbei eine Zweizimmerwohnung in Mitte, Habersaathstraße, vis-à-vis der BND-Zentrale.

Wohnen will er hier aber nicht dauerhaft. „Ich lass’ mich doch nicht einsperren.“ Während Hotte redet, rückt draußen eine Hundertschaft der Polizei an und riegelt die Straße ab.
Die Habersaathstraße 40 bis 48 ist ein langgestreckter, mit dicken Dämmplatten verhüllter Plattenbau. Die rund 100 Wohnungen für Singles und Paare stehen seit Jahren überwiegend leer, nur wenige Mieter harrten noch aus, heißt es.

Der Eigentümer möchte den Wohnriegel abreißen und durch hochwertige Neubauten ersetzen, doch dagegen wehrt sich der Bezirk, es laufe ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, erklärt Fabi, einer der Sprecher der Besetzer.

Fabi sagt, er sei Musiker und Performer, 33 Jahre alt. Auch er will hier nicht einziehen. „Ich habe nach langer Suche endlich eine Wohnung gefunden.“ Aber es gehe ja um die Situation vieler Wohnungsloser, die sich Mieten in Berlin gar nicht mehr leisten können. Es sei nicht hinnehmbar, wenn gleichzeitig Wohnungen abgerissen werden, die noch in gutem Zustand sind.

Rund 150 Unterstützer vor Ort

Draußen stehen rund 150 Sympathisanten, darunter Punks, Jugendliche mit Antifa-Aufklebern, aber auch bürgerlich gekleidete Windjackenträger. Die Menge skandiert Sprüche wie „Die Häuser denen, die sie brauchen“. Es wird gesungen und auch mal laut „Bullen raus aus dem Kiez“ gebrüllt, ansonsten bleibt es friedlich. Die Polizisten haben die Eingänge abgesperrt, es werde wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch ermittelt und Kontakt zum Eigentümer gesucht, sagte eine Sprecherin am Nachmittag. Vor Ort richtete sich die Polizei auf einen längeren Einsatz ein.

Auch die Besetzer haben sich gut vorbereitet. Mehrere Kisten mit belegten Brötchen und große Kaffeekannen stehen bereit. Fabi erklärt den Polizisten per Megafon aus dem geöffneten Fenster die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt und fordert sie auf, ihre Einsatzbefehle zu verweigern.

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In der besetzten Wohnung gibt es ein Bett, eine kleine Küche, ein Wohnzimmer mit Tisch und Fernseher, eigentlich könnten die Aktivisten aus verschiedenen Initiativen gegen Leerstand und Zwangsräumungen gleich einziehen. Allerdings scheint die Heizung nicht zu funktionieren.

Fabi reibt sich ständig die Hände. In der Corona-Pandemie gefährde der Staat Menschenleben, wenn Leute in Sammelunterkünften hausen müssten statt in Wohnungen, sagt Aktivist Fabi. Außerdem koste ein Platz im Vierbettzimmer 900 Euro im Monat – die Miete im Plattenbau lag bisher bei rund 300 Euro.

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