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Berlin: Die Ghettoschule soll Vergangenheit sein

Erhard Laube ist noch nicht am Ziel, aber schon ein ganzes Stück weiter als vor zwei Jahren. Da trat er an, seine Spreewald-Grundschule wieder für deutsche Familien attraktiv zu machen.

Erhard Laube ist noch nicht am Ziel, aber schon ein ganzes Stück weiter als vor zwei Jahren. Da trat er an, seine Spreewald-Grundschule wieder für deutsche Familien attraktiv zu machen. Er entwickelte zusammen mit dem Kollegium ein neues Schulkonzept, stellte "Theaterklassen" in Aussicht mit 50 Prozent Kindern deutscher Muttersprache und warb in Kitas um das Vertrauen der Eltern. Im kommenden Schuljahr könnte es klappen mit dem Fifty-Fifty-Ziel in einer ersten Klassen: zehn deutsche Kinder besuchen bereits die Vorklasse.

Dies klingt nicht eben großartig. Aber für die "Spreewälder" ist es ein wichtiger Schritt. Denn Schulleiter Laube ist sich mit vielen Fachleuten darin einig, dass die Hälfte der Kinder Deutsch sprechen sollte, "damit Integration gelingt und die Vielfalt der Kulturen eine Bereicherung ist", wie es im Schul-Flyer heißt. Denn sobald mehr als die Hälfte eine andere Muttersprache spricht, wird es extrem schwierig. "Dann kippen die Verhältnisse", analysierte Kreuzbergs Schulrätin Ingeborg Kern vor einem Jahr im Tagesspiegel und unterstützte damit Laubes Ansatz, offensiv um deutsche Eltern zu werben. Immerhin jede siebte Berliner Grundschule liegt über der 50-Prozent-Marge.

Auch die türkischen und arabischen Familien, die im Einzugsgebiet der Schule rund um den Schöneberger Sozialpalast leben, wissen das Engagement ihres Schulleiters zu schätzen, den Ruch der "Ghetto-Schule" loszuwerden. Allerdings erwartet Laube noch "Konflikte" von Seiten der Familien, deren Kinder keinen Platz in der gemischten Klasse finden. Denn das Konzept, die wenigen deutschen Kinder zusammenzulassen und nicht auf alle drei Parallelklassen zu verteilen, bedeutet eben, dass zwei der Klassen ohne deutsche Kinder auskommen müssen.

"Viele Eltern waren erstmal verzweifelt, weil in ihre Vorklasse keine deutschen Kinder kamen", erzählt etwa der Zweite Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, Yasar Topçu. Auch seiner Frau sei es so gegangen. Aber er habe sie davon überzeugt, dass es anders nicht gehe, denn anderenfalls kämen gar keine deutschen Kinder. Topçu, von Beruf Polizist, kam als Kind nach Berlin und erlebte auf der Sophie-Scholl-Gesamtschule, welche Bedeutung eine Schule für die Integration haben kann. Er hält große Stücke auf Laube. Auch deshalb, weil der ehemalige GEW-Vorsitzende durch Beharrlichkeit auch sonst viel für die Schule herausholt.

Kaum ein Geldtopf, den Laube nicht anzuzapfen weiß: Er beantragt ABM-Mittel für eine arabisch sprechende Lehrkraft, nutzt den Präventionsfonds des Stadtentwicklungssenators für Nachhilfe, Hausaufgabenbetreuung und Konfliktlotsen und bekam Erzieherstellen für die verlässliche Halbtagsbetreuung von 7.15 bis 14 Uhr. Außerdem gibt es seit Jahren auf Basis von 325-Euro-Jobs einen durch Eltern organisierten Schulhort bis 17 Uhr. "Wir sind faktisch Ganztagsschule", konstatiert Laube. Dazu gehört auch, dass Lehrer und Kinder mittags kochen. Seinen Schul-Flyer ließ Laube sich von einem Copy-Haus sponsern.

Inzwischen gibt es erste Eltern, die sich aus ihren Einzugsgebieten abmelden und zur Spreewald-Schule kommen. Neben der Rundum-Betreuung wissen sie die besonderen Schwerpunkte der Schule zu schätzen. So stehen die ersten, dritten und fünften Klassen im Zeichen des Theaterspiels, wobei HdK-Professor Hans Wolfgang Nickel die Konzeptberatung übernommen hat. Kooperiert wird mit dem Puppentheater Hans-Wurst-Nachfahren und mit der Jugendtheaterwerkstatt Spandau. In der vierten Klasse lernen die Kinder den Umgang mit dem Computer und üben, "blind" an der Tastatur zu schreiben. Die Sechstklässler betreuen die Schülerzeitung.

"Herr Laube hat Biss", stellt die Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, Gabriele Siring, zufrieden fest. Ihr besonderes Lob gilt dem Theaterprofil. Ihr Sohn sei "schwer begeistert". Zudem wirke die Theaterarbeit Gewalt vorbeugend - wer so viel Spaß habe und gemeinsam lache, sei weniger aggressiv. Und dann könnten die Kinder zeigen, "was sonst noch in ihnen steckt".

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