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Heinz Rühmann in "Die Feuerzangenbowle" von 1944.

© imago/United Archives

"Die Feuerzangenbowle" wird 75: "Gelacht, als sei es die letzte Gelegenheit"

1944 feierte Heinz Rühmann als Hans Pfeiffer mit drei F mit seinem Kultfilm "Feuerzangenbowle" Premiere. Für einen der Mitspieler ist es ein getrübtes Jubiläum.

Irgendwas mit dem Mikrofon hatte nicht gestimmt, die schöne Aufnahme war unbrauchbar, die ganze lange Szene musste wiederholt werden. Klar, dass der Star stinksauer reagierte.

„Wie ein Wilder“ habe Heinz Rühmann geschimpft, erinnert sich Dietrich Kleiner an die Babelsberger Dreharbeiten zur „Feuerzangenbowle“ im Mai 1943, an denen er als 14-jähriger Schuljunge aus Steglitz teilgenommen hatte. Aber ebenso hat ihn beeindruckt, wie schnell Rühmann sich wieder beruhigte, umschaltete auf Hans Pfeiffer, den mit den drei F.

Zu ihm und den anderen Jungen von der Berliner Rundfunkspielschar, von der Ufa für zwei Tage ausgeliehen aus dem Haus des Rundfunks in der Masurenallee, habe Rühmann ohnehin immer sehr nett gesprochen, erinnert sich der 90-Jährige. Er weiß auch noch, dass Rühmann mit einem Wägelchen mit Pferd im Studio angekommen sei – auch das muss ihm sehr imponiert haben.

Genau 75 Jahre ist es am Montag her, dass „Die Feuerzangenbowle“, Rühmanns größter Erfolg, in Berlin uraufgeführt wurde: vormittags im Tauentzienpalast an der Ecke Nürnberger Straße, etwa dort, wo sich heute Peek & Cloppenburg befindet, und am frühen Nachmittag im Ufa-Palast Königstadt in der Schönhauser Allee 10–11, jetzt steht dort ein Neubau mit Biomarkt.

Rühmann muss dabei gewesen sein, er berichtete später von einem großen Erfolg, die Zuschauer hätten „gelacht, als sei es die letzte Gelegenheit“ – eine Formulierung, in der sich das Zwiespältige, Ambivalente dieser alles andere als glamourösen Premiere widerspiegelte.

Erinnerungen an die Chorszene

Denn wirklich etwas zu lachen hatten die Berliner schon lange nicht mehr. Der Bombenkrieg hatte bereits große Lücken ins Stadtbild geschlagen, auch das KaDeWe war ausgebrannt, das Nachbarhaus des Tauentzienpalasts lag in Trümmern, und erst in der Nacht zuvor, so ist es im RAF Bomber Command Campaign Diary verzeichnet, hatten 530 britische Bomber die Reichshauptstadt angegriffen.

Auch Dietrich Kleiner, der jahrzehntelang Pfarrer an der Johann-Sebastian-Bach-Gemeinde in Lichterfelde war, später nach Bremen wechselte, wo er heute lebt, steht der Komödie mit gemischten Gefühlen gegenüber, fühlte sich unwohl, wenn er später bei hohen Geburtstagen eines Freundes gebeten wurde, ihm zu Ehren und zur Freude den Kanon einzustudieren, den er und seine jungen Mitsänger dargeboten hatten: „Der Frühling liebt das Flötenspiel, doch auch auf der Posaune“.

„Der Frühling liebt das Flötenspiel“. Für die Schulchorszene lieh sich die Ufa die Berliner Rundfunkspielschar, darunter Dietrich Kleiner (2.v.l).
„Der Frühling liebt das Flötenspiel“. Für die Schulchorszene lieh sich die Ufa die Berliner Rundfunkspielschar, darunter Dietrich Kleiner (2.v.l).

©  Tsp

Der harmonische Rahmen für einen von Pfeiffers vielen Streichen: Der singt völlig schief, gibt vor, es nicht besser zu können. Ihm wird Stimmbruch attestiert, vom Musikunterricht ist er befreit.

Als eine „ehrenvolle Aufgabe“ hat Dietrich Kleiner den musikalischen Einsatz im Babelsberger Studio empfunden, aber anders als damals weiß er jetzt um die Verbrechen, die parallel zu dem heiteren Komödienspiel anderswo geschahen, weiß auch, wie alles endete, so für den Schriftsteller Erich Knauf, der den Text des Kanons geschrieben hatte: Gemeinsam mit dem Zeichner Erich Ohser, unter dem Pseudonym e. o. plauen berühmt für seine Comicstrip-Reihe „Vater und Sohn“, wurde er im März 1944 verhaftet.

Beide waren „wegen defätistischer Äußerungen im Luftschutzkeller“ denunziert und angeklagt worden. Ohser erhängte sich in der Nacht, bevor sein Prozess vor dem Volksgerichtshof beginnen sollte. Knauf dagegen, für den Rühmann sich gegenüber Propagandaminister Joseph Goebbels noch vergeblich eingesetzt hatte, wurde von Roland Freisler, dem berüchtigten Vorsitzenden des Gerichts, zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg enthauptet.

Komödie und Teil der Propaganda

Verständlich, dass Dietrich Kleiner den noch immer gefeierten Film nicht unbefangen als heitere Komödie erleben kann wie so viele andere, die dessen dunklen Hintergrund nicht kennen. Dass ihm dieser geeignet erscheint, „die Problematik des ,Verdrängens‘ zu allen Zeiten der Geschichte zu reflektieren“.

Dietrich Kleiner hat als Schuljunge an den Babelsberger Dreharbeiten zur „Feuerzangenbowle“ im Mai 1943 teilgenommen.
Dietrich Kleiner hat als Schuljunge an den Babelsberger Dreharbeiten zur „Feuerzangenbowle“ im Mai 1943 teilgenommen.

© privat

Der Film mag eine lustvoll zu genießende Komödie sein, aber sie war eben auch ein Teil der Propaganda, mit der Normalität vorgegaukelt wurde, die ablenken sollte vom alltäglichen Grauen und Morden, und dies auch tat.

Damals freilich war Kleiner froh, dass sich ihm mit dem Chor die Möglichkeit bot, dem Schulalltag einmal zu entfliehen. Die Rundfunkspielschar sei ohnehin „keine Nazipflanzanstalt“ gewesen, es sei wirklich um Musik gegangen, so habe man etwa auch die Knabenchor-Passage aus Bachs Matthäus-Passion gesungen.

Lange währte der Spaß nach den Dreharbeiten aber nicht mehr: Ein knappes Jahr später war auch der junge Kleiner Luftwaffenhelfer in Staaken, hatte dort erstmals Gelegenheit, den Film zu sehen, bewundert von seinen „Kameraden“.

Einen der Mitsänger hat er erst vor wenigen Jahren wiedergetroffen, eine Begegnung, die durch viele Zufälle zustande kam. Anders als er selbst hatte dieser, der in der Filmszene direkt rechts neben Kleiner stand, in Ost-Berlin gelebt, war dort Kulturfunktionär gewesen, Erzähler, Lyriker, China-Experte – und Atheist, wie er dem ehemaligen Pfarrer bald verriet, was dem regen Gedankenaustausch, der weiterhin anhält, nicht im Wege stand.

Der Spaß nach den Dreharbeiten währte nicht lang

Auch der Film selbst dürfte bei den Gesprächen eine große Rolle gespielt haben, seine langanhaltende Wirkung wie auch seine Entstehungsgeschichte, die nicht nur im tragischen Schicksal des Kanon-Dichters Knauf immer wieder von der Politik der Nationalsozialisten geprägt war.

Man sieht es dem Film kaum an – von dem zackigen Junglehrer Dr. Brett und seinen auf Parteilinie liegenden pädagogischen Thesen zu „Disziplin“ und dem darauf erblühenden „schönen, geraden Wachstum“ der Jugend mal abgesehen. Aber manchem in Partei und Regierung ging der Spaß doch zu weit.

In der Propagandaabteilung der NSDAP war das Manuskript wohl für lustig, aber zersetzend befunden worden, als „Herabsetzung der Schule und der Lehrerschaft“. In der Filmabteilung von Goebbels’ Propagandaministerium scherte man sich darum nicht, erst als der düpierte Parteizensor beim Minister direkt vorstellig wurde, forderte dieser Änderungen.

Auch Bernhard Rust, Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, meldete sich und lehnte den Film ab, der daraufhin verboten wurde.

Rühmann erreichte die Nachricht im Allgäu, bei Dreharbeiten zu „Quax in Afrika“. Dank seiner Leidenschaft fürs Fliegen hatte er gute Kontakte ins Luftfahrtministerium, kehrte nach Berlin zurück, schnappte sich die Filmrollen und fuhr mit dem täglichen Sonderzug ins Führerhauptquartier Wolfsschanze, um den Film Göring zu zeigen.

Und er hatte Erfolg, wie Rühmann schrieb: „Mittags kam die Meldung, Göring habe beim Frührapport berichtet und auch erzählt, dass der Film verboten sei. Warum, wüsste er nicht, gestern hätten jedenfalls alle schallend gelacht. Darauf Hitler: ,Ist er wirklich so komisch?‘ Göring: ,Wir haben uns auf die Schenkel geschlagen.‘ Hitler: ,Dann soll er sofort anlaufen.‘“

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