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Hände hoch. Nicht alle Beschlüsse, die am Sonnabend im Hotel Interconti fielen, werden den Koalitionspartnern gefallen.

© Jörg Carstensen/dpa

Die Ergebnisse des Landesparteitags: Berliner SPD will Lehrer verbeamten - und Wohnungskonzerne nicht enteignen

Die Enteignungsdebatte wurde kontrovers geführt, bei der Lehrerverbeamtung gab es ein klares Votum. Die Ergebnisse des Landesparteitags im Überblick.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD geht auf vorsichtige Distanz zum Volksbegehren, das die Enteignung von Berliner Wohnungsgroßkonzernen anstrebt. Einiges spreche gegen das Gesetzesanliegen der Initiative, heißt es in dem Beschluss, der auf dem Landesparteitag am Sonnabend nach kontroverser Debatte in geheimer Abstimmung mit knapper Mehrheit gefasst wurde. „Die Vergesellschaftung der Bestände großer Wohnungsunternehmen halten wir deshalb nicht für zielführend.“ Gleichzeitig bekannten sich die Sozialdemokraten dazu, den Anteil des öffentlichen Wohnungsbestands deutlich zu erhöhen.

Außerdem wurde der Initiative für das Volksbegehren gedankt, weil damit der Druck auf die private Wohnungswirtschaft gestiegen und „das Klima für stärkere Eingriffe im Wohnungsmarkt gewachsen“ sei. Außerdem seien Vergesellschaftungen im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen. Eine alternative Antragsvariante, die keine Mehrheit fand, hatte über solche allgemeinen Bekenntnisse hinaus gefordert, gemeinsam mit den Koalitionspartnern und der Initiative zeitnah „die gesetzliche Ausgestaltung“ für Enteignungen vorzubereiten.

Müller warnte vor Enteignung

Zuvor hatte der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller eindringlich dafür geworben, auf die Forderung nach Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin zu verzichten. Der Dreiklang „Bauen, kaufen, deckeln“ sei der richtige Weg. Das Volksbegehren zur Vergesellschaftung von Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen habe zwar auch „der SPD Beine gemacht“, gab Müller zu. „Aber ich will keinen Klassenkampf führen.“ Die Berliner Sozialdemokraten sollten sich ihren eigenen Weg nicht kaputt machen lassen „durch juristische und politische Abenteuer“. Während der Parteitagsdebatte mischte sich Müller erneut ein und warnte dringend davor, einen Beschluss zu fassen, der „die öffentliche Diskussion künftig beherrschen wird“. Es gebe dann einen klaren Handlungsauftrag an die SPD, gemeinsam mit Linken und Grünen ein Enteignungsgesetz zu erarbeiten.

Den vom Senat beschlossenen Mietendeckel bezeichnete der SPD-Landeschef als verantwortungsvoll. Er forderte mit Blick auf die Immobilienverbände, „dass einige von den Bäumen wieder herunterkommen“. Doch für den Neubau in der Stadt würden nicht nur die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften gebraucht, sondern auch private Investoren. Müller kritisierte in Anspielung auf den Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt jene scharf, die „bestimmte Stadtteile zu investorenfreien Zonen erklären“ wollten. Ein starker Sozialstaat brauche auch eine starke Privatwirtschaft.

Was werden die Koalitionspartner zum Verbeamtungsbeschluss sagen?

Zu Beginn seiner Rede vollzog Müller auch eine Kehrtwende von einem Gegner zu einem Befürworter der Verbeamtung von Lehrern in Berlin. Inzwischen stehe die Hauptstadt im Reigen der Bundesländer alleine da. „Wir müssen uns jetzt ehrlich machen.“ Der bestehende Wettbewerbsnachteil Berlins bei der Suche nach qualifizierten Lehrkräften sei nicht länger zu akzeptieren.

Auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres warb für einen Kurswechsel. Und die Delegierten folgten den Befürwortern der Wiedereinführung der Lehrerverbeamtung mit einer deutlichen Mehrheit von 122 Ja-Stimmen gegen 100 Nein-Stimmen. Die Koalitionspartner Linke und Grüne sind aber gegen eine Rückkehr zur Verbeamtung. Wie geht es nun weiter? „Ich freue mich sehr über das Votum des Parteitags. Wir werden jetzt in Verhandlungen mit den Koalitionspartnern gehen“, sagte Fraktionschef Raed Saleh dem Tagesspiegel.

Der Antrag pro Verbeamtung wurde unter anderem von den Abgeordneten und Bildungspolitikerinnen Maja Lasic und Melanie Kühnemann-Grunow eingebracht. Zeitgleich zur Einführung der Verbeamtungsmöglichkeit für Lehrer müsse man allen Lehrkräften, die tariflich beschäftigt bleiben, einen Ausgleich in Form einer Stundenabsenkung von vier Stunden ermöglichen. Dies solle schrittweise, aber innerhalb dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden.

Kritiker fürchten Verschärfung des Lehrermangels

Die Kritiker dieser Fassung sagten am Sonnabend am Rande des Parteitags, dass noch mehr Lehrer fehlen würden, sollte dieser Antrag verabschiedet werden. Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert seit Langem eine Stundenreduzierung. Eine Senkung um vier Stunden würde aber rund 1000 Stellen kosten, schätzen die Experten der GEW. Das halten sie angesichts des ohnehin schon großen Lehrermangels für wenig realistisch.

In dem verabschiedeten Antrag ist festgelegt, für alle Lehrer angemessene Arbeitszeitmodelle in Absprache mit den Gewerkschaften einzuführen. Außerdem sollten sich neben den Unterrichtsstunden auch Belastungen wie Elternabende, Teambesprechungen, Arbeit im Bereich Schulentwicklung oder Korrekturen wiederfinden. Parallel dazu wollen die Antragsstellerinnen, dass die Hochschulverträge so ausgestaltet werden, dass die Zahl der erwünschten Absolventen sich an der Bedarfszahl orientiert. Ob dafür eventuell auch eine eigene Pädagogische Hochschule eröffnet werden soll, müsse intensiv geprüft werden.

Der zweite Antrag, der unter anderem von Matthias Trenczek und Monika Buttgereit eingebracht worden war, lehnte eine Verbeamtung ab. Ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis bei voll ausgebildeten Lehrkräften müsse der Regelfall werden. Gehaltssteigerungen der angestellten Lehrer könnten bis zu 20 Prozent betragen. Und auch die Bezüge für die Anwärter sollen spürbar erhöht werden.

Der Senat müsse sich auch damit auseinandersetzen, die strukturellen Differenzen zwischen angestellten und verbeamteten Lehrkräften auszugleichen. Mehr als 600 Lehrer würden jährlich vorzeitig wegen Krankheit aus dem Lehrberuf ausscheiden. Die Antragstellerinnen forderten, dass die Zahl der Sozialarbeiter und Psychologen erhöht wird, um die Beschäftigten zu entlasten.

Keine Entscheidung zur Kitapflicht ab vier Jahren

Ein weiteres Thema des Parteitags war die frühkindliche Bildung. Der Antrag des Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg, die Kitapflicht ab vier Jahren einzuführen, wurde in den Fachausschuss Jugend weitergeleitet. Darauf verständigten sich die Delegierten auf dem Parteitag. Angesichts fehlender Kitaplätze hielten schon viele Delegierte vor dem Parteitag diesen Antrag für nicht umsetzbar.

Bildungspolitikerin Kühnemann-Grunow begründete den Antrag mit anhaltenden Sprachdefiziten trotz verbindlicher Tests und Auflagen: Kein einziger Bezirk habe Bußgelder gegen die Eltern jener Kinder verhängt, die wegen ihrer Sprachdefizite zum Kitabesuch verpflichtet worden seien. Ellen Haußdörfer aus Treptow-Köpenick bezweifelte die Rechtmäßigkeit einer Kitapflicht: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes sei zu dem Schluss gekommen, dass eine sanktionsbewehrte Kitapflicht gegen das Grundgesetz verstoße. Stattdessen sollten die Eltern „befähigt“ werden, ihre Kinder in die Kita zu schicken. Dazu müsse der Zugang zum staatlichen System sowie die Suche nach Kitaplätzen vereinfacht werden. Außerdem „bringt es nichts, dass das Kind sieben Stunden in die Kita zubringt, wenn es in der restlichen Zeit und am Wochenende wieder eine andere Sprache spricht“. Grüne und Linke lehnen eine Kitapflicht ab.

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