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Respekt im Spiel. Das wünschen sich die Makkabi-Spieler öfter.

© Imago

Die Erfahrungen von TuS Makkabi in Berlin: Antisemitische Beleidigungen im Plauderton

Vulgäre Nazi-Parolen gegen Makkabi sind die Ausnahme geworden, Beleidigungen kommen jetzt beiläufig und mit Zwischentönen.

Fabian Weissbarth hatte seinen Gegenspieler gut im Griff, er hatte ihn ein paar Mal ausgedribbelt, aber nun war auch gut. Sein Gegner hatte keine Lust mehr, sich von dem Mittelfeldspieler des TuS Makkabi düpieren zu lassen. Also knurrte er ihm einen Spruch entgegen: „An mir kommst du jetzt nicht mehr vorbei, du Jude.“ Du Jude! Dieser Zusatz, der schmerzte. Das Spiel ist schon eine Zeitlang her, aber Weissbarth spürt noch immer den Stich, den ihm dieser Satz versetzt hat. Es war ein ganz normales Fußballspiel, dieser Zusatz hob den Zweikampf auf eine andere, eine beleidigende Ebene. Du Jude, das war als Häme gedacht, als spezielle Abwertung. „Was hat Religion beim Fußball zu suchen?“, fragt Weissbarth.

Aber bei TuS Makkabi, dem jüdischen Verein in Berlin, hat die Religion immer wieder etwas mit dem Fußball zu tun. Vor einer Woche wurde das Spiel von Makkabi III, Kreisklasse, abgebrochen. Makkabi III hatte gegen Meteor III gespielt, ein Meteor-Spieler hatte einen Makkabi-Anhänger getreten und „als „Drecksjude“ beschimpft“. Es folgte ein Tumult mit antisemitischen Sprüche, Makkabi verschanzte sich in der Kabine. Meteor beklagte allerdings rassistische Sprüche von Makkabi-Spielern und Zuschauern. Solche wilden Szenen sind nicht Standard, viele Makkabi-Spiele laufen unspektakulär ab. Wie zum Beispiel am Sonntag, Makkabi I gegen GB Steglitz auf der Julius-Hirsch-Sportanlage in Charlottenburg, ein Pokalspiel. Makkabi war Gastgeber. Es regnete, die Haare der Spieler klebten an den Köpfen. Das Aufregendste war ein verschossener Elfmeter von Makkabi. Ein Fehler, den die Gastgeber leicht verschmerzen konnten, so gewannen sie halt bloß 8:0 statt 9:0.

Antisemitismus ist Standard

Aber Antisemitismus insgesamt ist Standard, so empfinden es viele bei Makkabi. Nicht der grobe, vulgäre Antisemitismus. Die Stiche, die ins Herz treffen, die werden meist anders geführt. Kleine Gesten, kleine Signale, hingeworfene, fast beiläufige Sätze, dunkle Andeutungen Antisemitismus im Plauderton.

Der Spruch gegenüber Weissbarth zählt dazu. Oder jene Szenen, die Weissbarth auch erlebt hat. „Bei Heimspielen von uns gibt man als Zuschauer einen Obulus, da wird kein klassischer Eintritt verlangt, ganz unspektakulär. Aber da gibt’s Leute, die sagen: Euch geben wir nichts, ihr braucht ja kein Geld.“ Juden haben ja Geld, das ist der Subtext.

In einem Vereinsheim in Neukölln sitzt ein Mann mit intensivem Blick und mächtigem Schnauzbart und blickt dem Rauch seiner Zigarette nach. Der Zahnarzt Isaak Lat ist Präsident von TuS Makkabi, und während draußen eine Mannschaft seines Klubs spielt, sagt er neben einer Vitrine mit Pokalen: „In den vergangenen zwei Jahren ist es ruhiger geworden.“ Ruhiger bedeutet: Makkabi-Siege werden von Fans kaum noch mit dem Satz kommentiert: „Jaja, die Juden haben mal wieder die Schiedsrichter gekauft.“ Früher, sagt Lat, fielen solche Sprüche „bei 80 Prozent aller Siege von uns“. Jedenfalls bei einem Teil der Makkabi-Teams. Und es gab ja auch mehrere, fürchterliche antisemitische Vorfälle. Ruhiger bedeutet auch: „Die schlimmsten Sprüche“ (Lat) fallen kaum noch. Sätze wie: „Nehmt den Zug nach Auschwitz.“ oder: Stattdessen gebe es öfter die Beschimpfung „Judenschweine“. Ausgestoßen von Leuten „aus einem anderen Kulturkreis“.

Im Smalltalk stoßen Fußballfans antisemitische Beleidigungen aus

Latent ist der Antisemitismus immer präsent, sagt Lat. Zum Beispiel, wenn er bei Spielen an Menschengruppen vorbei geht und antisemitische Bemerkungen hört. Keine Nazi-Parolen, sondern hingeworfene Sätze zwischen Smalltalk über Bratwurst und Bundesligaergebnisse.  Er geht dann zu den Leuten, er sieht dann in erschrockene Gesichter, er hört die verlegenen Bemerkungen „War nicht so gemeint.“ Doch, sagt Lat, das war so gemeint. „In jedem Satz steckt ja auch ein Kern Wahrheit.“ Und er hat erlebt, wie Linien- und Schiedsrichter antisemitische Bemerkungen überhört haben. Einen Linienrichter hatte er nach einem hässlichen Spruch mal leise angesprochen. Der Linienrichter erwiderte, er habe nichts gehört. Lat zieht die Brauen zusammen im Vereinsheim. „Meine leise Bemerkung hat er gehört, aber den Schrei quer über das Feld, den angeblich nicht.“ Manchmal, sagt er, hätten sich Spieler bei ihrem Gegner Makkabi für die eigenen Fans entschuldigt.

Es spielt keine Rolle, dass bei Makkabi vermutlich mehr Nicht-Juden als Juden spielen. „Wir haben das Makkabi-Emblem auf dem Trikot, das macht uns zur Angriffsfläche“, sagt Lat. „Unsere muslimischen Spieler trifft es am härtesten. Die werden von anderen Muslimen als Verräter beschimpft.“ Dabei ist das ja schon kurios. Bei Makkabi spielen Muslime, Aleviten, Sunniten, Spieler russisch-orthodoxen Glaubens, Katholiken. Der Verein ist zwar ein jüdischer Verein, Teil der jüdischen Sportbewegung, aber er nimmt auch Spieler auf, die nicht jüdischen Glaubens sind. "Wenn solche Spieler antisemitisch beleidigt werden, wissen die erst gar nicht, was los ist", sagt ein jüdischer Makkabi-Spieler.

Bei Tennis Borussia fühlt sich Makkabi geborgen

Wenn Lat emotionale Wärme spüren will, das Gefühl von Geborgenheit, dann muss er vom Makkabi-Vereinsheim nur ein paar Meter weiter gehen, zum Klubgelände von Tennis Borussia Berlin, dem Multi-Kulti-Verein mit jüdischen Wurzeln. „Da herrscht eine tolle Atmosphäre, da fühlt man sich wie zu Hause“, sagt Lat. Carsten Bangel ist Stadionsprecher bei TeBe, seit 15 Jahren schon. Er hat seine eigenen Erfahrungen mit dem Antisemitismus im Berliner Fußball. Früher, in den 1990er-Jahren, brüllten gegnerische Fans „Zyklon B für TeBe“. Jetzt, sagt Bangel, zeige sich der Antisemitismus zurückhaltender. „In den Fanforen sind die Spielergehälter, die TeBe oder Makkabi angeblich zahlen, ständig Thema.“ Sagenhafte, unrealistische Summen kursierten. „Da heißt es, solche Gehälter seien ja kein Wunder, jüdische Vereine hätten ja Geld.“ Und, geraunt: „Ob da auch wirklich alles mir rechten Dingen zugeht?“ Subtext: Die werden das Geld ja auf dunkle Wege verdient haben.

Noch ein beliebtes Foren-Thema, sagt Bangel: der angebliche Einfluss von Makkabi auf die Sportpolitik. „Wenn mal wieder etwas zugunsten von Makkabi entschieden wurde, heißt es: Ist ja klar, der Zentralrat der Juden macht da ja Druck.“

Die Maccabi Games haben nichts geändert, sagt der Klubchef

Im August fanden in Berlin die European Maccabi Games statt, die Europäischen Spiele des jüdischen Sports. Ein Fest von Versöhnung und Toleranz, ein Miteinander der Religionen, so war es gedacht. Issak Lat, der Klubchef von Makkabi hat geholfen, sie nach Berlin zu bringen. Haben sie etwas gebracht für den Alltag, die Games? „Was soll sich groß geändert haben?“, sagt Lat einige Tage nach dem Spielabbruch lakonisch. Er erwähnt das Meteor-Spiel, ganz kurz nur, das genügt als Botschaft.

Moschico Saban sendet eine andere Botschaft. „Es ist noch zu früh, Bilanz der Games zu ziehen, die Games sind ja erst ein paar Wochen her“, sagt er. Saban spielt bei Makkabi II, mit der deutschen Nationalmannschaft hat er bei den Maccabi Games Gold geholt. Und er differenziert beim Thema Antisemitismus. „Ich habe seit Jahren keine Beschimpfungen gehört“, sagt er. „Ich glaube, das ist auch eine Frage der Spielklasse.“ Er spielt mit Makkabi II in der Kreisliga, einige Klassen über Makkabi III. „Bei uns konzentrieren sich alle auf den Fußball“, sagt Saban. "Da spielt das Thema Religion keine Rolle." Aber Kreisklasse, das ist ja, „wie soll ich sagen, doch eher Richtung Freizeitfußball, ich denke, da liegt eher das Problem.“ Dort unten, auf diesem tiefen spielerischen Niveau, sind halt nicht alles bloß lupenreine Fußballer, die nur den Sport im Auge haben, das will er damit wohl sagen.

Auf dem Julius-Hirsch-Sportgelände wissen sie jedenfalls, wie sie dort mit antisemitischen Beleidigungen umgehen. Sicher, es gab Sprüche, sagt Lat. Aber es waren nicht viele. „Wenn wir so etwas hören, werden sofort Gegenmaßnahmen ergriffen“, sagt Lat. Er kann sich schon denken, weshalb Hetzer auf dem Makkabi-Gelände nur selten auftreten. „Die sind alle ängstlich.“

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