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Hier beginnt der Prozess gegen Fahrer eines Sattelzuges, der eine Fußgängerin tödlich verletzt haben soll.

© dpa/Sven Braun

„Die Ecke ist die absolute Hölle“: LKW-Fahrer steht wegen fahrlässiger Tötung einer Fußgängerin vor Gericht

Nach dem Tod einer Fußgängerin am Kottbusser Tor steht ein Lkw-Fahrer vor Gericht. Der Unfallhergang scheint bislang uneindeutig.

Als er mit seinem Sattelschlepper am Kottbusser Tor rechts abbog, will Falk Z. sehr aufmerksam gewesen sein. Er habe sich vorsichtig in die Kreuzung getastet, erklärte der 40-jährige Berufskraftfahrer am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten. Er sei dann erst angefahren, als alles frei war. Doch er erfasste eine 63 Jahre alte Passantin und überrollte sie. Hat er sich einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht? Die Anklage geht von mehreren Fehlern aus, die Z. am 19. Februar 2018 unterlaufen seien.

Gegen 9.58 Uhr befuhr er mit seiner Sattelzugeinheit die Kottbusser Straße. Die vom Mittelstreifen U-Bahnviadukt kommende Frau habe er übersehen – weil er ohne anzuhalten abgebogen sei, weil die im Wagen heruntergeklappte Sonnenblende den Frontspiegel verdeckt habe, weil die Scheibe verdreckt gewesen sei.

Er fuhr langsam über die Kreuzung

Der Fall allerdings scheint alles andere als eindeutig. Ein Zeuge, der im Pkw hinter dem Sattelschlepper stand und ebenfalls abbiegen wollte, erklärte im Prozess: „Die Frau befand sich definitiv nicht am Fußgängerüberweg.“ Sie müsse „quer über die Straße gerannt sein“. Der Lkw sei langsam an die Kreuzung herangefahren, habe gestoppt und Radfahrer passieren lassen, sei dann wieder langsam angefahren. „Die Ecke ist die absolute Hölle.“

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Der Knoten am Kottbusser Tor mit seinen sieben abgehenden Straßen. Er gehört seit Jahren zu den schlimmsten Unfallschwerpunkten Berlins. Nach der Polizeistatistik für 2018 kam es dort zu 21 Unfällen mit Beteiligung von Radfahrern und drei Unfällen, in die Fußgänger involviert waren. Im Januar 2020 wurde eine Radfahrerin von einem abbiegenden Lastwagen überrollt.

Der Unfallhergang lässt sich schwer rekonstruieren

Woher kam die Passantin? Wie schnell lief sie? Der Staatsanwalt sagte: „Ich weiß es nicht. Aber sie kann sich auch nicht hingebeamt haben.“ Ein Unfallanalytiker stellte drei Varianten vor. In einer davon geht der Experte davon aus, dass der Angeklagte die Frau 0,9 Sekunden vor der Kollision hätte sehen können. „Der Anstoß wäre wahrscheinlich nicht vermeidbar gewesen, aber das Überrollen.“

Die 63-Jährige verstarb noch am Unfallort. Falk Z. soll verzweifelt auf der Straße gestanden haben. „Der war völlig fertig“, so ein Zeuge. Die Anwältin sagte: „Das Geschehen belastet ihn bis heute schwer. Er bedauert den Unfall sehr.“ Der Kraftfahrer kämpfte im Prozess mit den Tränen. Nach dem Unfall habe er sich in psychologische Behandlung begeben müssen. 

Das Gericht will am zweiten Prozesstag am 20. März einen medizinischen Gutachter hören. Es gehe um die Frage, ob bereits der Anstoß für die Frau tödlich gewesen sei oder das Überrollen. Das sei in dem Fall entscheidend.

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