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1977 wurde das Kraftwerk an der A100 erbaut. Nun wird es abgeschaltet, die Türme verschwinden.

© Tim Brakemeier/dpa

Die drei Türme am Horizont: Kraftwerk wird abgeschaltet – und Berlins Fast-Wahrzeichen verschwindet

Wer auf der Stadtautobahn unterwegs ist, kennt sie: die Türme des Heizkraftwerks Schmargendorf. Das Werk wird abgeschaltet, die Türme abgebaut. Ein Abschied.

Rückbau – das ist eines dieser Worte, die uns von den Zumutungen der Welt schützen sollen. Bloß nicht das Wort „Abriss“ in den Mund nehmen, das so nach roher Gewalt und planlosem Dagegenrempeln klingt.

Doch es hilft ja nichts: Das Heizkraftwerk Schmargendorf, nur echt mit den drei Türmen, wird am Donnerstag final abgeschaltet und verschwindet dann bis Ende 2022 nach und nach aus dem Stadtbild, es wird „rückgebaut“, also: abgerissen.

Stadtbild – das ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. Denn die drei Kesselhäuser mit den Schornsteinen obendrauf sind ein Blickfang der Berliner Skyline, wie die drei Türme am Lichterfelder Barnackufer, die ebenfalls bald verschwinden sollen: Einen der beiden Dreier sah man von jedem Aussichtspunkt der Stadt.

Ob es sich nun gleich um Berliner Wahrzeichen handelt, wie allenthalben zu lesen ist, sei dahingestellt, denn in der Liga von Brandenburger Tor und Gedächtniskirche spielen sie nicht, und auch die Lage, vor allem des Schmargendorfer Kolosses, gibt touristisch wenig her zwischen Gleisgewirr und Autobahn. All diese Kraftwerke stehen an historischen Standorten: Der Standort Schmargendorf ist 110 Jahre alt, war also einer der energietechnischen Bausteine des späteren Groß-Berlins.

Eine Art Symbolcharakter bekam es aber erst, weil es ab 1977 neu gebaut wurde, als Spitzenlastkraftwerk und wichtiger Teil der Energieversorgung West-Berlins. Das waren andere Zeiten, in denen es nicht um Klimakrise und grüne Energie ging, sondern um die Existenzsicherung der Halbstadt.

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Zufällig ebenfalls 1977 scheiterte der SPD-Senat unter Klaus Schütz vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Plan, ein Kohlekraftwerk am Oberjägerweg in den Spandauer Forst zu stellen.

Das war eine der Geburtsmythen der deutschen Umweltbewegung, ein Kampf, der 1989 wieder aufgenommen wurde, als West-Berlin durch eine Spandauer Trasse an den verhassten Atomstrom der BRD angeschlossen werden sollte. Heute verlaufen die Fronten in anderer Richtung. Aber an der Autobahn in Schmargendorf wird eine Lücke bleiben, wenn der Abriss vollzogen ist.

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