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Die hohen Temperaturen besonders im Juni führten zu zahlreichen Waldbränden in Berlin und Brandenburg.

© imago images/A. Friedrichs

Die Berlin-Nachrichten des Sommers: Was Sie nach dem Urlaub alles wissen müssen

Waldbrände, Autobrände, Feuer im Dong-Xuan-Center, Streit in der Politik und auf den Straßen: Berlin hat heiße Wochen hinter sich. Ein Rückblick zum Ferienende.

Alle paar Jahre kommen die Schulferien derart früh über Berlin, dass die Stadt sich ihnen mehr oder weniger verweigert. Es ist Juni! Noch so viel zu tun! Aber irgendwie tritt dann doch eine Art Ruhe ein, wenngleich sie in diesem Jahr nur so eine Art Schleier über den latent bedrohlichen großen Themen war, die sich bekanntlich überhaupt keine Ferien gönnen.

Kurz vor Schluss hatte der Senat noch seinen Mietendeckel oben auf den Wohnungsmangel gesetzt, das garantierte zumindest den gleichmäßigen Einlauf kritischer Kommentare ins vermeintliche Sommerloch. Die Haushälter von Grünen und Linken machen sich zudem verärgert in die Ferien, weil der SPD–Finanzsenator 370 Millionen Euro aus dem Überschuss schon mal verplant hat.

Das sind abstrakte Summen, die Bedrohung ist hingegen ganz konkret. Nur ganz knapp vor der Berliner Grenze in Töplitz wird auf einem Wasserbüffel eine Riesenzecke der Gattung Hyalomma gefunden, von der es heißt, sie könne ein einmal ausgewähltes Opfer über hundert Meter verfolgen; mit Ausnahme des Büffels sind aber noch keine Opfer bekannt geworden. Dem großstädtischen Klimadiskurs hat das Viech aber schon eine Ekelkomponente hinzugefügt.

Am ersten Ferienwochenende richtet sich der erwartete große Ansturm auf den Flughafen Tegel – ob das Ergebnis ein Chaos ist oder nur hoher Andrang mit Nebenwirkungen, hängt vom Blickwinkel ab. Eher ungewöhnlich ist allerdings, dass die vielen Reisenden nicht wirklich sommerlichen Sonnenzielen entgegenstreben, denn überall ist es kühler als in Berlin, das für Ende Juni eine Hitzewelle Richtung 38 Grad erwartet.

Vor allem in Brandenburg macht aber vor allem die Dürre Probleme. Und viele Berliner wundern sich dann auch über den Temperatursturz von fast 40 auf frühlingsfrische 12 Grad in der Nacht zum 27 .Juni – dann geht es aber auch bald wieder rauf auf 38 Grad am 30. Juni.

Raed Saleh sendet ein Lebenszeichen

Dann fällt ein wichtiges Urteil gegen einen Serben, der auf der Flucht vor der Polizei in der Windscheidstraße die Studentin Johanna Hahn angefahren und tödlich verletzt hatte: Mord, entscheidet das Landgericht und verhängt lebenslange Haft. Vermutlich gibt es Revision.

Ein Dauerbrennerthema begleitet die Stadt durch die Ferien: Die E-Scooter, die seit Mitte Juni für den Straßenverkehr zugelassen sind und in Berlin natürlich mit besonderer Begeisterung genutzt werden. Es gibt Unfälle auch schwererer Art, die Polizei kontrolliert, die Verkehrsverwaltung denkt über Auflagen nach, und alle zusammen fragen sich, ob ihnen das Schicksal diese neue Narretei nicht hätte ersparen können.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sendet per Tagesspiegel-Interview ein Lebenszeichen und gibt sich und seiner Partei eins auf den Deckel: Das Thema Ökologie und Klima habe man verschlafen. Dass es allerdings in weiten Teilen Berlins Anfang Juli brenzlig riecht, hat weder mit der SPD noch mit sommerlichem Grillwahn zu tun, sondern mit einem riesigen Waldbrand im mecklenburgischen Lübtheen.

365 Euro statt 761 Euro für den ÖPNV in Berlin?

Ein paar Tage später brennt es in Lichtenberg: Wieder mal hat eine Halle im Dong-Xuan-Center Feuer gefangen. In Berlin vermasselt das Landesverwaltungsgericht den Späti-Betreibern die Sommerlaune, weil es deren sonntägliche Öffnung grundsätzlich verbietet und auch an offizielle Ausnahmegenehmigungen für verkaufsoffene Sonntage schärfere Bedingungen knüpft – sehr großes Mimimi bei all jenen, die ihre Einkäufe am Sonnabend irgendwie nie auf die Reihe bekommen.

Alle Verwaltungen dürfen die Stadt in der Woche vor dem Christopher Street Days erstmals ohne spezielle Erlaubnis mit Regenbogenflaggen überziehen. In Spandau gibt es dazu im Vorfeld einen kuriosen Streit über die Frage, ob sich der Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands mit dem (bekanntlich offen schwulen) US-Botschafter Richard Grenell ablichten lassen durfte – der sei doch so schrecklich rechts, mahnte die bezirkliche Gleichstellungsbeauftragte. Dazu passend fällt das traditionelle Deutsch-Amerikanische Volksfest diesmal erneut aus, weil kein Platz gefunden wird. Die Schausteller fühlen sich vom Senat ignoriert.

Immer noch kein Verwaltungsurlaub: In Kreuzberg schnappt der Tag und Nacht auf der Lauer liegende grüne Baustadtrat Florian Schmidt der Firma Rocket Internet drei Häuser in der Urbanstraße vor der Nase weg. Wie immer: Die Mieter triumphieren, Wirtschaftsverbände sorgen sich um die Gewerbefreiheit. Michael Müller ist auch noch da und liebäugelt öffentlich mit dem Wiener Modell – dort kostet das Jahresticket für den ÖPNV 365 Euro statt mindestens 761 in Berlin. Aber wer soll die Finanzlücke stopfen?

Die Fortsetzung der Sarrazin-Saga

Am 5. Juli kommen die ersten Mitglieder der Anti-Terror-Einheit GSG9 der Bundespolizei nach Berlin und ziehen in ein provisorisches Domizil in der Weddinger Julius-Leber-Kaserne. Nichts damit zu tun hat die Ankündigung von Polizeipräsidentin Barbara Slowik, die wie alle ihre Vorgänger endlich konsequenter gegen falsch geparkte Autos vorgehen will. Konkrete Taten dagegen in der Bergmannstraße: Polizisten jäten die Hanfplantagen, mit denen die „Parklets“ in den umstrittenen „Begegnungszonen“ zu ihrer eigentlichen Berufung gefunden zu haben schienen.

Am 7. Juli stirbt ein großer Berliner: Artur „Atze“ Brauner ist 100 Jahre alt geworden, er wird auf dem Jüdischen Friedhof in Charlottenburg beigesetzt.

Umschwung in der SPD: Die Kreisschiedskommission entscheidet erstmals, dass Thilo Sarrazin wegen Verbreitung rassistischen Gedankenguts aus der Partei ausgeschlossen werden könne. Sarrazin reagiert gelassen und teilt mit, er werde gegebenenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen –Fortsetzung garantiert.

Das Haus Hohenzollern will ein Wohnrecht im Cecilienhof

Keine Urlaubsruhe kennt auch der kriminelle Teil des arabischen Sektors der Stadt. Erst prügeln sich in der Mommsenstraße etwa 15 Männer, eine Schusswaffe hat Ladehemmung, wird später herrenlos unter einem Auto gefunden. Zwei Tage später wird ein kurdischer Mitarbeiter eines Spätkaufs in der Goethestraße, ebenfalls Charlottenburg, niedergeschossen – es geht vermutlich um Schutzgelderpressung, eventuell mit politischem Hintergrund.

Ganz was anderes ist dann mal die Eröffnung der James-Simon-Galerie am 12.Juli, die als neuer Eingangsbereich des Pergamon-Museums dienen soll. Für die Kanzlerin, deren Zitter-Anfälle bei offiziellen politischen Auftritten Aufsehen erregen, ist das einer der raren Gute-Laune-Termine.

Weniger freundlich gibt sich das Haus Hohenzollern, dessen hohe, über fünf Jahre verhandelte Ansprüche an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz durchsickern: Man wünscht einen großen Teil des einstigen Vermögens, darunter allerhand alte Meister, incl. Wohnrecht in Cecilienhof oder einem anderen Schloss – das Echo ist verheerend, ein PR-Desaster.

In der ganzen Stadt brennen Autos

In der Nacht zum 16. Juli brennt das leerstehende Grünauer Ausflugslokal „Riviera“, es droht Einsturz. Der Prozess gegen ein 21jähriges Familienmitglied des Remmo-Clans endet nach 14 Monaten mit einem Freispruch: Der Mordvorwurf habe dem jungen Mann nicht mit hinreichender Sicherheit bewiesen werden können, sagt das Gericht. Familienoberhaupt Issa Remmo tobt im Saal und behauptet, seiner Familie sei Unrecht getan worden.

Berliner holen auf beim Bruttolohn – das ist mal eine gute Nachricht, die ins diesmal sehr kleine und zeitlich eng begrenzte Berliner Sommerloch drängt. Auf dem Grab Fritz Teufels steht ein Blumentopf mit einer Cannabis-Pflanze, und im Friedrichshainer Hausbesetzerkiez gibt es immer mal wieder Randale, vermutlich, weil die Bewohner sich vom kommenden Mietendeckel irgendwie benachteiligt fühlen. Bis Mitte Juli wurden laut Polizei 280 geparkte Autos durch Brandanschläge beschädigt oder zerstört – die Experten streiten noch, ob das nun links- oder rechtsradikale Folklore ist. Eine Ermittlungsgruppe soll es klären.

500.000 Menschen feiern den Christopher-Street-Day

Der Senat, der als Ganzes keinen Urlaub kennt, beschließt sodann die Novelle des Luftreinhalteplans mit den umstrittenen Durchfahrverboten für ältere Diesel, mehr Tempo-30-Zonen und höheren Parkgebühren. In der vorletzten Wochen schlägt dann die große Stunde des Engelbert Lütke Daldrup, der den unmittelbar bevorstehenden Beginn der Wirk-Prinzip-Prüfungen für den Flughafen BER verkündet. Abgesehen davon, dass immer noch alles Mögliche schief gehen kann, gilt das allgemein als gute Nachricht, zumal auch Richtfest fürs zweite Terminal gefeiert wird, bei dem ein Generalunternehmer einfach mal baut.

Schließlich kommen 500.000 Menschen zur Feier des Christopher-Street–Days, alles läuft bunt und friedlich und in schönstem Sommerwetter. Michael Müllers 365-Euro-Ticket, von den Verkehrsbetrieben schon pikiert versenkt, ersteht als „Citymaut“ bei den Grünen auf – wer reinfahren will, soll zahlen, auch mal so eine Idee. Und Andreas Geisel macht sich in seiner Eigenschaft als Sportsenator bei den Herthanern unbeliebt, weil er deren Idee einer Fußballarena neben dem Olympiastadion endgültig versenkt.

Ferienende. Alle nehmen wieder Platz im Büro, und die Lehrer sind gespannt aufs neue Gratis-Schulessen, und was dabei herauskommt. In einem Jahr wissen wir mehr.

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