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 Die Technik für die Magnetschwebebahn ist 45 Jahre alt. Von 1984 bis 1991 fuhr in Berlin die „M-Bahn“.

© imago/Gerhard Leber

„Die autofreie Stadt ist eine Illusion“: Berliner CDU will Magnetschwebebahn zum BER

Die Berliner CDU hat ein neues Verkehrskonzept beschlossen und plant die „Mobilität der Zukunft“. Dafür greift die Partei auf eine alte Idee zurück.

Die CDU wagt den verkehrspolitischen Durchbruch, unter anderem mit einer Magnetbahn. Der Landesvorstand hat am Freitag einstimmig ein Verkehrskonzept für Berlin beschlossen. Nach Parteiangaben ist es ein „umfassender Vorschlag für die Mobilität der Zukunft“. „Wir sind die Stimme der verkehrspolitischen Vernunft“, schrieb die CDU.

Die Koalition dagegen sei „ideologiegetrieben“ und setze „auf Umerziehung und Bevormundung“. Kai Wegner, Landesvorsitzender der Christdemokraten, kommentierte auf Twitter: „Schluss mit rot-rot-grünem Stillstand! Die CDU will Berlin wieder in Bewegung bringen. Meine Idee: Eine Hochbahn mit Magnetschwebetechnologie.“

Aus der Zukunft stammt die Idee Magnetbahn nicht, die Technik ist 45 Jahre alt. Bereits Mitte der 80er Jahre schwebte die „M-Bahn“ in Berlin Kreuzberg. Ein echter Erfolg war dem System aus vielerlei Gründen verwehrt. 1988 durchbrach ein falsch gesteuerter Zug den gläsernen Bahnhof Kemperplatz in Mitte.

Auch mit dieser Erinnerung im Hinterkopf vergossen viele Menschen Spott und Häme über die CDU. „Habe das gesamte Verkehrskonzept der Berliner CDU gelesen. War das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt war. Jetzt wieder zurück zur ernsthaften Politik“, twitterte der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth von den Grünen. Und weiter: „Über die Magnetschwebebahn hab ich natürlich herzlich gelacht.“ Kristian Ronneburg, Verkehrsexperte der Linken, lästerte via Twitter: „Zurück in die Zukunft.“

Nichts als kalter Kaffee aus den 80ern?

Für die Grünen-Fraktion besteht das CDU-Papier zu 80 Prozent aus Forderungen, die die rot-rot-grüne Koalition bereits angeschoben hat. Und die restlichen 20 Prozent seien „kalter Kaffee aus den 80er Jahren, der mit moderner Verkehrspolitik nichts zu tun hat.“ Die Grünen vermissen vor allem Vorschläge zur Finanzierung der „megateuren“ Projekte. Die hohen Kosten würden entweder zu „Steuererhöhungen oder zu einer Explosion der Ticketpreise führen“, sagte grüne Fraktionschefin Antje Kapek.

Auch zur Magnetbahn nennt die CDU in dem 30-seitigen Papier keine Details außer: „Die Magnetschwebebahntechnik ist ähnlich leistungsfähig wie die U-Bahn, aber deutlich kostengünstiger. Wir wollen, dass das umweltfreundliche und leise System beispielsweise bei der weiteren Erschließung des BER oder der Erschließung neuer Wohngebiete zum Zuge kommt.“

Vorsichtiger formulierte der SPD-Verkehrsexperte Tino Schopf. „Es ist nicht viel neues dabei, bis auf die Magnetbahn.“ Über diese könne man nachdenken, sagte Schopf, zum BER sei sie allerdings  „rausgeschmissenes Geld“. Zum Flughafen müsse die U7 verlängert werden. Schopf schlug stattdessen den Flughafen Tegel für eine Magnetbahn vor. Dort entstehen tausende Wohnungen.

„Die autofreie Stadt ist eine Illusion“

Das U-Bahn-Netz möchte die CDU massiv ausbauen. Und zwar nicht nur die Strecken, die zuletzt diskutiert wurden wie die U8 ins Märkische Viertel und die U1 nach Ostkreuz. Die CDU denkt größer: Die U3 könnte bis Düppel, die U1 bis Theodor-Heuss-Platz und die U6 nach Lichtenrade verlängert werden. Eine neue U10 könnte Blankenburg, Karow und Buch mit dem Alex verbinden. Andere Ideen wie die U9 nach Lankwitz sind jahrzehntealt.

Deutlich knapper wird die Straßenbahn bedacht, die CDU nennt nur wenige mögliche Erweiterungen, bei denen die Tram auf eigenem Gleiskörper fahren kann. Die Strecke vom Alex bis Potsdamer Platz, die die Koalition bauen will, ist für die CDU kein Thema – weil sie dem Autoverkehr Platz nimmt.

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„Die autofreie Stadt ist eine Illusion“, heißt es in dem CDU-Papier. „Auch in 20 oder 30 Jahren werden sich Menschen im eigenen Pkw durch die Stadt bewegen.“ Auch dem Fahrrad widmet die Partei gut zwei Seiten, allerdings unter dieser Prämisse: „Der Fahrradverkehr soll den Autoverkehr nicht unnötig ausbremsen.“

CDU will die meisten Pop-up-Radwege wieder abschaffen

Den „Pop-up-Aktionismus“ lehnt die CDU ab, nur „Strecken, die sinnvoll sind, wollen wir erhalten“, heiß es in dem Papier. Ob die Kantstraße dabei ist, sagt die CDU nicht. Die Bezirks-CDU hat gerade einen Antrag gegen weitere Corona-Radwege in Charlottenburg-Wilmersdorf in die BVV eingebracht. 2019 hatte die CDU ein achtminütiges Youtube-Video („Der Vollpfosten-Radweg von R2G“) veröffentlicht, das mit einem flammenden Appell ihres verkehrspolitischen Sprechers, Oliver Friederici endete: „Ich will die ganzen Poller wieder abreißen, weil die braucht kein Mensch.“

Bekanntlich setzt die rot-rot-grüne Koalition auf (zum Beispiel durch Poller) geschützte Radwege. Die grüne Fraktionschefin Antje Kapek kommentierte das CDU-Papier so:  „Hier zeigt die CDU ihr wahres Gesicht – und das ist nach wie vor das einer Auto-Partei.“ 

Tatsächlich verlangt die CDU den Weiterbau der A100 bis Storkower Straße und den Bau mehrerer Tangenten in den Ostbezirken.

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