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Der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja mit dem aktuelle TXL-Plakat.

© twitter.com/SebCzaja/status/1265728407486320640?s=20

Die 100.000-Euro-Frage: Betreibt Berlins FDP-Fraktion mit TXL-Plakaten illegale Parteiwerbung?

Verlust an Strahlkraft: Eine Kampagne der Berliner FDP-Fraktion wirft Fragen auf. Eine Jura-Professorin wittert dahinter eine versteckte Parteienfinanzierung.

Die Berliner FDP-Fraktion steht im Verdacht, gegen die Regeln der Parteienfinanzierung verstoßen zu haben. Grund sind eine Plakataktion in der Stadt und eine Werbeaktion bei Facebook. Die Kosten belaufen sich auf 100.000 Euro.

Auf den Plakaten ist vor dem Flughafengebäude zu lesen: „Wenn in TXL das Licht ausgeht, verliert ganz Berlin an Strahlkraft.“ Für Fraktionen gelten bei der Öffentlichkeitsarbeit besondere Regeln. Sie dürfen die Bürger nur über ihre inhaltliche Arbeit informieren – aber keine Wahlwerbung betreiben.

Doch auf den in der vergangenen Woche aufgehängten 2000 Plakaten zum Flughafen Tegel gibt es keinen Hinweis auf die inhaltliche Arbeit der Fraktion. Dabei heißt es im Berliner Fraktionsgesetz, dass die Fraktion „während der Dauer der gesamten Wahlperiode in eigener redaktioneller Verantwortung und unter inhaltlichem Bezug zu ihrer Arbeit und Aufgabenstellung die Öffentlichkeit unterrichten“ darf.

Sophie Schönberger, Professorin für Öffentliches Recht und Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung in Düsseldorf, sagte dem rbb, sie bezweifle, dass die Verwendung von Fraktionsgeldern für diese Kampagne rechtmäßig war. Ihrer Ansicht nach liegt ein Verstoß gegen das Fraktionsgesetz vor.

„Hier wird eine Werbekampagne gestartet, die in erster Linie der Partei und nicht der Fraktion zugutekommen soll“, sagte Schönberger. Es fehle „ein Bezug auf eine aktuelle, parlamentarische Initiative“, wie etwa in der Vergangenheit die Anträge der FDP zum „Tegel-Offenhaltungsgesetz“ oder zur Anerkennung der Volksinitiative zur Rettung von Tegel.

„Öffentlichkeitsanker, die zur Kampagne hinführen“

Das Abgeordnetenhaus verwies auf Anfrage darauf, dass der Berliner Rechnungshof für die Prüfung der Fraktionsfinanzen zuständig sei. Doch der sieht vorläufig keinen Handlungsbedarf. „Wir prüfen die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel im regulären Verfahren und sehen gegenwärtig keinen Anlass für eine außerordentliche Prüfung“, sagte ein Sprecher.

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Aus den Reihen der FDP-Fraktion hieß es, der Vorwurf Schönbergers sei haltlos. „Wir haben nichts falsch gemacht und sorgen mit der Kampagne für Informationen“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Paul Fresdorf.

Die in der Stadt verteilten Plakate dienten als „Öffentlichkeitsanker, die zur Kampagne hinführen“, sagte er. Fresdorf hatte die Kampagne gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Sebastian Czaja Anfang Mai in der Fraktion präsentiert.

FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja gilt als scharfer Kritiker der BER-Pläne.
FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja gilt als scharfer Kritiker der BER-Pläne.

© Britta Pedersen/dpa

Teilnehmern zufolge gab es keine Kritik an den Plänen, die gemessen am bescheidenen Budget der kleinsten im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktion kostspielig waren. Die Entscheidung dafür, die Kampagne tatsächlich zu starten, fiel einstimmig. Zwischenzeitlich nahm an der Sitzung auch FDP-Landeschef Christoph Meyer teil, der den Bericht des rbb als „ziemlich konstruiert und reißerisch“ bezeichnete.

Personelle Verquickungen zwischen Partei und Fraktion

Ein in dessen Bericht nicht aufgegriffenes Indiz für die Verschränkung von Fraktionskampagne und Partei wurde noch am Donnerstag korrigiert. Mit Peter Kastschajew tauchte unter der Bewerbung der Kampagnenbeiträge auf der Facebook-Seite der Fraktion der Sprecher des Landesverbands auf.

Kastschajew arbeitete bis vor wenigen Monaten als stellvertretender Sprecher für die Fraktion, wechselte dann aber auf den Sprecherposten des Landesverbandes. Der für die Bewerbung der Beiträge benötigte Disclaimer war jedoch nicht geändert worden.

Die Juristin war selbst in der FDP

Hinzu kommt: Kastschajew arbeitet weiter auf geringfügiger Basis für die Fraktion, unterstützt dort unter anderem die Leiterin Digitale Kommunikation, Juliane Hüttl, beratend. Hüttl wiederum ist Teil des Landesvorstands der Berliner FDP, lässt diesen Posten aber derzeit ruhen.

Bei den Liberalen ist die an der Universität Düsseldorf tätige Schönberger durchaus bekannt. Sie vertrat die Bundestagsfraktion der Partei zuletzt als Prozessbevollmächtigte in der Normenkontrollklage gegen die Erhöhung der Parteienfinanzierung. Zur Jahrtausendwende war sie in der Berliner FDP auf Bezirksebene aktiv.

Schönberger hat 2018 die Lehrstuhl-Nachfolge von Martin Morlok angetreten, dem vielleicht renommiertesten deutschen Rechtswissenschaftler in Fragen der Parteienfinanzierung. Er war immer eine der ersten Anlaufstellen für Medien, wenn es um dieses Thema ging. So wie der rbb nun Schönberger die FDP-Kampagne vorgelegt hat.

Die Wissenschaftlerin ist daher nicht einfach nur eine Stimme unter vielen - sondern eine der führenden Parteienrechtlerinnen.

(Hinweis: Die in der ursprünglichen Fassung des Beitrags enthaltenen Angaben zu einer der angeführten Personen haben wir aus Rücksicht auf die Privatsphäre geändert.)

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