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Berlin: Dicke Freunde

Nilpferde sind Sympathieträger. Kein Wunder, dass sie einen Fanclub haben. Der feiert jetzt 20. Geburtstag

Was für eine dumme Frage. Erich Dederichs weiß genau, warum er von allen Tieren ausgerechnet das Nilpferd bewundert: „Kennen Sie ein Geschöpf, dass seine Ohren so grazil in verschiedene Richtungen drehen kann?“ Das mit dem Schwanz rotiert, wenn es kotet? Und das Vögeln auf dem Rücken „eine Heimstatt bietet“?

Mit seiner Leidenschaft steht Dederichs nicht alleine da: Knapp 100 Mitglieder des bundesweiten „Clubs der Nilpferdfreunde“ haben sich am Samstagabend in Berlin versammelt, um ihr 20-jähriges Vereinsbestehen zu feiern. Und weil sie ihren Lieblingen dabei ganz nah sein wollen, findet das Treffen im Nilpferdhaus des Zoos statt. Da können sie bei Kerzenschein zusammensitzen und sich gegenseitig die tollsten Nilpferd-Geschichten erzählen, während „Kathi“, „Ede“ und „Gregor“ hinter der Scheibe ihre Runden drehen. Jedes Nilpferd habe seinen eigenen Charakter, sagt Gründungsmitglied Dederichs. Aber gutmütig und friedfertig seien sie alle, ergänzt Vereinschef Ulrich Kalcher. Jedenfalls solange man sie nicht reize. „Genau so bin ich auch irgendwie.“

Das Ansehen der Nilpferde zu mehren und Schaden von ihnen abzuwenden, das hat sich der Club – in Anlehnung an den Amtseid des Bundeskanzlers – zum Ziel gesetzt. Die Mitglieder übernehmen Patenschaften in Zoos und setzen sich für Artenschutz ein. Vor allem aber sammeln sie alles, was nach Nilpferd aussieht; einige Prachtexemplare haben sie heute dabei: Tassen, Kartenspiele, Badewannenstöpsel und Sparschweine. „Spar-Nilpferde“, sagt Sabine Probst. Die Lehrerin aus Schleswig-Holstein hat von allen Mitgliedern die meisten Tiere zu Hause stehen. Vor zehn Jahren hörte sie mit dem Zählen auf – da waren es schon über 6000. Gerade baut sie ihren Dachboden zu einem Museum aus. Dieses „unheimlich Runde“ an den Tieren mache sie ganz verrückt, sagt Probst. Und lacht. Die anderen lachen auch viel. Zum Beispiel, als ein Nilpferd hinter der Scheibe aus dem Wasser steigt und sein Geschäft verrichtet. Oder als sich Vereinschef Kalcher eine Nilpferd-Maske aus Tonpapier überzieht: „Darf ich um Aufmerksamkeit bitten? Hier spricht der Vorsitzende.“

Ist denn hier alles nur Spaß? Alles kompletter Nonsens? Immerhin nahmen die ersten Mitglieder die Sache damals so ernst, dass sie den Club unbedingt als Verein eintragen lassen wollten. Was aber gar nicht so einfach war: Den ersten Antrag lehnte das Registergericht Bonn mit der Begründung ab, das Pflegen und Halten von Nilpferden sei in der Bundesrepublik „kaum möglich.“ Da mussten die Nilpferdfreunde erst den Gegenbeweis antreten und einen Karlsruher Zirkusdirektor zum Ehrenmitglied machen. Klar sei das Ganze zunächst „eher eine Schnappsidee“ gewesen, sagt Gründer Dederichs. Aber zumindest eine, die sofort hohe Wellen schlug: Für ein Symposium konnte der Verein prominente Gastredner gewinnen; der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm sprach über „Das Nilpferd im Betriebsverfassungsgesetz“, Otto Schily dozierte über Nilpferde und parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Das war 1985. Heute ist immerhin der Vorsitzende der französischen Nilpferdfreunde als Gastredner dabei. Der spricht zwar kein Deutsch, kann aber fast so laut wie ein Nilpferd grunzen. Die Mitglieder grölen vor Lachen.

Informationen über den Club gibt es im Internet unter www.nilpferdfreunde.de.

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