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Eine Reklame der Werbemittel-Firma MS-Print für Mundschutze, die sie vertreiben, ist vor einem Wohnblock nahe des Ostbahnhofs im Berliner Zentrum zu sehen.

© dpa

Update

Deutsche Corona-Hotspots: Vier Berliner Bezirke gelten inzwischen als Risikogebiete

Viele neue Fälle in Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg: Schleswig-Holstein schickt Besucher aus diesen Bezirken in Quarantäne.

Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein Berliner Bezirke als offizielle Corona-Risikogebiete eingestuft. Inzwischen fallen vier Bezirke in diese Kategorie. Nach Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg folgte am Montag auch Tempelhof-Schöneberg. Wer von von dort in das norddeutsche Bundesland reist, muss sich an seinem Zielort 14 Tage in Quarantäne begeben. Am Freitag wies das Land Berlin mit 339 Neuinfektionen den höchsten Anstieg seit Pandemiebeginn auf.

Das geht aus den „Hinweisen für Einreisende aus dem In- und Ausland“ auf der Website des Landes hervor. Demnach sind die vier Berliner Bezirke neben den nordrhein-westfälischen Städten Hamm und Remscheid „Risikogebiete im Inland“.

Laut einem Aktenvermerk der Bundesregierung, den „n-tv“ zitiert, gelten ähnliche Regeln für inländische Risikogebiete in Mecklenburg-Vorpommern - dort wird Berlin allerdings insgesamt betrachtet und nicht seine einzelnen Bezirke.

Schleswig-Holstein legt dieser Entscheidung die Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz zugrunde. Gab es in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt binnen einer Woche mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, ist die Schwelle zum Risikogebiet überschritten. 

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Für die schleswig-holsteinische Quarantäneregelung gelten allerdings einige Ausnahmen: Sie gilt beispielsweise nicht für Menschen, die sich weniger als 48 Stunden in einem Risikogebiet aufgehalten haben. Auch Abgeordnete des Bundestags, der in Berlin-Mitte liegt, sind von der Regelung ausgeschlossen.

Bezirksbürgermeister von Dassel: „Die Lage ist wirklich ernst“

Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) sagte dem Tagesspiegel am Freitag: „Solange Mitte auf der Liste des RKI separat aufgeführt wird, ist die Entscheidung von Schleswig-Holstein für mich nicht unplausibel.“ Die Entscheidung sei nur einer von vielen Fingerzeigen und alle würden das gleiche bedeuten: „Die Lage ist wirklich ernst und: So geht es nicht weiter“, sagte von Dassel.

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Das Hauptinfektionsrisiko in Mitte gehe zurzeit von jungen Menschen aus, in jüngster Zeit stiegen aber auch die Covid-19-Infektionszahlen bei „weniger robusten Menschen merklich“ an. „Das Hauptgeschehen geht bei uns von den jungen Leuten aus, es sind größere private Feiern und Partys in Kellern - wie früher während der Prohibition.“ Bei vielen fehle das Bewusstsein, sagte von Dassel. „Da wird besonders exzessiv nachgeholt, auf was man in den vergangenen Monaten verzichten musste.“

Meiste Infektionen bei jungen Leuten - aber auch mehr bei Senioren

Schaut man sich die neuen Fälle nach Altersgruppen an, fällt auf, dass sich das Virus gerade nicht nur in Mitte besonders bei jungen Erwachsenen ausbreitet. Am meisten neue Fälle gab es innerhalb der vergangenen sieben Tage demnach bei den 20- bis 29-Jährigen. Zu Beginn der Pandemie gab es in Berlin hingegen anteilsmäßig auch wesentlich mehr Fälle unter Älteren.

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Das könnte auch erklären, warum die Todeszahlen in Berlin in letzter Zeit kaum noch zunehmen. Denn in dieser Altersgruppe wurden bisher gar keine tödlichen Verläufe in Berlin gemeldet. Besorgniserregend ist allerdings, das aktuell auch wieder die Fälle unter den über 80-Jährigen ansteigen. Hier sind schwere Verläufe sehr viel wahrscheinlicher. Erste Anzeichen gibt es bereits: Die Intensivbetten in Krankenhäusern sind inzwischen wieder zu 3,2 Prozent mit Covid-19-Patienten belegt; über den Sommer hatte dieser Wert lange Zeit bei etwas über einem Prozent gelegen.

2174 aktive Fälle am Samstag: Höchster Wert seit Pandemiebeginn

203 Neuinfektionen meldete Berlin auch wieder am Samstag, nachdem Freitag bereits ein neuer Rekordwert von 339 neuen Fällen an einem Tag vermeldet wurde. Damit stieg die Zahl der aktiv Erkrankten in Berlin auf 2174. Das war der höchste Wert seit Beginn der Pandemie. Am Sonntag lag sie bei 2146 aktiven Fällen. Wie am Wochenende üblich, gaben die Gesundheitsämter weniger Testergebnisse an die Senatsgesundheitsverwaltung weiter, während nach Ablauf von 14 Tagen etwa positiv Getestete ohne Symptome nach Ende der häuslichen Isolation automatisch als genesen gelten. Eine Entwicklung lässt sich aus dieser Beobachtung am Wochenende nicht ableiten.

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Trauriger Spitzenreiter bei der Sieben-Tage-Inzidenz ist Neukölln. 63,5 Fälle pro 100.000 Einwohnern wurden hier binnen einer Woche gemeldet. Als Schwellenwert für strikte Maßnahmen gilt 50. Nach Tagesspiegel-Berechnungen liegen neben Neukölln auch Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg sowie Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg oberhalb des Grenzwerts. Diese Bezirke sind die wesentlichen Treiber hinter den berlinweit steigenden Statistiken. Insgesamt liegt die Inzidenz für Berlin nun bei 38,4. In Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg gab es hingegen weiterhin relativ wenig neue Fälle.

Die Corona-Ampel bleibt damit in der Kategorie der Neuinfektionen unverändert auf Rot. Die Ampel für den R-Wert ist hingegen weiterhin auf Grün. In der Berechnung dieses Werts dauert es allerdings immer einige Tage, bis die neuen Fälle einfließen, weshalb zu erwarten ist, dass er in den nächsten Tagen ebenfalls steigt.

Fünf Berliner Bezirke unter zehn deutschen Corona-Hotspots

Die Tagesspiegel-Werte (hier geht's zur interaktiven Karte) liegen durchweg höher als die jeweiligen Sieben-Tage-Inzidenzen in den Lageberichten des RKI. Dort schlagen sich die neuesten Entwicklungen erst mit ein bis zwei Tagen Verzögerung nieder, weil das RKI die Daten nicht direkt von den Gesundheitsämtern bezieht. Außerdem gibt es verschiedene Wege, die Inzidenz zu berechnen.

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Im Lagebericht des RKI vom Sonntag tauchen fünf Berliner Bezirke unter den zehn größten deutschen Corona-Hotspots auf. Hinter Hamm und Remscheid liegt Mitte mit 57,4 auf dem dritten Rang bundesweit, gefolgt von Neukölln mit 56,5 und Friedrichshain-Kreuzberg mit 52,2 auf vier und fünf. Tempelhof-Schöneberg wies zu diesem Zeitpunkt bereits eine Sieben-Tage-Inzidenz von 49,2 in der RKI-Statistik auf (Rang 7), Charlottenburg-Wilmersdorf lag bei 40,7 (Rang 10). Im Dashboard des RKI wurde Tempelhof-Schöneberg dann am Montag mit 52,3 gelistet - was Schleswig-Holstein zum Anlass nahm, auch diesen Bezirk zum Risikogebiet zu erklären.

14 Tage Quarantäne in Schleswig-Holstein

Die Folgen für Reisende aus Berlin-Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg, die Schleswig-Holstein besuchen wollen, können schwerwiegend sein: Sie müssen sich direkt nach ihrer Ankunft in eine 14-tägige Quarantäne begeben, dürfen dort keinen Besuch empfangen und müssen sich beim örtlichen Gesundheitsamt melden. Sie können die Quarantäne allerdings durch zwei negative Corona-Tests verkürzen. Diese müssen mindestens fünf Tage auseinander liegen, und das erste Testergebnis darf bei Einreise nicht älter als 48 Stunden sein. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.

[Das Coronavirus in Berlin: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]

„Für Einreisende aus Risikogebieten im Inland gelten die gleichen Bestimmungen wie für Einreisende aus Risikogebieten aus dem Ausland“, heißt es. „Einreisende aus Risikogebieten im Inland sind lediglich von der Testpflicht ausgenommen. Auch können diese sich nicht kostenlos auf das Coronavirus testen lassen außer für den Fall, dass das Gesundheitsamt einen Test anordnet.“

Herbstferien in Schleswig-Holstein? Auf eigenes Risiko

Urlauber müssen wissen: Campingplätze, Jugendherbergen und alle sonstigen Einrichtungen mit sanitären Gemeinschaftseinrichtungen, deren Benutzung unumgänglich ist, dürfen nicht der Quarantäne dienen. „In einer Ferienwohnung oder auch in einem Hotelzimmer ist eine Quarantäne denkbar, sofern diese entsprechend konsequent eingehalten wird.“ Frühstücksraum oder Restaurant eines Hotels dürfen allerdings nicht betreten werden.

In den Ferien an die Nordsee in Schleswig-Holstein und Drachen steigen lassen? Das müssen sich Berliner Familien womöglich abschminken.
In den Ferien an die Nordsee in Schleswig-Holstein und Drachen steigen lassen? Das müssen sich Berliner Familien womöglich abschminken.

© Christian Charisius/dpa

Wer in den Herbstferien an die Nord- oder die Ostsee fahren will, trägt das Risiko selbst. Das Land habe kein „Beherbergungsverbot“ ausgesprochen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Aber in Quarantäne könne man seinen Urlaub „vielleicht nicht mehr so genießen“.

Mecklenburg-Vorpommern beurteilt Risiko nach Lage in ganz Berlin

Eine ähnliche Regelung wie in Schleswig-Holstein gilt in Mecklenburg-Vorpommern – wobei hier Berlin als Ganzes betrachtet wird. Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz für die gesamte Hauptstadt über 50 steigen, könnte das auch Berliner treffen, die einen Ausflug nach Rügen oder Zingst planen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gilt nämlich eine Verpflichtung zur 14-tägigen häuslichen Quarantäne nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet in Deutschland. Sie kann durch zwei negative Corona-Tests verkürzt werden.

[Innerdeutsche Risikogebiete: Diese Reisebeschränkungen gelten für Corona-Hotspots.]

In Rheinland Pfalz und Berlin selbst hat sich das mit dem Tag der Einheit geändert. Im Südwesten trat am 3. Oktober eine Ausnahmeregelung in Kraft, die innerdeutsche Gebiete sowie angrenzende Nachbarn wie Luxemburg, Belgien und Frankreich von der Quarantäne-Regelung befreit. „Wir wollen dass die Menschen in der Grenzregion ihren normalen Alltag weiterleben können“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem Tagesspiegel.

Ähnlich hält es die Bundeshauptstadt. Wer aus einem innerdeutschen Gebiet mit erhöhtem Infektionsrisiko nach Berlin kommt, muss nicht mehr in Quarantäne. Der Senat habe die Regelung zum 3. Oktober abgeschafft, sagte ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung der Deutschen Presseagentur. Zuvor hatten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe darüber berichtet.

Senat könnte Corona-Maßnahmen nachschärfen

Senatssprecherin Melanie Reinsch sagte dem Tagesspiegel am Freitag: „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Schleswig-Holstein den Bezirk Berlin-Mitte und andere innerdeutsche Regionen zu Risikogebieten erklärt hat. Wir beobachten die bundesweite Entwicklung der steigenden Infektionszahlen mit Sorge.“

Insbesondere in den Großstädten stiegen in ganz Deutschland die Zahlen, viele Städte hätten ähnliche oder sogar noch höhere Inzidenzwerte als Berlin, sagte Reinsch. „Der Senat nimmt diese Entwicklung sehr ernst. Berlin hat viele Maßnahmen ergriffen, um die Pandemie einzudämmen, oft weitreichender als andere Bundesländer.“ Gegebenenfalls werde man aber weiter nachschärfen müssen.

Alkoholverbot und Schwerpunktkontrollen?

Die politische Diskussion darüber ist bereits im Gange. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) forderte am Samstag ein nächtliches Alkoholverbot für Berlin. In Restaurants, Bars, Clubs und Spätis solle zwischen 23 und 6 Uhr kein Alkohol mehr verkauft oder ausgeschenkt werden. Außerdem denkt sie über weitergehende Kontaktbeschränkungen nach. Private Begegnungen könnten auf zwei Haushalte oder fünf Personen begrenzt werden „Der Zeitfaktor ist jetzt wichtig“, sagte Kalayci der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben nicht die Zeit zu sagen, wir gucken mal. Die Uhr tickt.“

Falko Liecke, CDU-Gesundheitsstadtrat im stark betroffenen Neukölln, appellierte hingegen an den Senat, sich für bessere Kontrollen in Kneipen einzusetzen. Nötig seien Schwerpunkteinsätze mit Gesundheitsämtern, Ordnungsämtern und Polizei. Innensenator Andreas Geisel (SPD) müsse dafür ein Konzept vorlegen. In Neukölln sind auch mehr als ein Dutzend Schulen von Corona-Fällen und Quarantäne-Maßnahmen betroffen. Liecke kündigte an, diee Quarantänemaßnahmen im Schulbereich zu verschärfen: Bei einem positiv getesteten Schüler soll die ganze Klasse für 14 Tage in Quarantäne - ohne die Möglichkeit, sie verkürzen zu können. Der CDU-Politiker nannte das die "Hammer-Methode".

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