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Das Lager der obdachlosen Menschen auf dem leerstehenden Gelände existiert schon länger. 

© privat

Deutsche Bahn kündigt „Aufräumaktion“ an: Camp-Räumung hinter dem Berliner Ring-Center verschoben

Die Bahn will gegen ein Obdachlosencamp auf ihrem Gelände vorgehen. Zunächst sollte es eine Räumung geben, nun eine „Aufräumaktion“. Es formiert sich Protest.

Rund zwölf bis 20 Personen leben in selbstgebauten Hütten, Zelten und in Wohnwagen auf einem Gelände der Deutschen Bahn hinter dem Berliner Ring-Center. Der Konzern kündigte eine Räumung an, es formieren sich Proteste, Politiker:innen schalteten sich ein – nun soll es lediglich eine "Aufräumaktion" werden. 

"Wir mussten feststellen, dass die Fläche der DB Netz AG unberechtigt als Stellplatz für Fahrzeuge, als Lagerplatz diverser Materialien und illegalen Mülls genutzt wird", heißt es in einem Schreiben der DB Netz AG vom 31. März 2021, gerichtet an die "Nutzer der Fläche" mit der Adresse Containerbahnhof 1. Der Zettel wurde vor Ort ausgehängt und liegt dem Tagesspiegel vor. 

Gemeint sind obdachlose Menschen, die sich bereits seit Jahren auf dem Gelände befinden. Mit der Zeit ist eine Art Lager entstanden hinter dem Einkaufszentrum an der Grenze von Friedrichshain und Lichtenberg, an der S-Bahnstation Frankfurter Allee.

Dort steht auch die riesige Traglufthalle "HalleLuja" von der Stadtmission. Jeden Winter werden hier mehr als 100 obdachlose Menschen während der Kältehilfe-Saison untergebracht. Das fiel jedoch in diesem Jahr aus. Als Grund nennt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dass der Infektionsschutz nicht gewährleistet werden könne. Im Dezember hatte es einen Corona-Ausbruch in der Halle gegeben. 

Daher hatten der Bezirk und die Stadtmission entschieden, ein Hostel zur Unterbringung zu nutzen. Lediglich im Februar wurde die Traglufthalle für eine Nacht geöffnet, als ein Obdachlosenlager an der Rummelsburger Bucht geräumt wurde.  

Die Bahn richtet ein Schreiben an die "Nutzer der Fläche"

In dem Schreiben kündigte die Bahn die Räumung des Lagers am Ring-Center für Montag, den 19. April, um 8 Uhr an. Auf Nachfrage teilte ein Bahnsprecher am vergangenen Freitag, drei Tage vor der angekündigten Räumung, zunächst mit, diese sei mit dem Bezirk und den Sozialträgern abgestimmt worden, ebenso mit der Landes- und der Bundespolizei. Das Betriebsgelände werde als Lager für Baumaterialien genutzt, der Zutritt sei auch wegen des nahen Zugverkehrs verboten.

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Nachdem sich am Freitag jedoch die Sozialarbeiter von Karuna einschalteten, nahm die Bahn von den Räumungsplänen Abstand. Ein Karuna-Sprecher sagte dem Tagesspiegel, man habe mit der Bahn am Freitag verhandelt und erwirkt, dass es am Montag keine Räumung geben wird, diese bis zum 14. Juni ausgesetzt wird und es bis dahin ein Räumungsmoratorium geben solle.

Bahn: "Am Montag wird es eine Aufräumaktion vor Ort geben"

Wenige Stunden später bestätigte die Bahn-Pressestelle dies auf Nachfrage: "Am Montag wird es eine Aufräumaktion vor Ort geben. Die dort lebenden Menschen und ihre provisorischen Hütten bleiben unberührt." Auch die Sozialarbeiter werden vor Ort sein. Man wolle in den nächsten Tagen Gespräche führen, um zu einer guten Lösung zu finde, hieß es von der Bahn.

Die Sozialarbeiter sollen am Montag mit den Obdachlosen sprechen und sie bitten, sich andernorts aufzuhalten oder in eine Unterkunft zu gehen, wenn möglich. Die Wohnwagen der Obdachlosen sollen möglichst auf das Gelände mit der Traglufthalle gebracht werden.

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Eine Sprecherin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bestätigte, dass es seit Anfang der Woche Gespräche mit der Bahn über das Lager und die Fläche gibt. Das bezirkliche Sozialamt habe allerdings versuchen wollen, die Angelegenheit anders, und nicht durch eine Räumung, zu lösen und habe dazu um Zeit bei der Bahn gebeten. Doch diese habe mitgeteilt, dass die Fläche dringend frei werden müsse, sagte die Sprecherin des Bezirksamts. 

[Weiter zu diesem Thema auf dem Laufenden halten wir Sie auch in unseren Bezirksnewslettern. Am Montag, den 19. April erscheint der neue Lichtenberg-Newsletter von Autor Robert Klages. Er wird darin unter anderem von der "Aufräumaktion" von vor Ort berichten. Alle Newsletter können hier kostenfrei abonniert werden: leute.tagesspiegel.de]

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) twitterte am Freitag, Karuna habe das Thema "erfolgreich gelöst". Der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg spricht sich in einem Schreiben an Frank Sennhenn, dem Vorstandsvorsitzenden der DB Netz AG, dafür aus, "die Räumung im Interesse der sozialen Belange auszusetzen". Ohnehin sei geplant, den Standort mit der Traglufthalle zu einem "Safe Place" für Obdachlose auszubauen, so Schlüsselburg weiter, hierzu sei jedoch mit der Deutschen Bahn noch keine Einigung erzielt worden. 

"Safe Place" für Obdachlose 

Die Idee eines "Safe Place" in Berlin gibt es schon lange. Ein Ort, an dem obdachlose Menschen selbstverwaltet leben können. Eine Wiese gegenüber des Ring-Centers an der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg ist hierzu im Gespräch, wie der Tagesspiegel exklusiv berichtete. Hier gibt es ebenfalls noch keine Beschlüsse. Lichtenbergs Sozialstadtrat Kevin Hönicke (SPD) ist zunächst mit Anwohnenden im Gespräch.  

Ein weiterer möglicher Ort für die Ansiedlung eines Safe Place ist ein Parkplatz am S-Bahnhof Lichtenberg. An diesem hatte die Bahn bereits im letzten Jahr eine Lagerstätte von obdachlosen Menschen räumen lassen

Neue Friedrichshainer Partei kündigt Proteste gegen Räumung an

Gegen die zunächst angekündigte Räumung des Obdachlosenlagers auf dem Gelände der DB Netz AG hinter dem Ring-Center könnte es am Montag Proteste geben. Thorsten Buhl, ehemaliger Linke-Politiker aus Friedrichshain-Kreuzberg, meldete eine Kundgebung mit 100 Personen bei der Polizei an. Andere Gruppierungen wollen gegen 10 Uhr vor Ort aktiv sein. 

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Buhl ist weiterhin Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und hat die Partei "Offene Liste Friedrichshain" (Ofl) aus der Rigaer Straße heraus in diesem Jahr gegründet.

Buhl war nach den Vorgängen um die Räumung des Obdachlosenlagers an der Rummelsburger Bucht aus der Linke-Fraktion ausgetreten. Ebenso störte ihn, dass die Linke zu wenig gegen die Räumung des queer-feministischen Hausprojekts in der Liebigstraße 34 unternahm und sich nicht eindeutig für das Projekt positionierte.

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