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Nicht nur die Vergangenheitsform bereitet Berlins Schülern Probleme.

© dpa

Deutsch als Zweitsprache: 2500 Professoren – aber keiner forscht über die Sprachförderung von Migranten

Jeder dritte Berliner Schüler hat einen Migrationshintergrund. Aber den Lehrern wird an den Universitäten nicht beigebracht, wie man die deutsche Sprache am wirkungsvollsten vermittelt

Obwohl jeder dritte Berliner Schüler einen Migrationshintergrund hat und Berlin Schlusslicht bei allen Schulleistungsstudien ist, wird in Berlin kaum erforscht, wie sich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in der Schule effektiv vermitteln lässt. „Es ist alles nur Stückwerk“, beschreibt Berlins ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John den Stand der Lehrerbildung in diesem Bereich. Die Tatsache, dass Berlin keinen Lehrstuhl für Deutsch als Zweitsprache habe, sei ein „unmöglicher Zustand, den man nicht begreifen kann“, lautet ihre Einschätzung.

Neue Aktualität hat der alte Missstand dadurch gewonnen, dass Berlins Viertklässlern bei der jüngsten Länderstudie wieder die größten Defizite beim Lesen attestiert wurden. Da das Lesen entscheidend für den gesamten Schulerfolg ist, werden die schlechten Ergebnisse mit besonderer Sorge gesehen. Um gegenzusteuern, empfiehlt der Pisa-Experte Jürgen Baumert, dass sich alle Grundschullehrer im Studium mit dem Thema Sprachvermittlung beschäftigen sollten. Diese Empfehlung ist Teil von Baumerts Gesamtkonzept für die Lehrerbildung, das er kürzlich im Auftrag des Senat vorgelegt hatte (wir berichteten).

Nun sind die Universitäten gefordert. Eine Arbeitsgruppe soll klären, wie Baumerts Vorschläge umgesetzt werden sollen, wie also dieses und andere Themen in der Lehrerbildung verankert werden können. Am Donnerstag gab es dazu eine Anhörung im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, nannte es anschließend einen „absoluten Skandal“, dass es in Berlin über 50 Jahre nach Beginn der Zuwanderung noch immer keinen Lehrstuhl für Deutsch als Zweitsprache gibt. Das Gleiche gelte für den Bereich der interkulturellen Kompetenz. Auch dieser Bereich werde von den Universitäten „stiefmütterlich behandelt“. Die Folge ist, dass Berlins Schulen weitgehend alleingelassen wurden mit der Frage, wie sie mit der wachsenden Zahl von nicht deutschsprachigen Schülern umgehen sollten. Es gebe in Berlin kein schlüssiges Sprachkonzept, diagnostizierte denn auch Petra Stanat bei der Vorstellung der jüngsten Viertklässlerstudie. Die Leiterin des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich nannte das Fehlen eines Lehrstuhls für DaZ denn auch als einen Faktor beim schlechten Abschneiden Berlins in der von ihr geleiteten Studie. Zumal diese zeigte, dass in keiner anderen Stadt so wenige Kinder zu Hause konstant Deutsch sprechen wie in Berlin.

Zwar hat der Berliner Senat im Jahr 2007 festgelegt, dass alle Lehramtsstudenten Lehrveranstaltungen zum Thema DaZ belegen müssen. Es fehlt bei den Dozenten allerdings an Expertise. „Die meisten sind selbst nur abgeordnete Lehrer“, heißt es aus den Hochschulen. Das theoretische Unterfutter, das ein Lehrstuhl schaffen könnte, fehlt. Eine Folge ist, dass Lehrer wenig Handwerkszeug besitzen, um mit bestimmten Deutschproblemen umgehen zu können, die sich aus der Struktur der jeweiligen Muttersprache ergeben. „Der Lehrer sieht die Probleme, kann aber ihre Wurzel nicht erkennen und sie dadurch nicht lösen, beschreibt eine Wissenschaftlerin das Dilemma.

Das über Jahrzehnte gewachsene Forschungsdefizit wird zwar inzwischen als Problem erkannt. Schnell Abhilfe zu schaffen, ist aber gar nicht so einfach. Nach dem langen „Dornröschenschlaf“ sei es „schwierig, gute Leute zu finden“, bilanziert Diemut Ophardt, die das FU-Zentrum für Lehrerbildung leitet. Etliche Wissenschaftler haben Berlin enttäuscht den Rücken gekehrt und lehren inzwischen in Paderborn oder Karlsruhe, wo sie Professorenstellen bekamen.

Thorsten Metter, der Sprecher der Bildungsverwaltung, bestreitet das Problem nicht und verweist auf denkbare Sonderforschungsbereiche oder Forschungsgruppen. Zudem gebe es unter Berlins weit über 2500 Professorenstellen ab 2013 tatsächlich auch eine für DaZ. Allerdings handelt es sich nur um eine befristete Juniorprofessur, keinen Lehrstuhl.

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