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"Sozial schwach"? In Berlin gibt es zahlreiche Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein. 

© dpa

Deswegen sollen nur noch Eigentumswohnungen gebaut werden: CDU Lichtenberg sieht "Ghettoisierung" durch "Sozialwohnungen"

Die CDU-Fraktion in Lichtenberg fordert, dass in Hohenschönhausen keine weiteren "Sozial"-, sondern nur noch Eigentumswohnungen gebaut werden. Nicht nur in der Wortwahl unangebracht. Ein Kommentar. 

Ein Kommentar von Robert Klages

Die CDU-Fraktion Lichtenberg sorgt sich um die „soziale Durchmischung“ in Hohenschönhausen. „Weitere Sozialwohnungen“ sollen vermieden werden und im „Sinne sozialer Ausgewogenheit“ nur noch Eigentumswohnungen entstehen. Einen dementsprechenden Antrag bringt die CDU in die nächste Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein – mit dem Titel: „Ghettoisierung verhindern – Eigentumswohnungen bauen“.

Da muss man erstmal schlucken. Dass das Wort „Ghetto“ negativ vorbelastet ist, weiß sicherlich auch die CDU. Der Duden gibt drei Definitionsmöglichkeiten. Erstens: „abgeschlossenes Stadtviertel, in dem die jüdische Bevölkerung abgetrennt von der übrigen Bevölkerung lebte, leben musste.“ Wir denken an die Ghettos von Warschau zur Zeit des Nationalsozialismus. Nicht an Hohenschönhausen. 

Auch, wenn man das Wort ohne seine Vergangenheit definiert, bleibt es ein meist abwertender Ausdruck. Sollten keine Eigentumswohnungen gebaut werden in Hohenschönhausen, könnten also „Ghettos“ entstehen? Wow.

Die Bezeichnung „Sozialwohnung“ ist ebenfalls abwertend und schlicht falsch. So etwas gibt es nicht. Gemeint sind Wohnungen, für die ein Wohnberechtigungsschein (WBS) nötig ist, einmalig in Berlin. Diesen erhält, wer ein gewisses Gehalt nicht überschreitet. Viele Studierende, Familien, Alleinerziehende, Rentner*innen, Geringverdienende und Empfänger*innen von Transferleistungen profitieren davon. 

"Sozial schwach" durch "Sozialwohnungen"?

WBS-Bewohner*innen sind allerhöchstens finanziell, aber dadurch keineswegs sozial „schwach“. Der WBS-Schein ermöglicht Menschen mit geringerem Gehalt, außerhalb der brutalen Regeln des Marktes eine Wohnung zu bekommen. Ich habe das letztes Jahr schon mal erklärt, bitte hier lesen, als die CDU WBS-Wohnungen verhindern wollte und vor einer „Verslumung“ durch diese warnte.

Streit um WBS-Wohnungen in der Parkstadt Karlshorst

Ein Ghetto kann auch ein Stadtviertel sein, in dem „privilegierte Bevölkerungsschichten zusammenleben“ (Duden). Um dies zu verhindern, entstehen bei Neubauprojekten durch die Stadt, wie zum Beispiel in der Parkstadt Karlshorst, dabei um die 30 Prozent Wohnungen mit WBS-Schein beziehungsweise „mietpreisgebundene Wohnungen“. Bei der Parkstadt wird heftig um den Prozentsatz dieser Wohnungen gestritten, Investor*innen wollen natürlich lieber Eigentumswohnungen bauen.

Jedenfalls sagt es nichts über die sozialen Eigenschaften oder Qualitäten der Mieter*innen aus, ob diese in einer Wohnung mit WBS-Schein oder in einer Eigentumswohnung leben. Ich grüße aus einen Plattenbau mit vielen „Sozialwohnung“ in Friedrichshain und würde mir wünschen, dass diese nicht mehr so bezeichnet werden.

[Der Autor dieses Textes, Robert Klages, schreibt den Tagesspiegel-Newsletter für Lichtenberg. Den gibt es hier:leute.tagesspiegel.de]

+++ Die Themen der Woche: 

  • Es fehlt eine geeignete Fläche im Bezirk, auf der obdachlose Menschen leben können, ohne vertrieben zu werden. Zwar beschließt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) öfter mal gut gemeinte Anträge in Sachen Obdachlosenarbeit, wie unser Newsletter-Autor meint, aber, so stellt nun die SPD-Fraktion in einem weiteren gut gemeinten Antrag fest: "Oft fehlt bei allem guten Willen der Konsens zur Umsetzung einer geeignete Fläche." Was sich nun bessern soll und wie, steht im Newsletter. Weitere Themen diesmal unter anderem:
  • Jüdische Gedenkstätte geschändet
  • "Juden raus": Frau in U-Bahn antisemitisch angegriffen
  • Afro-Pop mit deutschem Gesang? "Gudtin" ist in Nigeria in den Charts und will nun auch in Deutschland durchstarten
  • Was macht der Pulp-Fiction-Anhänger im Kiez?
  • Kein Führerschein, Alkohol und Drogen im Blut sowie Hakenkreuz am Gürtel
  • Mann ohne Maske randaliert mit Messer in Tram
  • Mann droht mit abgebrochener Flasche zwei Polizisten in zivil
  • Polizei sucht Unbekannten, der einem Mann in der U5 gegen den Kopf getreten haben soll
  • FDP startet "Abendspaziergänge" gegen Corona-Maßnahmen während Ausgangssperre

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