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Berlin: DerschöneMenschvonSezuan

Schauspielerin Bai Ling war das meistfotografierte Jury-Mitglied der Berlinale. Nun ist sie wieder in der Stadt, um ihren neuen Film vorzustellen

Die roten Kinoplakate machen erst mal Appetit. Vollmundig fragen sie: „Weißt du, was deine Frau heimlich isst?“ und „Wie weit wird sie gehen, um ihren Hunger nach Schönheit zu stillen?“ Köstliche Antworten soll „Dumplings – Delikate Versuchung“ geben, ein Film, „der die Männer schockieren wird“. Aha. Auf den Plakaten lächelt dazu Hauptdarstellerin Bai Ling und berührt ein Porzellanschälchen, als würde sie für ein China-Restaurant werben. Doch die Schale trügt: kannibalische Widerlichkeiten werden im Laufe des Films von der ehemaligen Gynäkologin Mei (Bai Ling) als Verjüngungsspeisen in Teigtaschen (englisch „Dumplings“) Menschen dargeboten, die mit ihrem Alter unzufrieden sind. Gestern Abend war im Kino in der Kulturbrauerei Premiere, ab kommender Woche läuft der Film in vier Theatern.

Bai Ling und Berlin – da ist nicht nur die phonetische Parallele, wie sie lachend bemerkt. „Ich bin verrückt nach dieser Stadt und den Berlinern“, sagt sie Donnerstagmittag im Palace-Hotel, wo sie noch bis heute Abend bleibt. „Ich bin zum ersten Mal im Sommer hier, die Berliner sind jetzt viel offener, sitzen in Cafés, lächeln mehr und tragen buntere Sachen“, freut sich Bai Ling und nestelt an ihren feuerroten Strähnchen in den pechschwarzen Haaren. Ihre Mutter und ihre Schwester, die kein Wort Englisch verstehen, sind auch in der Stadt. Für viele einprägsam war Bai Lings diesjähriger Berlinale-Auftritt im Winter, wo sie unter Chefbegutachter Roland Emmerich viel fotografiertes Jurymitglied war. Nicht nur ihre Beurteilungskompetenz wurde im Februar beachtet. Es waren vor allem ihre sehr offenherzigen Abendkleidchen, die Aufsehen erregten.

„Ich liebe es, sexy zu sein, schließlich habe ich mich schon in seriösen Filmen etabliert“, sagt die 34-Jährige, die beim Interview ein lila Cocktailkleid trägt. So hatte sie auch „keine Probleme“, mehrmals für den Playboy zu posieren. Im Gegenteil ist sie stolz darauf, als erste Asiatin auf dem Titel des Magazins abgebildet worden zu sein. Diese Auftritte hatten zur Folge, dass Regisseur George Lucas ihre Szenen in Star Wars Episode III nachträglich herausschnitt. Doch das stört Bai Ling wenig; hatte sie ihren internationalen Durchbruch doch bereits 1997, als sie eine Pflichtverteidigerin an der Seite von Richard Gere in „Red Corner“ spielte und vom „People Magazine“ zu den 50 schönsten Menschen der Welt gewählt wurde. Sie arbeitete unter anderem mit Regisseur Oliver Stone, spielte in „Wild Wild West“ und in „The Crow – Die Krähe“. Längst ist sie in Hollywood etabliert.

Mit „Dumplings“ vollzieht Bai Ling wieder eine Wende: kein Massengeschmack, sondern ein Independent-Film und mit Regisseur Fruit Chan wieder eine chinesische Produktion. Bai Ling selbst stammt aus der Provinz Sezuan. Sie war ehemalige Soldatin einer in Tibet stationierten Unterhaltungskompanie. Später wurde sie regimekritischer und nahm an den Massendemonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking teil. Im Jahr 1991 emigrierte sie in die USA. „Dumplings“, der in den Vereinigten Staaten schon zahlreiche Preise erhielt, war vom Drehbuch ursprünglich ein Horror-Kurzfilm, der mit Hilfe der sehenswerten Bilder des Kameramanns Christopher Doyle („Hero“, „2046“) auf Spielfilm-Länge gestreckt wurde. „Ich liebe meinen Charakter, der auch ein Teil von mir ist“, sagt Bai Ling. Die Splatter-Elemente des Films sind überdeutlich. Wer möchte, kann diese Menschenfresser-Groteske selbst auch kulturkritisch deuten. Motto: Moderne Menschen gehen für Schönheit über Leichen.

„Dumplings – Delikate Versuchung“, ab 4. August in den Kinos Central, Filmkunst 66, Kulturbrauerei und Zoo-Palast.

Alexander Schäfer

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