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Doktor der Massen. Eckart von Hirschhausen, Arzt mit humoristischem Anspruch, trat am Sonnabend erstmals vor großem Live-Publikum auf.

© Thilo Rückeis

Der Wunderheiler für Berlin: Eckart von Hirschhausen therapiert die Waldbühne

Dr. Eckart von Hirschhausen, der Arzt dem auch die Berliner vertrauen, erfüllte sich einen Traum: Am Sonnabend behandelte er 10 000 Menschen kabarettistisch in der Waldbühne in Berlin-Westend. Humor statt Häme, das hat was Heilendes.

Wenn der Glücksdoktor in die Waldbühne ruft, geschehen Zeichen und Wunder. Einmal im Leben wollte Eckart von Hirschhausen das Gefühl haben, die Kerzen auf einer richtig großen Geburtstagstorte auszupusten. Die Chance ergab sich bei seinem ersten großen Auftritt in der Waldbühne vor 10 000 Zuschauern. Die ließen ihre Feuerzeuge aufflammen und tatsächlich erloschen sie prompt, als der Doktor auf der Bühne anfing zu pusten.

Was das Mitmachen betrifft, waren die Leute zu diesem Zeitpunkt schon kräftig aufgewärmt. In dem Bühnenprogramm „Wunderheiler“ ging es am Samstagabend um Medizin und Magie, zwei Bereiche, in denen der promovierte Arzt und passionierte Zauberer seine Wurzeln sieht. Bei seinem persönlichen Erntedankfest zeigte sich der Kabarettist auch noch als begabter Sänger und Humor-Poet.

Schon die Einstimmung war charmant. Da spielten sich die Zuschauer riesige rote Luftballons zu, die den Clownsnasen seiner Stiftung nachempfunden waren. Das Gemeinschaftserlebnis hat eine gute Tradition gerade an diesem Ort, und damit spielte der Zauberdoktor virtuos. Von der „Berliner Luft“ gut eingestimmt, sangen die Zuschauer „Wunder gibt es immer wieder“ und „Viel Glück und viel Segen“ nachträglich zum Geburtstag, ganz wie bei Hirschausens zu Hause, aber natürlich viel stimmgewaltiger.

Die Familie saß im Publikum, das mag es für den seit einigen Tagen 47-Jährigen nicht einfacher gemacht haben, es beflügelte ihn aber offensichtlich. Und beschrieb gerührt, wie die Mutter „das Aua“ einst pustend zum Fenster herausfliegen ließ.

Intelligent und trotzdem lustig, sexy aber nicht sexistisch

Der Zauber dieses Abends lag im Siegeszug des feinen Humors, der intelligent ist und trotzdem lustig, sexy aber nicht sexistisch, aufbauend und nicht verletzend. Humor statt Häme hat ja schon als Prinzip was Heilendes. Wenn sich auf Anhieb Tausende davon verzaubern lassen, kann man nur auf virale Verbreitung hoffen. Risiken und Nebenwirkungen hielten sich an diesem besonderen Abend in Grenzen. Die angekündigte Regenfront beließ es bei einem leichten Schauer, Petrus hätte guten Gewissens einstimmen können in den Chor „That’s what Friends are for“.

Individuelle Mitmach-Aktionen sind freilich nicht jedermanns Sache. Da müssen Hirschhausen-Fans hart im Nehmen sein – oder beizeiten in Deckung gehen. Der Mann aus Oldenburg, dem der Doktor live auf der Bühne nach allen Regeln der schamanischen Kunst den Blinddarm entfernte unter dem Motto „Was weg ist, kann sich nicht mehr entzünden“, hatte etwas Mühe, still zu liegen.

Die Unterschiede zwischen Schulmedizin und Alternativer Medizin dürften die Anhänger des lehrreichen Humors nach diesem Abend freilich drauf haben. Das erledigte die Geschichte vom Autobesitzer, der mit dem platten Reifen in die Kreuzberger Werkstatt fährt, wo erst mal die drei anderen Reifen mit Akupunktur behandelt werden, der Besitzer nach einiger Zeit erfährt, dass eines der vier chinesischen Grundelemente fehlt, nämlich die Luft, bis ihm nach Wochen mitgeteilt wird, der Name des „Reifens“ enthalte bereits eine bedeutsame Botschaft.

Allein die zu zersägende Jungfrau, die eigentlich zum Standardprogramm eines echten Zauberers gehört, kam nicht zur Aufführung, wenngleich mit einer nach Art eines in Stufen gezündeten Witzes plausiblen Erklärung. Erstens, weil in Berlin Jungfrauen schwer zu finden seien und zweitens, „weil man in die Waldbühne keine Sägen mitbringen darf, sondern nur PET-Flaschen.“

Früher schrieb Hirschhausen für den Tagesspiegel

Bevor Eckart von Hirschhausen Bestseller-Autor wurde, schrieb er über Medizinwissenschaft im Tagesspiegel. Demnächst kehrt er für zwei Wochen als Star-Kolumnist mit Stücken über die beste Medizin zurück und kurbelte die Vorfreude darauf schon mal ein bisschen an.

´Einmal im Leben wollte er die Magie der Waldbühne erleben, in der das Publikum wie durch ein Wunder den Menschen auf der Bühne ganz nah erscheint. Da der Anfang nun einmal gemacht ist, klappt das vielleicht doch noch öfter. Die Ära des Shitstorms braucht positive Helden, gerade in platten Zeiten werden intelligente Menschen immer empfänglicher für subtilen Humor. So ein Abend könnte verschreibungspflichtig werden für alle, die unter Angst vor glücksfreien Räumen leiden oder unter Gesangsarmut oder unter Mangelerscheinungen im Lachzentrum.

Nach den Feuerzeugen kamen am Ende noch XXXL-Wunderkerzen an der Bühne zum Zuge. Fazit: Wunderbare Poesie schlägt wucherpreisige Pillen und den esoterischen Salbader sowieso. Hauptsache der Menschenverstand ist gesund, dann wird der Kranke vor dem Einsatz von Klangschalen vielleicht doch den schlichten, aber leider schwer umzusetzenden ärztlichen Ratschlag „abnehmen und mehr bewegen“ annehmen.

Nach bester Schamanenart hatte der Schulmediziner anfangs gesagt: „Die Energie auf ihren Händen, die können Sie hörbar machen.“ Das taten die Zuschauer. Bis sie draufpusten mussten.

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