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Lange Beine. Der Bootssteg am Pinnower See entfernt sich Jahr für Jahr weiter von der Wasseroberfläche.

© Patrick Pleul/dpa

Der Pegel sinkt: Im Brandenburger Südosten trocknen die Seen aus

Der Braunkohle-Tagebau Jänschwalde pumpt Grundwasser ab. Jetzt sollen die Anlieger ihren Verbrauch einschränken – die Unzufriedenheit wächst.

Von Sandra Dassler

Am Pinnower See haben sie das Wasser bislang gar nicht erst wieder angestellt. „Möglicherweise können wir es in diesem Jahr ja ohnehin nicht wie sonst nutzen“, sagt ein Mann, der hier, nordöstlich von Cottbus, ein Wochenendhäuschen hat. Vor Kurzem hatte die Meldung, wonach sich Anlieger des Sees auf eine behördliche Allgemeinverfügung zur Einschränkung des Wasserverbrauchs einstellen müssen, Ärger verursacht. Die Maßnahmen sollen in Kraft treten, falls es zu „wiederholten Niedrigwassersituationen“ kommt.

Doch daran zweifelt hier niemand. Denn der Wasserstand im Pinnower See geht seit Jahren drastisch zurück. Mehr noch: Der See droht ganz auszutrocknen, er hat sich bereits in mehrere kleine Kessel geteilt, zwischen denen schon Pflanzen wachsen. Nicht ganz so dramatisch, aber auch besorgniserregend ist die Situation im benachbarten Großsee.

Etwas stabilisiert hat sich hingegen der Zustand vom Deulowitzer, Kleinsee, Schenkendöberner See und vom Pastlingsee, in dem es 2015 ein großes Fischsterben gab. Gemeinsam ist allen Seen jedoch, dass ihr Wasserspiegel in wenigen Jahren teilweise bis zu eineinhalb Meter zurückgegangen ist – und dass sie in höchstens 20 Kilometern Entfernung zum noch aktiven Tagebau Jänschwalde liegen.

Damit die Braunkohle dort auf dem Trockenen gefördert werden kann, muss das Grundwasser in großen Mengen durch etwa 3000 Filterpumpen gehoben und abgepumpt werden. Viele Einwohner, aber auch die Brandenburger Bündnisgrünen und das Umweltnetzwerk Grüne Liga sehen deshalb den Bergbaubetreiber Leag als Hauptschuldigen der austrocknenden Seen. Und somit in der Pflicht, etwas dagegen zu unternehmen.

Lange blieben ihre Proteste ungehört. Erst 2018 gab es bei den Landesbehörden ein Umdenken. Da räumte der damalige Abteilungsleiter für Wasser- und Bodenschutz beim Umweltministerium, Kurt Augustin, ein, „dass der Bergbau einen Anteil an den erheblichen Wasserverlusten hat“.

Der Zielwasserstand ist noch in weiter Ferne

Die Leag bestritt zwar weiterhin einen Zusammenhang zwischen dem Wasserverlust in den Seen und der Grundwasserabsenkung für ihren Tagebau Jänschwalde, wurde aber dazu verpflichtet, Wasser in die Seen einzuleiten. Doch das half nur wenig, wie die Kreisvorsitzende der Bündnisgrünen im Landkreis Spree-Neiße, Heide Schinowsky, bei einem Besuch in der vergangenen Woche feststellte: Zwar konnte das rapide Absinken der Wasserspiegels in den Seen abgemildert werden, von den für dieses Frühjahr festgelegten Zielwasserständen sei man aber noch weit entfernt.

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Besonders schlimm ist die Lage am Pinnower See, an dessen Ufer neben einem Hotel und einem Campingplatz auch über 500 private Bungalows liegen. Nach Angaben der Anwohner hatte das Gewässer 1998 noch einen Messwert von 64,6 Meter über dem Meeresspiegel, 2012 waren es 63,9 Meter, 2016 noch 63 Meter, 2019 nur noch 62,5 und im Dezember 2020 nur noch 62 Meter.

Und das, obwohl die Leag bereits bis August vergangenen Jahres etwa 600.000 Liter Wasser eingeleitet hatte. Damals wurde anlässlich eines Besuchs der bündnisgrünen Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock auch darüber diskutiert, ob das Bergamt die Leag zu einer zweiten Einleitung an einer anderen Stelle des Pinnower Sees verpflichten sollte.

Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde der Lausitzer Energie Bergbau AG (LEAG).
Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde der Lausitzer Energie Bergbau AG (LEAG).

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Doch das wird vorerst nicht passieren, heißt es beim Landesbergamt Brandenburg (LBGR). Zunächst müsse man herausfinden, wohin das bislang eingeleitete Wasser „verschwunden“ ist, sagt LBGR-Präsident Sebastian Fritze: „Das betrifft eigentlich alle Seen hier, aber den Pinnower See ganz besonders. In den wurde so viel Wasser eingeleitet – und nichts davon ist mehr da.“ Der Bergamtschef bezweifelt auch, dass das Austrocknen der Seen allein mit dem Bergbau zu tun hat. Er sieht vielmehr eine Ursache im Klimawandel, besonders in den letzten drei trockenen Jahren.

Was Sebastian Fritze aber richtig umtreibt, ist die Tatsache, dass das für die Einleitung in den See entnommene Wasser aus den tiefen Grundwasserschichten stammt. „Das ist bestes, hochwertiges Trinkwasser“, sagt er. „Gerade weil das in der Zukunft immer knapper wird, sollten diese Vorräte nicht angezapft werden. Schon gar nicht, wenn das Wasser kurz nach seiner Einleitung in den See wieder in Richtung Grundwasser und Neiße abläuft.“

Deshalb verteidigt Fritze auch das Vorhaben, den Anliegern bei Bedarf bestimmte Auflagen zu erteilen. „So eine Gartenpumpe zieht etwa zehn Liter Wasser pro Minute“, sagt er. „Wenn da also einige Hundert Anlieger nur zehn Minuten am Tag ihre Pumpen laufen lassen, ist das schon eine ganze Menge.“

Grünen-Chefin: „Die Leag hat aufzufüllen“

Für die Grünen-Chefin im Landkreis Spree-Neiße, Heide Schinowsky, macht es sich das Bergamt damit zu einfach. „Der Bergbaubetreiber wird geschützt und die Bevölkerung soll darunter leiden“, sagt sie. „Die bergrechtliche Anordnung spricht eine klare Sprache. Die Leag hat aufzufüllen.“

Beim Tagebaubetreiber Leag gibt man sich gelassen. „Wir haben das, was uns die Behörden, also das Landesbergamt beziehungsweise das Landesumweltamt, vorgegeben haben, umgesetzt“, sagt eine Sprecherin. „Das Wasser wurde von uns dorthin gebracht, wo es hinsollte, wir haben eine funktionierende Wassereinleitung gewährleistet.“ Sollte es neue Auflagen geben, werde man diese auch erfüllen.

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Der Braunkohle-Experte der Grünen Liga, René Schuster, spricht von einer „verheerenden Bilanz“ für den Bergbau: „Am Pinnower See zerstört die Leag ein seit Jahrzehnten genutztes Erholungsgebiet, während sie mit der Flutung ihres als Ostsee hochgejubelten Tagebauloches nicht vorankommt.“

Schusters Kritik bezüglich des Cottbuser Ostsees teilen viele, doch Landesbergamtschef Fritze weist auch sie zurück. „Die Tagebaurestlöcher sind nun einmal da, die laufen so oder so voll“, sagt er. „ Wenn wir nicht mit Spree- und Neißewasser fluten, dann füllen sie sich mit Grundwasser. Das senkt wiederum den Grundwasserspiegel, das Seewasser hat eine sehr viel schlechtere Qualität und die Flutung dauert sehr viel länger.“

Eine Alternative zur Flutung sieht Fritze nicht. „Womit sollen wir die Tagebaurestlöcher denn sonst zuschütten?“, fragt er. Schön sei das alles nicht, aber die ständige Diskussion der Schuldfrage führe auch nicht weiter: „Die Entscheidungen, mit deren Folgen wir uns jetzt herumschlagen, sind ja vor mehr als 50 Jahren gefällt worden. Oder sogar schon vor 150 Jahren, als der Kohleabbau in der Lausitz begann.“

Eine Entspannung der Situation kann es seiner Ansicht nach nur geben, wenn dieses Jahr nicht wieder so trocken wird wie die vorangegangenen. Und natürlich ab 2023, wenn der Tagebau Jänschwalde wie geplant ausläuft und die Sanierung beginnt. Dann wird man die Pumpen, die jetzt den Grundwasserspiegel niedrig halten, nach und nach ausschalten und mit dem dann wieder steigenden Grundwasserstand würde sich auch die Situation der Seen normalisieren. Wenn es sie dann noch gibt.

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