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Die Quagga-Dreikantmuscheln (Dreissena rostriformis bugensis) breitet sich nicht nur in der Krummen Lanke rasend schnell aus.

© Silke Oldorff/p-a/dpa

Der Öko-Thriller von Krumme Lanke: Mysteriöse Muschel bevölkert Berlins Seen

Eine Schwimmerin bemerkt zunehmend Pflanzen in der Krummen Lanke – und bekommt Ausschlag. Schuld daran ist offenbar die Quaggamuschel, die hier nicht hergehört.

Wie in „Der weiße Hai“ beginnt die Geschichte mit einer Schwimmerin: Ute Scheub steigt regelmäßig morgens in die Krumme Lanke. Was normalerweise ein Vergnügen ist, gerate aber immer mehr zum Wasserpflanzen-Zick-Zack- Schwimmen, schreibt sie, „praktisch keine Strecke im ganzen See ist mehr krautfrei.“

Schlingpflanzen wucherten, sagt sie, und dann kam der große Schreck: Beim Versuch, „ein paar der riesigen Krautteppiche an Land zu ziehen“, habe sie sich „Pustelchen“ zugezogen. Die Pflanzen verursachten Hautreizungen.

Die Gründe dafür liegen in der Tiefe des Sees: Außereuropäische Organismen verursachten das starke Pflanzenwachstum aber, sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, denen die Grunewaldseen gehören. „Schuld an allem ist die invasive Quaggamuschel, Dreissena rostriformis bugensis.

Die Storyline des Umwelt- und vielleicht auch Klimakrimis lautet so: Die Quagga-Dreikantmuschel, ursprünglich nur wohnhaft in den Zuflüssen des Schwarzen Meeres, siedelt seit etwa 15 Jahren in europäischen Binnengewässern an und verdrängt die heimische Dreikant-Zebramuschel.

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Das Problem: „Muscheln sind exzellente Wasserfilter“, sagt Stephan Natz. Da sich die Quaggamuscheln extrem vermehren, machen sie das Wasser in der Krummen Lanke immer sauberer und klarer. Das freut den Menschen – und die Wasserpflanzen. Denn je klarer das Wasser, desto mehr Licht dringt in die Tiefe, desto besser können die Wasserpflanzen wachsen.

„Es wächst überall wie Teufel“

Besser, die Wasserpflanze: Ute Scheubs Pustelchen stammen wohl vom Rauen Hornblatt, glaubt der Wasserexperte, die Pflanze sehe aus wie ein kleiner Tannenbaum und wird bis zu drei Meter lang. Knifflig ist, dass sie keine Wurzeln hat, sondern untergetaucht frei schwimmt und sich mit Wasserbewegungen – verursacht von Schwimmern oder Fischen – weiter verbreitet. „Es wächst überall wie Teufel“, sagt Stephan Natz.

Die Wasserbetriebe kennen sowohl die invasiven Muscheln als auch das Raue Hornblatt gut, „wir haben richtig damit zu kämpfen“, sagt Natz. Es sei ein Riesenproblem, weil Ansaugpumpen verstopfen und mühsam gereinigt werden müssten. Im Wasserwerk Beelitzhof werde jetzt extra ein neuer Reinigungs-Rechen installiert, um die Oberflächenwasseraufbereitungsanlage frei von Pflanzen wie Muscheln zu halten.

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Dass der Wasserpflanzen-Wildwuchs in der Krummen Lanke überhand genommen hat, wusste Stephan Natz bis vor kurzem noch nicht. Doch in der vergangenen Woche sei ein Mitarbeiter des Wasserwerks Beelitzhof „dienstbaden“ gegangen, Ergebnis: Das Raue Hornblatt sei definitiv als Übeltäter festgestellt worden, weitere Schwimmer hätten bestätigt, dass sich die Pflanze bei Berührungen unangenehm anfühle, sagt Natz.

Niemand wird die Unterwassersense anlegen

Was jetzt zu tun sei, ist unklar. Denn zum einen werde „niemand übermorgen mit der Unterwassersense“ in der Krummen Lanke mähen gehen. Zum anderen wisse man bislang nicht, wie man die Quaggamuschel überhaupt in Schach halten könne. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei am Müggelsee forsche an dem Thema, sagt Natz, eine Fachkonferfenz sei wegen der Corona-Krise aber jüngst ausgefallen.

Das Muschel-Problem ist bundesweit bekannt. Am Bodensee leidet das Ökosystem massiv unter den Quaggas, die Bestände am Speisefisch Bodenseefelchen seien rückgängig, berichtet der Bayrische Rundfunk. Die dortigen Wasserbetriebe versuchen, die Muschel-Larven mit Ozon und Sandfiltern zu bekämpfen – Ausgang offen. Bis auf Weiteres gilt beim Schwimmen in der Krummen Lanke: Dem Rauen Hornblatt so gut es geht ausweichen und vor allem: Nicht daran ziehen.

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