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Cadillac hat seinem bestverkauften Modell XT5 den etwas kleineren XT4 hinzugesellt.

© Cadillac

Der neue Kompakt-SUV Cadillac XT4: Mit Pfeil und Bumerang

Kommissar Maigret galten Cadillacs als überaus luxuriös. Die ihm noch vertrauten Heckflossen sucht man am neuen XT4 aber vergeblich.

Eines Tages wird Maigret in das berühmte Pariser Luxushotel George V. gerufen. Ein mysteriöser Todesfall ist aufzuklären, an sich Routine, aber in der von Multimillionären, Komtessen und Filmstars geprägten Atmosphäre fühlt sich der eher bodenständige Kommissar nicht recht wohl – ein Unbehagen, das sich beim Verlassen des Hotels verstärkt haben dürfte: Der kleine schwarze Wagen der Kriminalpolizei parkt zwischen einem Rolls-Royce und einem Cadillac.
Die Szene findet sich in dem Roman „Maigret auf Reisen“, geschrieben 1957. Möglicherweise hatte George Simenon den gerade auf den Markt gekommenen Eldorado Brougham im Sinn, einen der bei Cadillac damals üblichen Heckflossenwunder, mit gebürstetem Edelstahldach, optimierter Hinterachse zur besseren Straßenlage, innovativen Memory-Sitzen sowie elektrischen Fensterhebern. Doch egal, welcher Cadillac dort vor dem George V. stand – er diente dem Autor als Symbol für extravaganten Luxus, fast auf einer Stufe mit Rolls-Royce.

Nur echt mit Heckflossen: ein 1957er Cadillac Eldorado Brougham auf der Retro Classics Cologne Automesse 2017.
Nur echt mit Heckflossen: ein 1957er Cadillac Eldorado Brougham auf der Retro Classics Cologne Automesse 2017.

© imago/Future Image

Die Heckflossen sind lange passé, das Image Cadillacs als amerikanische Edelmarke aber hat sich erhalten. Es wird von dem 115 Jahre alten, zu General Motors gehörenden Hersteller ausdrücklich gepflegt, auch mit seinem neuesten Produkt, dem XT4, dem „ersten kompakten Crossover von Cadillac für eine neue Generation von Premium-Käufern“, wie es heißt. Neu ist der allerdings nur auf dem europäischen Markt, US-Amerikaner und Chinesen kurven damit schon seit zwei Jahren herum.

Auch Cadillac setzt auf den Kompakt-SUV

Auch am Firmensitz in New York City hat man das Segment des Kompakt-SUV als das derzeit am stärksten wachsende erkannt und seinem weltweit bestverkauften Modell XT5 eine um 20 Längenzentimeter geschrumpfte, gleichwohl in den Platzverhältnissen ähnliche Alternative hinzugesellt, eben den in Kansas City produzierten XT4. Der wurde jetzt nicht wie üblich in einer zentralen Veranstaltungsreihe präsentiert, vielmehr coronabedingt in kleineren Presseevents hier und dort – in Berlin überraschenderweise mitten im tiefsten Kreuzberg als Ausgangspunkt der Testfahrten, dem Kiez mit der Berlin-weit wahrscheinlich niedrigsten Akzeptanzrate für SUVs.

L wie Luxus. Der neue Cadillac XT4 kann sich auch von hinten sehen lassen.
L wie Luxus. Der neue Cadillac XT4 kann sich auch von hinten sehen lassen.

© Cadillac

Was, nur mal die Optik betrachtet, schon schade ist, darf doch der XT4 als echter Hingucker gelten, nicht nur dank der dekorativen, herbstlich anmutenden Lackierung des Testwagens in „Autumn Orange Metallic“: ebenso wuchtig wie elegant im Design, stilistisch erkennbar nicht in Europa entworfen, dabei durchaus nicht von übertriebener Größe, kaum länger als etwa der Audi Q3 oder der Range Rover Evoque, zwei der als „Mitbewerber“ genannten Modelle. Markant bereits der typische, in seiner Form an das Markenlogo angelehnte Kühlergrill, mit ungewöhnlich, als eine Art, ja, Crossover aus Bumerang und Pfeil geformten Frontlichtern, während deren Gegenpart am Heck, hierzulande meist horizontal oder aber vertikal ausgerichtet, eine L-förmige, Waagerechte und Senkrechte kombinierende Grundform zeigt. Das wirkt ein wenig extravagant, passt aber zu einem Fahrzeug, bei dem schon die Grundausführung unter dem verheißungsvollen Namen „Luxury“ firmiert.

Rundum gediegen: das Interieur des Cadillac XT4
Rundum gediegen: das Interieur des Cadillac XT4

© Cadillac

Was sich dahinter an Technik verbirgt, ist auf einer Fahrt nach Zehlendorf und zurück, über die gut gefüllten Berliner Straßen, kaum hinreichend auszuprobieren. Unbenutzt blieb so im geräumigen, ebenfalls sehr ansehnlichen Innenraum etwa der neue Drehregler, der nicht nur das Audiosystem in der Lautstärke und bei Vor- und Rückwärtsfunktionen steuert, sondern viele weitere App-Aufgaben erledigen kann. Auch die optionale Rückspiegelkamera blieb ungenutzt, und für den Allrad-Antrieb, über den der zur „Launch Edition Sport“ gehörende Testwagen ebenso verfügte wie über ein Sportfahrwerk mit permanenter, sich den jeweiligen Fahrbahnverhältnissen anpassendem Dämpferregelung, war ohnehin kein Bedarf. So schlecht sind die Berliner Straßen nun auch wieder nicht. Gut also, dass die gefahrene AWD-Version neben zwei Kupplungen am Allrad-Differential zwecks besserer Fahrzeugkontrolle eine dritte besitzt, die den gesamten Antriebsstrang der Hinterräder bei Nichtbedarf verbrauchsfreundlich abkoppelt.

Mit 174 PS in 10,6 Sekunden von 0 auf 100

Angeboten wird der XT4 zunächst mit einem neuentwickelten 174-PS-Turbodiesel, der den Wagen in akzeptablen, wenn auch nicht imponierenden 10,6 Sekunden von 0 auf 100 bringt. Im kommenden Jahr folgt ein ebenfalls neuer, temperamentvollerer 230-PS-Turbobenziner. Beide Motoren sind mit einem besonders weit gespreizten, neunstufigen Automatikgetriebe kombiniert.

Die Farbe „Autumn Orange Metallic“ passt nicht nur zum Herbst.
Die Farbe „Autumn Orange Metallic“ passt nicht nur zum Herbst.

© Andreas Conrad

Während all diese Vorzüge auf der sehr entspannten Fahrt durch die allerdings verstopfte Innenstadt nur erahnbar waren, kam eine weitere angenehme, wenngleich immer mal wieder überraschende Funktion des XT4 ausgiebig zum Einsatz. Moderne Autos neigen dazu, ihren Fahrern Gefahrensituationen, auch vermeintliche, durch nerviges Piepsen anzuzeigen. Das kann auch der Crossover-Cadillac, der schon serienmäßig über ein ganzes Bündel von Sicherheitsassistenten verfügt. Das Gepiepse aber muss nicht sein, es geht auf Wunsch auch zärtlicher, durch Vibration des Fahrersitzes, jeweils auf der Seite, woher Gefahr droht. Warum es allerdings im Europarc Dreilinden, beim Zurückstoßen aus einem Nebenweg auf die Hauptstraße, unter dem rechten Oberschenkel plötzlich zu beben begann, blieb ein Rätsel.

Technische Details

Abmessungen: 4,59 m (L), 1,88 m (B), 1,61 m (H)

Kofferraumvolumen: 637/1385 Liter

Antrieb: 174-PS-Turbodiesel, max. Drehmoment 381 Nm, Höchstgeschwindigkeit 200 km/h, von 0 auf 100 in 10,4 Sekunden (FWD)/10,6 Sekunden (AWD), Kraftstoffverbrauch 6,4/6,9 Liter auf 100 km (kombiniert, WLTP); 9-Gang-Automatikgetriebe; 2021 folgt ein 230-PS-Turbobenziner

Preis: Zur Markteinführung in Europa werden zwei spezielle Versionen angeboten: die Launch Edition mit Frontan trieb ab 42.900 Euro und die Launch Edition Sport mit Front-/Allradantrieb ab 47.100 Euro. Ab dem Modelljahr 2021 ist der Cadillac XT4 ab 35.800 Euro zu haben.

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