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Mit Stromkraft ins Gelände: Der Plug-In-Hybrid Jeep Wrangler Unlimited 4xe.

© FCA Germany

Der neue Jeep Wrangler Unlimited 4xe: Die Ikone wird elektrisch

Erst Diesel, dann Benziner, nun Plug-in-Hybrid: Jeeps Flaggschiff fährt jetzt mit Stromkraft. Auch US-Präsident Biden drehte schon eine Proberunde.

Es piepst, mal von links, mal von rechts, und auf dem Display hinterm Lenkrad ist zu sehen, dass der Wagen sich auch vorne eingeengt fühlt und vorsichtshalber Warnlaute ausstößt. Irgendwie hat er ja auch recht. Sonst parkt unterm heimischen Carport ein superschlanker altenglischer Roadster, während sich dort nun für eine Woche ein brandneuer teilelektrischer Jeep Wrangler breitmacht. Ein wenig erinnert das Bild, das er in seinem hölzernen Gehäuse bietet, an einen muskelbepackten Kraftkerl, den man in ein zu enges Jackett gesteckt hat. Einige Tage wird es nun also beim Ein- und Ausparken piepsen und blinken, zu kurz, um sich daran zu gewöhnen und nicht jedesmal ein bisschen aufzuschrecken. Immerhin, man kann diese Warntöne in der Lautstärke dämpfen - und könnte sogar das Parksensoren-System per Knopfdruck vorübergehend komplett stilllegen - was beim Schalten in die Geländeuntersetzung 4L, also die für die wirkliche Wildnis, ohnehin automatisch geschieht. Wäre ja auch nervig, wenn es bei jedem zu nahen Baum piepst.

Platz ist in der kleinsten Hütte? Für den Jeep Wrangler sollte sie etwas größer sein.
Platz ist in der kleinsten Hütte? Für den Jeep Wrangler sollte sie etwas größer sein.

© Andreas Conrad

Der Wagen ist eben ungemein raumgreifend, durch die ausgestellten Kotflügel außen noch stärker als innen. Auch daran muss sich der Wrangler-Novize erst mal gewöhnen, zumal wenn ihm nach Verlassen des Carports ein Slalom durch die engen Nebenstraßen seines Berliner Vororts mit abwechselnd rechts und links parkenden Autos bevorsteht. Das klappt schon, der Wagen ist trotz seiner Dimensionen erstaunlich wendig. Trotzdem ist ein kleiner Seufzer der Erleichterung beim Erreichen der nächsten Hauptstraße anfangs nicht ganz zu unterdrücken.

Selbst die Plaketten sind in "Electric Blue"

Auch der Wrangler ist nun also elektrisch geworden, ein weiterer Schritt in die automobile Zukunft für die lange Zeit auf Diesel eingeschworene Traditionsmarke Jeep. Vor zwei Jahren erst wurden für die Fahrzeugflotte neuentwickelte Benzinmotoren vorgestellt, im Vorjahr gefolgt von den nun auch als Plug-in-Hybride verfügbaren Modelle Renegade 4xe und Compass 4xe. Der neue Wrangler Unlimited 4xe, an verschiedenen Logos und Plaketten in „Electric Blue“ leicht zu erkennen, ist ebenfalls nur teilweise ein Stromer. Neben einem Vierzylinder-Benziner ist er mit zwei Elektromotoren ausgestattet, einer vor dem Turboaggregat, der zweite ins 8-Gang-Automatikgetriebe integriert – ein hochkomplexes Trio mit einer Gesamtleistung von 380 PS, was den Koloss erfreulich spurtstark macht: In 6,4 Sekunden ist er auf 100.

Mit seinem Turbobenziner und den beiden E-Motoren bringt der Jeep Wrangler Unlimited 4xe zusammen 380 PS auf die Straße.
Mit seinem Turbobenziner und den beiden E-Motoren bringt der Jeep Wrangler Unlimited 4xe zusammen 380 PS auf die Straße.

© Andreas Conrad

Fahrzeuge mit solchem Kraftpotential, zumal von dieser selbst SUV-Maße übersteigenden Größe, geraten leicht in den Generalverdacht, nicht gerade klimafreundlich zu sein. Der neue Wrangler Unlimited 4xe wird daher beworben als „die Lösung für alle, die einen Geländewagen auch für den täglichen Gebrauch suchen und dabei Spaß und Umweltverantwortung möglichst nah zusammenbringen wollen“. Täglicher Gebrauch? Ja, das geht schon, aber auf Landstraßen und Autobahnen fährt es sich doch weitaus entspannter als im Berliner Hauptstadt-Gewusel – ein genereller, in solch einem voluminösen Geländewagen aber besonders deutlich erlebbarer Unterschied.

Auch US-Präsident Joe Biden fuhr schon im Jeep Wrangler Unlimited 4xe eine Proberunde übers Gelände des Weißen Hauses.
Auch US-Präsident Joe Biden fuhr schon im Jeep Wrangler Unlimited 4xe eine Proberunde übers Gelände des Weißen Hauses.

© Reuters/Jonathan Ernst

Spaß im Gelände? Den musste sich US-Präsident Joe Biden leider versagen, als er unlängst bei einer Veranstaltung über schadstoffarme Autos eine Proberunde im Wrangler 4xe „Rubicon“ übers Gelände des Weißen Hauses drehte. Und dieser Spaß blieb auch in der Berlin-Brandenburger Wrangler-Woche mangels passendem Gelände und entsprechender Fahrpraxis ausgespart, dürfte aber schon angesichts der bekannten, durchs Jeep-eigene „Trail Rated“-Siegel zertifizierten Fähigkeiten des Wagens erheblich sein. Gesteigert noch dadurch, dass Vierradantrieb nun auch vollelektrisch möglich ist und „die sofortige Verfügbarkeit des Elektromotor-Drehmoments ein präziseres und kontrollierteres Klettern und Kriechen ermöglicht“, so die Werbung. Da stört es dann auch nicht, dass die Batterie nur rund 50 Kilometer vollelektrisches und damit nahezu geräuschloses, weder Fuchs noch Reh oder Hase aufscheuchendes Fahren erlaubt. Obwohl diese es vielleicht sogar lieber lauter haben, um rechtzeitig abhauen zu können. Wie auch immer: Länger als 50 Kilometer kurvt hierzulande kein Mensch durch die Pampa, und selbst für die täglichen Fahrten zur Arbeit und zurück reicht das in der Regel.

Rund 50 Kilometer kann man mit dem Wrangler Unlimited 4xe rein elektrisch fahren.
Rund 50 Kilometer kann man mit dem Wrangler Unlimited 4xe rein elektrisch fahren.

© Andreas Conrad

Drei Modi sind für das elektrische und elektrifizierte Fahren wählbar, leider wurden die entsprechenden Tasten alles andere als benutzerfreundlich platziert: neben dem Lenkrad, aber so, dass die linke Lenkradspeiche sie verdeckt. Gestartet wird grundsätzlich im Modus „Hybrid“, in dem Verbrenner und E-Motor zusammenwirken: Zunächst wird der Elektroantrieb genutzt. Sinkt der Strompegel unter einen Minimalwert oder wird mehr Power gewünscht, schaltet sich der Turbo dazu. Im Modus „Electric“ geht es rein elektrisch vorwärts, bis auch hier der Saft ausgeht oder, etwa beim Überholen, mehr Drehmoment gebraucht wird. Danach sinkt der Drehzahlmesser wieder auf Null, und es geht mit Stromkraft weiter. Im Modus „eSave“ kommt nur der Verbrenner zum Einsatz. Auf dem mittig platzierten Touchscreen sind die Unter-Modi „Battery Save“ und „Battery Charge“ wählbar. Ersterer erhält den Ladezustand der Batterie, damit Strom bei Bedarf, etwa in einer Umweltzone, verfügbar ist. Bei „Battery Charge“ dagegen wird aufgeladen, der Verbrenner und der rekuperierende, Bremsenergie in Strom umwandelnde E-Motor wirken hier zusammen.

Dessen Wirkung ist per Knopfdruck durch die Funktion „Max Regen“, also „Maximale Regeneration“ noch zu steigern: Gerade in der Innenstadt kann dann bei behutsamer Bedienung des Gaspedals auf die Bremse fast verzichtet werden, so stark verzögert die rekuperierende Technik das Tempo – und produziert nebenbei einige Zusatzkilometer elektrische Reichweite. Bei der Fahrt vom Südwestrand Berlins in die Innenstadt, eine Strecke von rund 16 Kilometern, davon einige auf der Stadtautobahn, kamen immerhin fünf Stromkilometer zusammen, ablesbar auf dem Display hinterm Lenkrad.

Serienmäßig mit Rückfahrkamera

Der Wrangler Unlimited 4xe ist eben ein nach dem neuesten Stand der Technik ausgetüfteltes Fortbewegungsmittel, voll vernetzt und digital aufgerüstet sowieso und schon serienmäßig mit allerlei Sicherheits-Helferlein ausgestattet, so einer Rückfahrkamera oder einem „Totwinkel-Assistenten mit hinterer Querbewegung-Erkennung“, der mit Lichtlein in den Außenspiegeln warnt und auf Wunsch auch piepst.

Ausgerechnet die Tasten für die drei Fahrmodi "Hybrid", "Electric" und "eSave" werden von der linken Lenkradspeiche verdeckt.
Ausgerechnet die Tasten für die drei Fahrmodi "Hybrid", "Electric" und "eSave" werden von der linken Lenkradspeiche verdeckt.

© FCA Deutschland

Ein hochmodernes Produkt, aber das darf man dem Wagen nicht allzu sehr ansehen. Denn so sehr der Wrangler Unlimited 4xe auch „ein weiterer Schritt in Richtung einer bewussten und nachhaltigen Zukunft“ sein soll, so bleibt doch gerade er, „die Ikone der Marke“, am stärksten ihrer Vergangenheit verhaftet – ein Gegensatz mit teilweise kuriosen Folgen für Gestalt und Ausstattung. Das beginnt schon mit der fast militärtechnische Robustheit ausstrahlenden, sich allen Erkenntnissen aerodynamischen Karosseriedesigns souverän widersetzenden Form. Auf der Autobahn führt das selbst im „Electric“-Modus zu einem Fahrtwind-bedingten Geräuschpegel, der dem des für eine Woche aus seinem Carport verbannten Oldtimers sehr nahe kommt. Überraschend auch der Satz Bordwerkzeug in der Mittelkonsole, der zum Lösen der vielen sichtbaren Schrauben neben einer zierlichen Knarre drei Nuss-Einsätze der Größen Torx T40, T50 sowie M15 enthält – was man eben so braucht, falls man das Dach oder gar die Türen demontieren und den Wagen Safari-mäßig umrüsten will.

Rücklehne verstellen? Schlaufe ziehen!

Letzteres erfordert zusätzlich das Lösen der mit einem Nylongewebe umhüllten Drahtseile, mit denen die Türen vor einem ungewollten Aufschlagen bewahren sollen, wie es bei Orkanen gern mal vorkommt. Oder verbergen sich hinter der schwarzen grobgewebten Hülle doch nur die Kabel für Türschloss und Fensterheber? Und dann erst die Schlaufen, an denen man ziehen muss, um die Rücklehnen von Fahrer und Beifahrersitz zu verstellen, schließlich die klassischen analogen Instrumente, die das hochmoderne digitale Display überm Lenkrad einrahmen, die vielen herkömmlichen Tasten, Schalter, Drehknöpfe unterm Touchscreen.

Der Ur-Vater aller Jeeps - hier im August 1944 in Paris - ziert als Silhouette den Automatik-Wählhebel des Wrangler Unlimited 4xe.
Der Ur-Vater aller Jeeps - hier im August 1944 in Paris - ziert als Silhouette den Automatik-Wählhebel des Wrangler Unlimited 4xe.

© AFP

Alles nur kleine Ausstattungsdetails, die aber offenbar den Eindruck des Ultramodernen lindern, den Nimbus des Klassikers, dieses Erbstücks der Vergangenheit, durch urzeitliche Rustikalität pflegen sollen. Selbst auf dem Automatik-Wählhebel wird dieses in den Genen des Wagens schlummernde Erbe beschworen, durch die Silhouette des Willys MA/MB von 1941, des Urvaters aller Jeeps. Der Wrangler Unlimited 4xe ein Traditionsfahrzeug im Geiste von General Eisenhower? Ein wenig schon.

Technische Details des Jeep Wrangler Unlimited 4xe

Die Angaben beziehen sich auf den Testwagen Jeep Wrangler Unlimited 4xe in der Ausstattungsvariante „Sahara“. Sie sind identisch mit denen der Variante „80th Anniversary“. Die Werte der Variante „Rubicon“ weichen davon teilweise ab.

Abmessungen: 4,88 m (L), 1,89 m (B), 1,84 m (H, mit Softtop)

Kofferraumvolumen: 533/1910 Liter

Antrieb: 2-Liter-Turbobenziner; 2 Elektromotoren; Gesamtleistung 380 PS, max. Drehmoment 637 Nm; Höchstgeschwindigkeit 177 km/h, von 0 auf 100 in 6,4 Sekunden; 8-Gang-Automatikgetriebe; elektrische Reichweite ca. 50 km, kürzeste Ladezeit weniger als 3 Stunden

Preis: ab 69.500 Euro

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