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Der Kompakt-SUV Audi Q4, hier in der Version 50 e-tron quattro, ergänzt die Ingolstädter Elektro-Familie.

© Audi AG

Der neue Audi Q4 e-tron: Vernunft und Leidenschaft

Mehr Reichweite oder mehr Tempo? Beim elektrischem Kompakt-SUV Audi Q4 e-tron muss man sich entscheiden.

Kennen Sie den noch? „Du musst mit den Wimpern klimpern“, Renate Kerns melodischer Flirttipp, der sich 1968 fünf Wochen lang in den deutschen Schlager-Charts hielt. Im selben Jahr brachte Rüsselsheim den zweisitzigen Sportwagen Opel GT heraus, beworben mit dem noch heute unvergessenen Slogan „Nur Fliegen ist schöner“. Wegen seiner Klappscheinwerfer titulierte man ihn gerne als das Auto mit dem Schlafzimmerblick, wobei das Klimpern allerdings Mühe bereitete: Die Kulleraugen gingen nur per Handbetrieb auf und zu.

Wimpergeklimper per Touchscreen

Heute funktioniert fast alles digital und vor allem elektrisch, und wenngleich ein brandneues E-Mobil wie der Audi Q4 e-tron noch immer nicht fliegen kann – das Wimpergeklimper klappt tadellos. Per Touchscreen darf zwischen vier Varianten des Tagfahrlichts, zusammengesetzt aus rund einem Dutzend LED-Segmenten, gewählt werden. Nr. 3 dieser „Digitalen Lichtsignaturen“, zwei schräg stehende parallele Lichtbänder, geht sogar halbwegs als Schlafzimmerblick durch, während man sich bei der pupillenartigen Nr. 4 vom Auto ein wenig beobachtet fühlt. Ein Ausstattungsdetail, das niemand braucht, aber hübsch ist es schon.

Auf Wunsch Schlafzimmerblick. Beim Audi Q4 e-tron kann man zwischen vier Versionen des Tagfahrlichts wählen.
Auf Wunsch Schlafzimmerblick. Beim Audi Q4 e-tron kann man zwischen vier Versionen des Tagfahrlichts wählen.

© Audi AG

Wie ja ohnehin der ganze Wagen sehr ansehnlich geraten ist, von „progressivem Design“, wie Audi sich selbst lobt. Das wurde bereits Anfang 2019 im Konzeptstadium vorgestellt, ließ sich vor einigen Monaten bei der Präsentation des serienfertigen, noch als „Erlkönig“ auftretenden Fahrzeugs immerhin erahnen und war nun auf den Straßen rund um Neustadt in Holstein erstmals ohne Tarnkleid zu betrachten.

Wie Stierhörner ragen die äußeren Enden des "Blade" genannten Front-Designelements nach oben.
Wie Stierhörner ragen die äußeren Enden des "Blade" genannten Front-Designelements nach oben.

© Andreas Conrad

Der Q4 e-tron ist Audis erstes E-Mobil im Segment der Kompakt-SUVs, ergänzt den großen Oberklasse-SUV e-tron und das Gran-Turismo-Coupé e-tron GT zu einer eindeutig auf weiteren Nachwuchs angelegten Elektro-Kleinfamilie. Doch woran erkennt man ihn nun, wenn er vorbeihuscht? Beispielsweise an den ungewöhnlich schräg stehenden, dem Fahrtwind sich gleichsam hingebenden A-Säulen, an den wie zusätzliche Muskelpakete sich wölbenden Radhäusern und bei der Sportback-Version mit der abfallenden Dachlinie an den leicht nach oben gezogenen dritten Seitenfenstern. Nähert sich solch ein Wagen von hinten, ist es leichter: Gut, der dominante achteckige Rahmen, der das umgibt, was beim Verbrenner der Kühlergrill war, ist mittlerweile typisch für Audis SUV-Modelle. Nur der Q4 aber hat darunter ein zusätzliches, „Blade“ genanntes Designelement, das chromglänzend besonders gut zur Geltung kommt: ein schmales Band, das an den Seiten nach oben gekrümmt spitz ausläuft und vielleicht nicht ungewollt an Stierhörner denken lässt.

Das Topmodell Audi Q4 Sportback 50 e-tron quattro schafft es in 6,2 Sekunden von 0 auf 100.
Das Topmodell Audi Q4 Sportback 50 e-tron quattro schafft es in 6,2 Sekunden von 0 auf 100.

© Audi AG

Wobei der Q4 nur in der Beschleunigung, nicht im möglichen Endtempo an einen wilden Stier erinnert: Bei den nur mit Heckmotor ausgestatteten Versionen ist abgeregelt bei 160 km/h Schluss, die zusätzlich mit einem Frontmotor ausgestattete, 299 PS starke Topversion schafft immerhin 20 Stundenkilometer mehr und die ersten 100 in imponierenden 6,2 Sekunden. Ließe man die Elektroflitzer noch schneller rasen, stiege der Stromverbrauch expositionell an, heißt es auf Nachfrage. Das wäre schlecht für die Reichweite.

Die vier Audi-Ringe sind noch immer rund, anders als das Lenkrad des Q4 e-tron.
Die vier Audi-Ringe sind noch immer rund, anders als das Lenkrad des Q4 e-tron.

© Audi AG

Ohnehin muss sich, wer einen Q4 e-tron wählt, zwischen Vernunft und Leidenschaft entscheiden. Die zweimotorige Version Q4 50 e-tron quattro mag bei beherztem Tritt aufs Pedal deutlich dynamischer die Insassen in die Sitze pressen, doch bleibt die mittlere einmotorige, der 40 e-tron mit seinen 204 PS, bei der maximal angegebenen Reichweite von 520 Kilometern (beim Sportback sogar 534) eindeutig der Sieger. Das dürfte auch bei den Verkaufszahlen so werden, erwartet man bei Audi.

Viel Platz für Großwüchsige

Wobei all dieses motor- und batterietechnische Potential auf den schon vom Verkehrsaufkommen her eher geruhsam zu befahrenden Straßen der Holsteinischen Seenplatte natürlich nur sehr begrenzt zu erleben ist. Um so mehr die gerade beim behaglichen Dahingleiten zu genießenden Vorzüge des mit seinen Innenmaßen schon die Premium-Klasse erreichenden Fahrzeugs. Viel mehr Platz habe er in seinem Q7 auch nicht, bekennt beim Testtermin ein Audi-Mann, und eine kurze Sitzprobe im Fond, bei weit zurückgefahrenem Fahrersitz, zeigt: Er hat offenbar recht, sogar in der Sportback-Version des Q4 ist für Großwüchsige genügend Luft nach oben.

Selbst in der Sportback-Version des Audi Q4 e-tron bleibt auf den Rücksitzen viel Luft nach oben.
Selbst in der Sportback-Version des Audi Q4 e-tron bleibt auf den Rücksitzen viel Luft nach oben.

© Audi AG

Doch gelegentlich bieten sich selbst auf Holsteiner Nebenstraßen kurze Chancen, dem Testwagen, einem Q4 Sportback 50 e-tron quattro, mal etwas mehr abzuverlangen als nur gelassenes Cruisen. Zuvor hatte der zweimotorige Sportback 40 e-tron schon dadurch überzeugt, wie mühelos er sich auf dem Parkplatz und in engen Ortsdurchfahrten überall durchschlängelte, dank einem mit 10,2 Metern noch um 70 Zentimeter engeren Wenderadius als der Mini-Audi A1. Im Kurvenparcours der Landstraße darf sich nun der Stier im Q4 beweisen, natürlich nur innerhalb der Straßenverkehrsordnung. Und er macht das sehr gut, da hilft schon der tiefe Schwerpunkt dank der unter der Fahrgastzelle montierten Batterie. Es helfen ebenso die mit zunehmendem Lenkeinschlag immer direktere Progressivlenkung, das Fahrdynamiksystem „drive select“", wegen der schnellen Kurvenfahrt jetzt auf die fünfte Stufe „dynamic“ eingestellt, und nicht zuletzt das Fahrwerk mit geregelten, auf wechselnde Fahrsituationen millisekundenschnell reagierenden Dämpfern und angepasster Verteilung des Drehmoments Rad für Rad.

Immer der blauen Drohne hinterher. Das Augmented Reality Head-up-Display ist im Q4 e-tron optional.
Immer der blauen Drohne hinterher. Das Augmented Reality Head-up-Display ist im Q4 e-tron optional.

© Audi AG

Das alles läuft irgendwo im Wageninneren ab, der Alltagsfahrer wird das vielleicht gar nicht so genau wissen wollen, aber wie präzise der Wagen auch bei höherem Tempo durch die Kurven zieht, das spürt er schon. Und wenn er, als der eigentliche Unsicherheitsfaktor in solch einem Hightech-Gefährt, doch mal die Ideallinie zwischen den Fahrspurmarkierungen verfehlt oder auf der Autobahn beim Einscheren von der Überholspur großzügig auf den Blinker verzichtet, wird er vom Wagen sogar optisch belehrt. Jedenfalls von einem, der mit dem optionalen Augmented Reality Head-up-Display ausgestattet ist. In ihm weist ein scheinbar vor dem Wagen schwebender, von Audi als „Drohne“ bezeichneter blauer Pfeil dem Fahrer zusätzlich zum Navi den dort programmierten Weg, besonders bei Nebel, Starkregen oder des Nachts eine willkommene Hilfe. Neben anderen Qualitäten überlagert das System aber vor Verlassen der Fahrspur deren reale Markierung auf dem Display mit einer roten Warnlinie, und die Lenkung leistet spürbaren Widerstand. Blink-Muffel auf der Autobahn wird das nerven, aber das ist ja auch gut so.

Technische Details

Abmessungen: 4,59 m (L), 1,87 m (B), 1,63 m (H)

Gepäckraum: 520/1490 Liter (Sportback 535/1460 Liter)

Antrieb:

35 e-tron, 170-PS-Heckmotor, max. Drehmoment 310 Nm, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, von 0 auf 100 in 9 Sekunden, Stromverbrauch (NEFZ) kombiniert 16,7 – 15,8 kWh/100 km (Sportback 16,6 – 15,6 kWh/100 km)

40 e-tron, 204-PS-Heckmotor, max. Drehmoment 310 Nm, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, von 0 auf 100 in 8,5 Sekunden, Stromverbrauch (NEFZ) kombiniert 17,3 – 16,3 kWh/100 km (Sportback 19,6 – 16,8 kWh/100 km)

50 e-tron quattro, Front- und Heckmotor, gemeinsam 299 PS, max. Drehmoment 460 Nm, Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, von 0 auf 100 in 6,2 Sekunden, Stromverbrauch (NEFZ) kombiniert 17,8 – 16,5 kWh/100 km (Sportback 17,9 – 16,4 kWh/100 km)

Batterie
35 e-tron, 51,5/55 kWh (netto/brutto), max. Reichweite 341 km (Sportback 349 km)

40 e-tron, 76,6/82 kWh (netto/brutto), max. Reichweite 520 km (Sportback 534 km)

50 e-tron quattro, 76,6/82 kWh (netto/brutto), max. Reichweite 488 km (Sportback 497 km)

Preis
Der Verkauf des Q4 e-tron hat begonnen, der der Sportback-Version startet im Spätsommer. Der Preis des 35 e-tron beginnt bei 41.900 Euro, beim 40 e-tron sind es 47.500 Euro und beim 50 e-tron Quattro 52.900 Euro. Die Sportback-Modelle liegen jeweils rund 2000 Euro darüber.

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