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Vorne wuchtiger, in der Hüfte breiter: Der Audi e-tron S Sportback wurde auch optisch überarbeitet.

© Sagmeister/Audi AG

Der neue Audi e-tron S Sportback: Trio infernale

Die Sportversion des Audi e-tron hat vorn einen und hinten gleich zwei Elektromotoren. So gewinnt er mehr Power, fährt aber nicht so weit.

Läuft der Wagen schon? Müsste er doch nach dem Druck auf den Startknopf, aber zu hören ist eigentlich nichts. Auch nach dem Losrollen wird es nicht viel lauter. Mehr ein Summen, Surren, dessen Tonlage sich nur etwas hebt, als nun beherzter auf das getreten wird, was früher das Gaspedal war, während es jetzt, bei einem Elektroauto wie dem neuen Audi e-tron S Sportback, nur noch „das rechte Pedal“ oder einfach „Fahrpedal“ heißt.
Doch so dezent es jetzt auch summt und surrt: Es bleibt schwer zu sagen, ob das nun das Motoren- oder nur das Abrollgeräusch der Reifen ist. Für Autofahrer, die sich gern auch hörbar als sportlich gerieren, vielleicht ein Manko. Ein „emotionales Geräuschbild“ wie laut Audi-Werbesprech der Supersportwagen R8 – auch davon stehen an diesem schönen Sommertag auf dem Audi Driving Experience Center in Neuburg an der Donau ein paar Exemplare herum – hat ihr neuer Elektrosportler jedenfalls nicht zu bieten.

Fast so fix wie ein Supersportwagen

Ansonsten jede Menge Wumm, zwar nicht beim möglichen, elektronisch begrenzten Spitzentempo von 210 km/h, während der R8 bei 300 km/h noch immer nicht am Limit ist. Aber in der Beschleunigung ist der e-tron S ihm fast ebenbürtig: Mit 4,5 Sekunden von 0 auf 100 braucht er nur 1,1 Sekunden mehr.

Very stylish. Der Wählhebel für die Fahrstufen.
Very stylish. Der Wählhebel für die Fahrstufen.

© AUDI AG

Doch liefern wir uns ja heute kein virtuelles Rennen zwischen Audis flinkstem Verbrenner und seinem potentesten E-Mobil, sondern zuckeln jetzt nur noch gemütlich über Oberbayerns Landstraßen, nach einigen Testbeschleunigungen auf der Autobahn. Sie waren, zugegeben, beachtlich. Bei gleich drei E-Motoren kann man das auch erwarten, wenngleich man den von Audi so genannten „Boost“, den für acht Sekunden, auch mehrfach hintereinander abrufbaren Extraschub, der die Leistung von 435 auf 503 PS steigert, nicht zu oft einsetzen sollte. Besonders nicht, wenn man mit der Batterieladung noch eine längere Strecke zurücklegen will.

Nur ausnahmsweise mit "Boost"

Als maximale Reichweite werden 365 Kilometer angegeben, gemeint wohl ohne wiederholten Boost. Das klingt absolut gesehen viel, ist aber relativ wenig, jedenfalls gegenüber dem Audi e-tron 55, also den ohne das sportliche S im Namen, der bei identischer Batterieleistung von 95 kWh etwa 80 Kilometer weiter fährt und mit seinen 408 PS, die ihn in 5,7 Kilometer von 0 auf 100 trieben, auch nicht gerade eine lahme Ente ist. Jede Leistungssteigerung fordert eben ihren Tribut, und drei E-Motoren schlucken – oder müsste man nicht eher sagen brutzeln? – eben mehr weg als nur zwei. Zumal der e-tron S mit seinen 2620 Kilo Leergewicht 140 Kilo schwerer ist als der e-tron 55. Eigentlich ein leicht durchschaubarer Zusammenhang von Leistung und Reichweite, überraschend nur insofern, als bei E-Autos die mit einer Batteriefüllung zu bewältigende Strecke stets ein zentrales Verkaufsargument ist und alle Hersteller hier heftig um Steigerung statt Reduzierung ringen.

Luxus ist Trumpf. Das gediegene Innenleben des Audi e-tron S Sportback.
Luxus ist Trumpf. Das gediegene Innenleben des Audi e-tron S Sportback.

© Audi AG

Neue Motoren musste Audi für den neuen S-Renner nicht entwickeln. Das Motoren-Trio entstammt dem Audi e-tron 55, der hinten mit einer größeren, vorne mit einer kleineren Antriebseinheit ausgestattet wurde. In der Sportversion dagegen hat man den kleinen E-Motor als Duo an der Hinterachse montiert, es erledigt den Vortrieb bei normaler Fahrweise. Der große Motor sitzt jetzt an der Vorderachse und wird nur bei Bedarf in Millisekunden aktiviert – falls etwa beim Überholen mehr Leistung gebraucht wird oder bei schneller Kurvenfahrt, Glätte oder anderen speziellen Fahrsituationen Allrad gefordert ist. Ergänzt wird der Quattro-Antrieb durch eine von Audi „Torque Vectoring“ genannte Technik, die die Drehmomente je nach Bedarf elektronisch gesteuert zwischen den Hinterrädern verteilt, also etwa in Kurven dem äußeren Rad mehr zuweist als dem kurveninneren. Kombiniert mit der vierstufigen Stabilitätskontrolle ESC (Einstellung „Sport“) und dem siebenstufigen Fahrdynamiksystem („dynamic“) soll so, wie es heißt, ein schon auf Rennsport-Niveau zielendes Fahrverhalten erreicht werden, samt möglicher kontrollierter Drifts.

E wie elektrisch: Der e-tron S schafft mit einer Batterieladung 365 Kilometer.
E wie elektrisch: Der e-tron S schafft mit einer Batterieladung 365 Kilometer.

© Andreas Conrad

Also raus auf den „Handling-Parcours“ des Audi Driving Experience Center, einen 2,2 Kilometer langen Rundkurs, von dem heute aber nur das langgestreckte Oval mit seinen zwei fiesen 180-Grad-Kurven befahren wird, sicherheitshalber mit Instrukteur auf dem Beifahrersitz. Der, wie sich bald zeigt, sehr nötig ist. Mit so einem verkappten Rennwagen über die Piste – daran muss man sich als moderate PS-Zahlen gewohnter Alltagsfahrer erst mal gewöhnen. Beim Hineinfahren in die Kurve Gas wegnehmen, beim Herausfahren wieder beschleunigen – das weiß man seit der Fahrstunde, aber den „Boost“, die vollen 503 PS abfordern, wie der Instrukteur empfiehlt: Trägt einen das nicht prompt ins Kiesbett?

Mit "Vollgas" aus der Haarnadelkurve

Das hat es nicht getan, selbst dann nicht, als die das Fahrverhalten steuernden Systeme auf die sportlichste Stufe eingestellt wurden. Das Antriebslayout erlaube hohe Querdynamik, wird der Wagen beworben, und so wie wir hin und her geworfen wurden, kann man das nur bestätigen. Aber ausgebrochen ist er nicht, obwohl er alles andere als perfekt durch die Haarnadelkurve getrieben wurde. Fahrfehler steckt der e-tron S offenbar schon mal ohne Murren weg, gleichwohl wären derartige, seine Möglichkeiten austestenden Manöver auf offener Landstraße wenig ratsam. Doch wie erkennt man solch einen e-tron S, wenn er auf leisen Sohlen an einem vorüber huscht? Dass die Karosserie dank imposanterer Radläufe um knapp fünf Zentimeter in die Breite gegangen ist, fällt kaum auf den ersten Blick auf, eher schon die sehr viel markanter, wuchtiger gestaltete Front- und Heckpartie. Die schmalen optionalen Kameras anstelle der gewohnten Außenspiegel wurden dagegen schon dem normalen e-tron angeboten. Sie übertragen ihre Bilder auf kleine Bildschirme in den Vordertüren, die notgedrungen tiefer sitzen als die alten Spiegel, wodurch der Blick erst mal ein wenig in die Irre geleitet wird.

Rückspiegel ade: Den e-tron S gibt es auch mit Rückkameras und kleinen Bildschirmen.
Rückspiegel ade: Den e-tron S gibt es auch mit Rückkameras und kleinen Bildschirmen.

© Sagmeister/Audi AG

Immerhin mögen die beiden kleinen Stummel sportlich, gar futuristisch wirken und auch als weitere Verbesserung der ohnehin schon optimierten Aerodynamik gemeint sein. Sie bringen allerdings nur etwa drei Kilometer mehr Reichweite, also ungefähr so viel wie die schmalen Ausschnitte in den vorderen Radlaufblenden, durch die störende Luftverwirbelungen in den Radhäusern vermieden werden. Dagegen soll das dreistufige Rekuperationssystem sogar 30 Prozent zur Reichweite beitragen. Mit ihm wird kinetische Energie beim Freigeben des Fahrpedals oder beim Bremsen in neuen Strom umgewandelt, in der höchsten Stufe bremst dies den Wagen bereits so stark ab, dass das dafür vorgesehene linke Pedal kaum noch zum Einsatz kommen muss. Aber auch diese Stromquelle kommt irgendwann an ihr Limit, und selbst der serienmäßige Effizienzassistent weiß dann nicht weiter, der stets per Lichtsignal ermahnt, wenn der Fuß besser vom Fahrpedal zu lösen ist, nachzulesen auf Seite 161 der 360-seitigen Bedienungsanleitung. Kurz: Der e-tron S muss an die heimische 230- oder 400-Volt-Steckdose; wenn es schneller gehen soll, an die öffentliche Säule. Unter den Idealbedingungen einer High-Power-Charging-Ladesäule (HPC) dauert es rund eine halbe Stunde, um eine Batterie von 5 auf 80 Prozent zu bringen.

Zwei E-Motoren für ein E-Mobil sind genug? Nicht für den Audi e-tron S Sportback.
Zwei E-Motoren für ein E-Mobil sind genug? Nicht für den Audi e-tron S Sportback.

© Audi AG

Falls dem Fahrer in dieser Zeit nichts Anderes einfällt, könnte er sich beispielsweise mit dem eingebauten Bang & Olufsen Premium Sound System beschallen lassen, während sein Blick zufrieden über das Interieur des neuen Lebenssaft zapfenden Wagens streift: den markant designten, mit S-Prägung und Raute verzierten Fahrstufen-Wählhebel etwa, die großflächigen Displays oder das vierspeichige, bei der Vorstellung des Wagens als ebenfalls sportlich gepriesene Lenkrad, über das freilich schon der normale e-tron verfügt. Zugleich könnte er sich vom e-tron-Routenplaner, einem der zahlreichen möglichen Online-Services an Bord, die optimale restliche Reiseroute erstellen lassen, samt Prognosen über die Verkehrssituation und die Belegung der weiteren anzusteuernden Ladepunkte. Wenn er Glück hat, liegt auf seiner Strecke einer der europaweit mehr als 150.000 öffentlichen, über den e-tron Charging Service mit nur einer Karte zugänglichen Ladepunkte. Wenn er Pech hat, hängt dort schon ein anderer e-tron an der Nabelschnur.

Technische Details:
Abmessungen: 4,9 m (L), 1,98 m (ohne Spiegel), 1,62 m (H)
Kofferraumvolumen: 615/1665 Liter
Antrieb: drei Elektromotoren, 503 PS, max. Drehmoment 973 Nm, Höchstgeschwindigkeit 210 km/h, von 0 auf 100 in 4,5 Sekunden, Verbrauch 28,7 - 26,8 kWh/100 km
Batterie: 95 kWh brutto / 86 kWh netto, Reichweite (WLTP) 365 km, Ladezeit ca. 30 Minuten für 80 % der Batterie an HPC-Säulen
Preis: ab 96.050 Euro (Marktstart des Audi e-tron S und des Audi e-tron S Sportback im Herbst 2020)

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