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Zwölf Namen. Auf der Treppe vor der Gedächtniskirche wird der Todesopfer vom Breitscheidplatz gedacht.

© Schmidt / Reuters

Denkmal für die Opfer des Terroranschlags: Am Breitscheidplatz entstehen Stufen der Erinnerung

Der Gedenkort für die Opfer des Terroranschlages vom 19. Dezember 2016 ist fast fertig. Er soll versuchen, die Wunden zu heilen.

Noch ist der Riss verdeckt. Sein Verlauf lässt sich nur durch die schwarzen Gummimatten erahnen, die auf dem Breitscheidplatz ausliegen. Sie laufen direkt auf die Stufen vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu. Hier an der Budapester Straße zwischen Glühweinständen und Fressbuden, hinter Tannenbäumen und Bauzäunen, entsteht in diesen Tagen der Gedenkort für die Opfer des Terroranschlages vom 19. Dezember 2016.

Am Mittwoch kamen die zwölf neuen Stufen. Jetzt, am Freitag, sind sie frisch verlegt und eingerahmt von den bisher bestehenden. Nur kleine Spalte trennen sie noch voneinander. Eine Handwerkerin schließt diese gerade. Mit einer Schippe und einem Fugenmesser füllt sie Mörtel in die Spalten, drückt diesen fest und säubert anschließend alles mit Wasser. „Wenn alles gutgeht, sind wir heute fertig“, sagt sie. Ununterbrochen hätten sie seit Mittwoch gearbeitet, als die Stufen geliefert wurden. „Jetzt muss noch der Schmied ran.“ Der wird in den nächsten Tagen den Riss vollenden.

Für die Gestaltung des Gedenkortes hatte die Berliner Senatskanzlei im Juli einen Wettbewerb ausgelobt. Von den sieben Entwürfen entschied sich eine Jury für den des Berliner Architekturbüros Merz/Merz. Das erhielt vom Senat 100 000 Euro für die Umsetzung der Pläne. Ein Potsdamer Unternehmen fertigte in den vergangenen Wochen unter Zeitdruck die neuen Betonstufen.

Dass das alles so schnell geklappt habe, stellt Pablo von Frankenberg zufrieden. Der Kreativdirektor von Merz/Merz war an der Erarbeitung des Entwurfs beteiligt. Noch nie zuvor hätten er und seine Kollegen eine Gedenkstätte für Terroropfer gestaltet. Allein das sei schon eine Herausforderung gewesen. „Wir haben lange Diskussionen geführt und um eine Haltung gerungen“, sagt von Frankenberg. „Schließlich ist das keine normale Aufgabe.“ Der Anschlag sei ja noch gar nicht richtig aufgearbeitet worden, die Bilder noch sehr frisch. „Letztendlich sind wir nun Teil dieser Aufarbeitung.“

Ein Riss geht durch die Gesellschaft

Wie gedenkt man aber nun eines Ereignisses, das immer noch, und nicht nur bei Opfern und Angehörigen, unterschiedliche Erinnerungen hervorruft? Die Mitarbeiter von Merz/Merz haben sich bewusst für ein schlichtes Erinnern entschieden. Auf den Stufen stehen in weißer, dezenter Schrift die Namen der zwölf Opfer, dahinter ihr jeweiliges Herkunftsland. Sie sind von oben nach unten alphabetisch verteilt. Über den Namen steht in einer Zeile: „Zur Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches Miteinander aller Menschen. In dieser Nacht starben …“

Die Inschriften waren den Architekten vorgegeben. Ihr sichtbarstes Gestaltungselement ist der 14 Meter lange Riss, der durch den Breitscheidplatz und die Stufen verläuft. Er ist mit einer Bronzelegierung versehen, die über einen symbolischen Goldanteil verfügt, erklärt von Frankenberg. „Der Riss soll zeigen, dass die Ereignisse vom 19. Dezember unsere Gesellschaft herausgefordert haben.“ So sei nicht nur für die Opfer und Angehörigen ein Riss entstanden, sondern auch für die Gesellschaft. Durch die goldene Legierung soll aber auch versucht werden, diesen Riss zu heilen. Es sei die „ästhetische Überkommung der gesellschaftlichen Spaltung“, so von Frankenberg.

Dass diese Dialektik von jedem Passanten verstanden wird, bleibt zu hoffen. Zumindest können diese auf den Stufen Kerzen, Blumen und Plakate ablegen. Das informelle Gedenken, das bislang auf der anderen Seite stattfand, soll auch an dem neuen Gedenk- und eigentlichem Anschlagsort möglich sein. Dieser wird offiziell am 19. Dezember eingeweiht. Vormittags gibt es eine Zeremonie für die Angehörigen der Opfer. Sie werden dann symbolisch das letzte Stück geschmolzenes Gold in den Riss gießen.

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