Polizeipräsidentin und Einsatzleiter äußern sich zu Ereignissen vor dem Reichstag – und nennen weitere Details
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik verteidigte den Einsatz rund um die Corona-Demos am Samstag. „Das Einsatzkonzept war tragfähig, es waren ausreichende Einsatzkräfte vorhanden“, sagte Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Dennoch werde die Polizei Konsequenzen daraus ziehen, dass Rechtsextremisten auf die Treppe des Reichstags stürmen konnten. „Wir werden künftig noch deutlicher, noch enger die Absperrlinien zum Reichstag schützen“, sagte Slowik. Das genaue Vorgehen werde man mit der Bundestagspolizei erörtern. Die Polizei werde die Situation analysieren, um bei künftigen Situationen den Schutz des Gebäudes durch Absperrgitter und Polizisten deutlich zu verstärken.
Die Polizei sei sehr differenziert vorgegangen, wo keine Abstände eingehalten worden seien, haben die Polizei Versammlungen aufgelöst. Wo Abstände eingehalten wurde, „haben wir dem Versammlungsrecht Raum gegeben“. Bei Gewalt und Ausschreitungen wie vor der russischen Botschaft sei die Polizei „stringent und deutlich vorgegangen“.
Vor dem Reichstag habe der Verein „Staatenlos.Info“ eine Versammlung abgehalten mit etwa 400 Teilnehmern. Auch in den vergangenen Wochen und auch bei der ersten Corona-Großdemo am 1. August habe der Verein dort bereits Kundgebungen abgehalten. Die Versammlungsbehörde der Polizei habe die Anmeldung des Vereins für eine Demonstration am Samstag zunächst wegen drohender Gewalt verboten, dies sei durch das Verwaltungsgericht aufgehoben worden.
Am Reichtstag seien zwei Berliner Einsatzhundertschaften, eine aus Baden-Württemberg und eine Hundeführerstaffel postiert gewesen – insgesamt etwa 250 Einsatzkräfte. Auch Absperrgitter seien aufgestellt worden. Damit sollte verhindert werden, dass Corona-Demonstranten in Richtung Reichstag und Bundestagswiese gelangen können.
Um 18.45 Uhr habe es einen „starken Zulauf“ von der Demonstration auf der Straße des 17. Juni und von der russischen Botschaft in Richtung Reichstag gegeben. Demonstranten hätten versucht, die Absperrgitter zu überwinden. „Das konnte zunächst verhindert werden“, sagte Slowik. „Es gab starken Druck an dieser Linie.“ Auch über den Tiergarten und „durch die Büsche“ hätten Demonstranten versucht, zur Staatenlos-Kundgebung zu gelangen. Auch deshalb sei die Diensthunde-Staffel verlegt worden. Es sei dann bis zu hundert Personen gelungen, die Linie zu durchbrechen und zum Reichstag zu gelangen.
„Im Versammlungsraum waren um 18.55 Uhr rund 2000 Personen, die versucht haben, aus der Scheidemannstraße die Gitter zu übersteigen. Das ist ihnen aufgrund der Masse gelungen“, sagte Slowik.
Schließlich kam dann die Initialzündung von Staatenlos-Kundgebung. „Von einer unbekannt gebliebenen Sprecherin auf Bühne wurde dazu aufgerufen, geschlossen die Treppe zu stürmen“, berichtete Slowik. „Es gab an zwei Seiten erheblichen Druck.“ Es sei dann bis zu 400 Teilnehmern gelungen, die Absperrgitter zur Reichstags-Treppe zu überwinden. Es seien vorwiegend Personen aus der Reichsbürgerszene gewesen, aber auch Demonstranten, „die sich selbst als Patrioten oder Bürgerwehr bezeichnen“ und Gegner der Corona-Maßnahmen.
Slowik sagte, die Polizei habe unverzüglich interveniert. Weitere Unterstützungskräfte seien sofort zusammengezogen worden. Zugleich gestand Slowik ein: „Es waren wenige Minuten, aber die Macht der Bilder zählt hier.“ Und: „Auch mich beschämen diese Bilder von Samstag sehr.“
Auch Einsatzleiter Stefan Katte verteidigte den Ablauf des Einsatzes. Vom Bundestag habe es zu den früheren Demonstrationen vor dem Reichstag keine Interventionen gegeben. Katte äußerte sich auch zum Vorwurf, die Polizei habe das Gewaltpotenzial unterschätzt. Der Verein „Staatenlos“ habe in den vergangenen Wochen wiederholt dazu aufgerufen, den Reichstag zu stürmen. „Die Aufrufe waren nicht neu und wiederholten sich“, sagte Katte. „Wir mussten abwägen, wie ernsthaft das ist.“
Daneben wies der Einsatzleiter darauf hin, dass zunächst nicht nur sieben Beamte vor dem Eingang des Reichstags die Rechten zurückgedrängt haben. „Auch unten vor der Treppe standen Kollegen, aber die wurden überrannt“, sagte Katte. (Alexander Fröhlich)