zum Hauptinhalt
The Hoff mit The Tagesspiegel: David Hasselhoff demonstriert in Berlin für die East Side Gallery und freut sich über die heutige Tagesspiegel-Sonderausgabe mit sämtlichen Bildern des Monuments. Okay, unsere Redakteurin hatte dem Baywatch- und Mauer-Helden vor der Pressekonferenz ein Exemplar in die Hand gedrückt.

© Tsp

Update

Demo an der East Side Gallery: Hasselhoff rettet Berlin

Irgendwie schräg: US-Sänger und Schauspieler David Hasselhoff kommt zur East Side Gallery, 10 000 drängen sich, die Polizei ist auch da. Es wird eine kuriose Veranstaltung – ein Happening. Doch der Anlass ist ein ernster.

Mitten in der Traube all der Reporter mit ihren Mikrofonangeln und den Kameras vor dem noch an alter Stelle real existierenden Yaam-Kulturklubs mit Sandstrand am Stralauer Platz steht Sarah Bannister, 24, aus London, und staunt. „Die sind alle wegen David Hasselhoff da, der kommt hierher?“

Als der US-Amerikaner sich schließlich den Weg durch die Menge bahnt mit fünf Security-Kräften, stimmt die britische Touristin mit ihren Freundinnen das Lied „I’ll be ready...“ an. Der Titelsong der Baywatch-Fernsehserie. Doch das ist lange her, und der US-Star der achtziger Jahre, der zu seiner Alkoholkrankheit steht, hat inzwischen eher Schlagzeilen anderer Art gemacht. Doch an diesem denkwürdigen Sonntag wird ein von linken Kreisen sonst eher müde belächelter Serienstar aus den USA zur Galionsfigur des alternativen Kiezprotestes gegen Großinvestoren an der Mediaspree. So sehen die Koalitionen also aus an der East Side Gallery.

An der Mühlenstraße geht wegen des zweiten großen Protest-Mauerspaziergangs nichts mehr, die viel befahrene Straße ist wieder komplett abgeriegelt. Warum sich diesmal sogar fast 10 000 Menschen versammelt haben, macht der Blick auf eines der vielen Plakate deutlich: „Die Mauer muss zu!“. Sie demonstrieren dafür, dass keine neuen Durchbrüche für Zugänge in die sich über 1,3 Kilometer erstreckende Freiluftgalerie geschlagen werden, eines der letzten Mauerstücke in Berlin. Zwar hat der Bezirk mit Senatsunterstützung beschlossen, nun nur noch einen bereits bestehenden Durchbruch zu verbreitern und neue Stellen nicht anzutasten. Das könne sich aber bei neuer politischer Gemengelage womöglich ändern, befürchteten etliche Demo-Teilnehmer.

Sprecher Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission, einem der vielen Begründer der Bürgerinitiative „East Side Gallery retten“, geht es aber noch um viel mehr. Die Stadt würde sich selbst schaden, wenn sie jetzt wegen „veralteteter Stadtentwicklungspläne aus den 90er Jahren die kleinteilige Kreativwirtschaft am Spreeufer zerstört, die zum Markenkern Berlins geworden ist“. Deswegen dürften das Living-Bauhaus-Hochhaus mit Luxuswohnungen und der 120 Meter lange Büro-, Hotel- und Geschäftshausriegel entlang der Mühlenstraße gar nicht dort entstehen. Der Mauerabriss ist noch bis zum heutigen Montag ausgesetzt, die Bauarbeiten auf dem Hochhausgelände gingen hingegen unter der Woche weiter.

Während des Protestes wurde auch prompt eine Simulation verteilt, die nach Angaben der Demo-Organisatoren auf den Architektenplänen beruht: Da sieht man, wie die East Side Gallery neben den Neubaukomplexen wirken wird. Die Fassade ist recht dunkel dargestellt, und die Simulation der Bebauungsgegner bestätigt das, was der grüne Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, sagt: „Die East Side Gallery verliert ihre Weite und wirkt vor den Neubauten nur noch wie ein Gartenzaun.“ Maik Uwe Hinkel von Living Bauhaus betont hingegen stets, wie ökologisch, hell und begrünt das Hochhaus werde. Schulz appellierte erneut an den Senat, „die East Side Gallery lässt sich nur dann komplett erhalten, wenn der ehemalige Todesstreifen unbebaut bleibt. Deshalb bleibt es richtig, vom Senat zu fordern, dass den Investoren Austauschgrundstücke gegeben werden“.

"Sing uns den Flughafen fertig"

Am Sonntag aber sieht man die East Side Gallery vor lauter Menschen nicht. Die halten Plakate mit Aufschriften wie „Wowereit, don’t tear down this wall“ und „Wowereit das Denkmal bleibt“ hoch. Eine Frau Ende 40 kritisiert, dass „alles, was alternativ ist in Kreuzberg, nach und nach verdrängt wird, und dafür kommen Sachen hin, die ganz andere Menschen ansprechen und es geht nur noch um finanzielle Interessen“. Um künftig Proteste zu finanzieren und die East Side Gallery zu retten, wurde am Sonntag die Internetplattform „www.rally.org/weareberlin“ gestartet. Draußen geht derweil der David-Hasselhoff-Event weiter. Immer wieder singt er in die Lautsprecherboxen „I’ve been looking for freedom“, und die Menge singt mit. „Don’t fear, the Hoff is here“ und „Sing uns den Flughafen fertig“ steht auf Plakaten. Fans sind gar mit schwarzem Pontiac, dem aus der Serie „Knight Rider“ bekannten Auto, gekommen.

Auch die Tagesspiegel-Ausgabe vom Sonntag, in der die gesamte East Side Gallery fotografisch dokumentiert wurde (hier in der digitalen Version zum Durchklicken), fand bei der Pressekonferenz Erwähnung. „Cool“ fand Hasselhoff diese Idee und signierte Tagesspiegel-Exemplare.

Dass er keine Gelegenheit zu einem regulären Konzert bekam, hat ihn nicht sonderlich enttäuscht. Langfristig denkt er an ein groß vorbereitetes Konzert zugunsten der East Side Gallery. Außerdem: „Ich kann ja jederzeit spontan singen.“ Das tat er dann auch – per Megaphon.

Doch Hasselhoff hat hier nicht nur Fans. „Mann, ist der peinlich“ hört man immer wieder. „Ja, der ist schon witzig, peinlich, klar; aber grandios.“ Einer sagt: „Nur weil der doofe Hasselhoff hier ist, gibt es so einen Aufstand.“ Die meisten wollen aber Autogramme, die Veranstalter müssen wegen des Andrangs Polizeischutz organisieren. Dann flüchtet sich Hasselhoff in ein Auto. Nichts mehr mit Freiheit.

Falls Sie die Sonntagausgabe mit der Fotodokumentation der East Side Gallery verpasst haben, können Sie diese noch am Montag bei uns im Tagesspiegel-Shop, Askanischer Platz 3, erhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false