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Kiez mit Weltkultursiegel. Die Hufeisensiedlung in Britz wurde in den 30er Jahren für den sozialen Wohnungsbau errichtet und ist seit 2008 Unesco-Welterbe. Aktuell dient sie manchen als abschreckendes Beispiel – und anderen als Vorbild.

© Kitty Kleist-Heinrich

Debatte um städtebauliche Zukunft: Muss Berlin hoch hinaus?

Architekt Hans Kollhoff forderte kürzlich eine Wende hin zu mehr urbanem Städtebau. Die Architekturszene fordert nun eine Diskussion über den Berliner Städtebau.

Berlins Zukunft ist dem Zufall überlassen und obwohl immer mehr Menschen in die Stadt drängen, hat sich die Idylle der Vorstadtsiedlung als Blaupause für das Wachstum der Stadt in den Köpfen von Verwaltung und Politik verfestigt. Stararchitekt Hans Kollhoff beklagte dies kürzlich im Tagesspiegel, forderte eine Wende zu mehr urbanem Städtebau und flankierte dies mit einem Zitat von DDR-Staatschef Walter Ulbricht.

Die einstige Stalin- und heutige Karl-Marx-Allee als Musterbeispiel für modernen urbanen Städtebau hinzustellen, das geht an, weisen doch Proportionen, Abfolge der Baukörper, formale Strenge und handwerkliche Kunst bei dem Häuserzug eine Qualität aus, die in den westlichen Großsiedlungen der Moderne mancherorts vermisst wird. Vor allem strahlt die Allee aber bis heute den Willen zu einem Städtebau aus, der in Berlin in diesen Tagen fehlt. Deshalb entfachte Kollhoffs Polemik eine Kontroverse. Nun fordern auch Architektenkammer und Stadtplaner eine Neuauflage der Diskussion über den Berliner Städtebau.

Ein Planungsvakuum

Die Chefin der Berliner Architektenkammer sagt: „Über das städtische Leitbild haben wir schon an der Uni debattiert“. Christine Edmaier war Studentin von Hans Kollhoff und erinnert sich an dessen Kritik an der Hufeisen-Siedlung von Bruno Taut in Britz. „Das war ihm nicht städtisch genug, ist jetzt aber Weltkulturerbe“, sagt Edmaier. Also doch eher kleinstädtisch denken für das kiezige, hier und da schon mal piefige Berlin? „Nein, wir brauchen beides“, sagt Edmaier, insoweit sei Kollhoffs Kritik treffend.

Denn auch die Chefin der Architektenkammer beklagt ein „Planungsvakuum“ an vielen Orten der Stadt, das sich findige Baumeister im Kielwasser von pfiffigen Investoren zunutze machen, um ihre Visionen von Stadt zu entwickeln. So wurde ein Hochhaus auf dem Vorplatz vom Bahnhof Zoo vom Baumeister des „Upper West“, Christoph Langhof, ins Gespräch gebracht. Und für das städtebauliche Durcheinander nördlich vom Bahnhof Zoo hatten Jan Kleihues und der frühere Bundesbauchef Florian Mausbach ein ganz neues Quartier mit einem halben Dutzend unterschiedlich hoher Türmen gezeichnet. Wo das Feld nicht bestellt ist, wächst eben allerlei.

Was soll der städtebauliche Rahmen für Berlins Entwicklung sein?

Dass der Städtebau in Berlin der Beliebigkeit anheim zu fallen droht, zeigt auch das: Am Rande Neuköllns entsteht der Stadt höchster Tower – auf dem Areal des Estrel-Hotels. Möglich ist das, weil in der Debatte über das Bauen in Berlin viele Dogmen gefallen sind: Die Traufhöhe, einst unerschütterliches städtisches Höhenmaß, wird von Bausenator Andreas Geisel (SPD) ganz offen infrage gestellt. Die Schließung von Baulücken und die Verdichtung der Stadt wird allenthalben gefordert. Die Wohnungsnot bringt diese neue legere Haltung zum Städtebau mit sich. Doch die Lockerung der Zügel könnte sich böse rächen, wenn vor dem Anmarsch der Baukolonnen nicht wenigstens eine Diskussion über den Städtebau klärt, was der Rahmen für die Entwicklung des Berlin von morgen sein könnte.

Große städtebauliche Wettbewerbe braucht es dazu und einen „Hochhausplan“, wie die Architektenkammer ihn fordert. Alles jedenfalls scheint besser zu sein, als der Neubau von Solitären nach dem Zufallsprinzip, weil uns ja sonst nichts Besseres einfällt.

Durst nach neuen Ideen

Auch der Doyen der Berliner Stadtplanung, Harald Bodenschatz, kann der Idee eines großen städtebaulichen Wettbewerbs vieles abgewinnen. Zumal ein solcher vielleicht endlich Ideen hervorbringen würde, „die Berlin in die Zukunft führen und für die sich die Leute begeistern“. Daran fehle es etwa in den Debatten über Mitte oder Tempelhof, „dass nie ein überzeugendes Projekt da war, das in eine gesamtstädtische Vision eingebettet ist und mobilisieren kann". Kein Wunder also, dass am Ende alle den „Status quo“ sichern wollen.

Bodenschatz sagt aber auch, Politik und Verwaltung müssen zuallererst bereit und in der Lage sein, einen neuen Städtebau für die wachsende Stadt hervorzubringen – diese seien aber zurzeit von anderen Aufgaben absorbiert. Die Baupolitik erschöpft sich darin, die Zahl der erforderlichen Wohnungen festzulegen und auf den Weg zu bringen. Wie wichtig eine Neuordnung wäre, zeigt das Beispiel aus den 1990er Jahren als die Stadt nach der Wende schon einmal kräftig zu wachsen schien: Da hatten Politik und Verwaltung sich für drei Standorte zum Bau von Hochhäusern entschieden, am Alex, am Potsdamer Platz – und am Breitscheidplatz. „Das Konzept wurde nie offiziell beschlossen, gab dem städtebaulichen Handeln aber die Richtung“, sagt Bodenschatz.

Über die Grenzen der Stadt hinaus

Am Breitscheidplatz entstehen zurzeit die letzten Türme als Folge dieser städtebaulichen Idee. Und Berlin selbst ging einst aus dem „Wettbewerb Groß-Berlin 1908/1910“ hervor. Vor mehr als 100 Jahren wuchs die Stadt unvergleichlich schneller als heute, und trotzdem schufen Politik und Fachwelt mit dem Wettbewerb die Grundlage für eine geordnete Entwicklung des „Umlandes“ der damaligen Innenstadt. Ähnlich dürfe ein Wettbewerb heute nicht an den Grenzen der Stadt halt machen, sagt Bodenschatz.

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