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Die Kritzeleien müssen weg: Maler Dimitri Vrubel hat sein Bild „Bruderkuss“ zuletzt im April 2014 gereinigt. Mit der Aufnahme in die Stiftung Berliner Mauer wäre nicht nur die aktuell nötige Reinigung finanziell gedeckt.

© Thilo Rückeis

Debatte um East Side Gallery: Zukunft des Mauer-Stücks: (K)Eine Frage des Geldes

Mit einer Aufnahme in die Stiftung Berliner Mauer wäre die East Side Gallery auf Dauer geschützt. Doch die Selfie-Kulisse der Partyhopper würde damit auch „nationales Kulturgut“.

Die East Side Gallery ist der arme Verwandte der Gedenkstätte Berliner Mauer. Die Bilder werden bekritzelt, der Todesstreifen wird bebaut, Hütchenspieler und Soldatendarsteller leiern den Touristen das Geld aus den Taschen. Und niemand kümmert sich um die Tatsache, dass nach dem umjubelten Maueröffnungsjubiläum vom 9. November in diesem Jahr der 25. Gallery-Geburtstag ansteht.

Stimmt nicht ganz. Der Dokumentarfilm „East Side Gallery“ ist jetzt in den Kinos angelaufen. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Hans Panhoff (Grüne), hat ihn gesehen und die Erkenntnis mitgenommen, dass dringend etwas für das längste erhaltene Berliner Mauerstück getan werden muss, damit es nicht seine Anziehungskraft verliert.

Instandhaltung der Gallery soll jährlich 250.000 Euro kosten

Panhoff ist weiterhin für die East Side Gallery zuständig, auch wenn hinter den Kulissen seit Monaten über eine Aufnahme in die Stiftung Berliner Mauer verhandelt wird. Bislang ohne Ergebnis, verlautet aus der Stiftung. Die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters (CDU), hält sich ebenfalls bedeckt. Es geht, wie immer, ums Geld. Jede zusätzliche Berlin-Förderung wird im Bundestag wie ein rohes Ei behandelt.

Dabei sind es im Fall der East Side Gallery nur 125 000 Euro im Jahr, die der Bund beisteuern müsste. So viel Geld hat Berlin bereits in den Haushalt eingestellt, mit dem Vermerk, dass der Bund seinen Anteil dazugeben muss, sonst fließt überhaupt kein Geld. Damit trotzdem etwas passiert, will Panhoff als Interimslösung Fördergelder für eine weitere Sanierung des Mauerstücks beantragen. 250 000 Euro sollten reichen, um Gekritzel, Graffiti und Klebebildchen von der Mauer zu entfernen, einen neuen Graffitischutz aufzutragen und kleine Schadstellen zu reparieren. Um den Antrag zu unterfüttern, arbeitet das Landesdenkmalamt an einem Gutachten zum Zustand der Mauer. Zuletzt wurde das Denkmal 2009 umfassend saniert.

Strittig: Soll East Side Gallery nationales Kulturgut werden?

Das Fördergeld würde pikanterweise aus dem Programm „National wertvolle Kulturdenkmäler“ kommen, das von Monika Grütters verwaltet wird. Sie treffe persönlich die Entscheidungen, heißt es in einer Pressemitteilung ihres Hauses. Zuletzt wurde der Dom zu Aachen mit Geldern bedacht, außerdem die Förderbrücke F 60 in Brandenburg und das Lüneburger Rathaus. Die East Side Gallery würde automatisch zum nationalen Kulturgut erhoben, damit entstünde quasi eine Verpflichtung des Bundes, sich langfristig zu kümmern.

Dem Sprecher des Mauerkünstler-Vereins, Kani Alavi, dauert das politische Hickhack um die East Side Gallery viel zu lange. Er habe Sponsoren in der Hinterhand, die praktisch sofort ein Besucherzentrum an der Gallery errichten würden, wenn der Bezirk dafür grünes Licht gäbe. Solch ein Anlaufpunkt zur historischen Einordnung der Gallery und ihres Mauerabschnitts würde sich auch die Stiftung wünschen, allerdings nicht in Regie der Mauerkünstler.

Auch Panhoff lehnt Alavis Initiative ab. „Wir sollten die Deutungshoheit nicht aus der Hand geben.“ Für eine Weiterentwicklung der Gallery zu einem nationalen Flächendenkmal gebe es noch kein Konzept. Die Säuberung und Sanierung der Mauerflächen diene vor allem dazu, die Gallery „übergabefähig“ zu machen. Das heißt im Umkehrschluss: Im jetzigen schmuddelig-chaotischen Zustand könne man sie der Stiftung gar nicht anbieten.

Das Dauerproblem der East Side Gallery: Touristen verwechseln sie gerne mit einem Gästebuch und hinterlassen ihre Kritzeleien. Hier eine Szene aus „East Side Gallery – Der Film“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies.
Das Dauerproblem der East Side Gallery: Touristen verwechseln sie gerne mit einem Gästebuch und hinterlassen ihre Kritzeleien. Hier eine Szene aus „East Side Gallery – Der Film“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies.

© promo

East Side Gallery bietet die "authentischere Mauerkulisse"

Kani Alavi will beobachtet haben, dass sich Präsidenten bedeutender Länder für ihr Besuchsprogramm in Berlin eher die East Side Gallery wünschen als die offizielle Gedenkstätte an der Bernauer Straße. Die Konkurrenz zwischen spontan gewachsener Mauerkultur in Friedrichshain und dem etwas spröden, staatlich geförderten Geschichtspark in Mitte spielt in der Debatte auch eine Rolle.

Die Bedeutung der East Side Gallery wurde von der Berliner Politik bewusst kleingeredet, als man sich für die Bernauer Straße als Gedenkstätte entschied. Für 2014 vermeldet die Stiftung Berliner Mauer einen neuen Besucherrekord. Mehr als eine Million Menschen kamen zur Bernauer Straße. Das hat natürlich auch mit dem Jubiläum zu tun. Wie viele Menschen zur East Side Gallery kamen, ist nicht bekannt.

Der US-Sender CNN wählte für seine Liveübertragungen zum Mauerjubiläum die East Side Gallery. Dort vermutete die CNN-Crew die authentischere Mauerkulisse. Möglicherweise ist die Aufteilung zwischen offiziellem Mauergedenken mit Besucherleitsystem und Geschichtsdidaktik für den gehobenen Anspruch und einer Mauerbilder-Kultstätte für die internationale Partyhopper-Szene keine schlechte Lösung. Eine zweite Berliner Mauergedenkstätte braucht eigentlich niemand.

Einen Anstandszaun rund um die Gallery hätte Kani Alavi gerne. Damit die Selfie-Knipser ein wenig Abstand halten und die psychologische Schwelle, seinen Namen auf die Mauer zu kritzeln, erhöht wird. Ein bisschen wie im Museum, nur eben aufregender.

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