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Außenansicht der Ernst-Moritz-Arndt Kirche in Berlin-Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

Debatte um Antisemitismus in Zehlendorf: Gemeinde trennt sich von Namensgeber Ernst Moritz Arndt

Wegen antijüdischer Aussagen des Theologen wird ein neuer Namensgeber gesucht. Die Pfarrerin muss jetzt Befürworter und Gegner miteinander versöhnen.

Die Entscheidung war knapp, aber sie steht fest: Die Evangelische Ernst-Moritz-Arndt-Kirchengemeinde in Berlin-Zehlendorf wird umbenannt. Der Kirchengemeinderat hat dies am Montagabend mit 6:4 Stimmen beschlossen. Damit ist eine wochenlange, teilweise hoch emotional geführte Diskussion erstmal beendet.

Hintergrund der Entscheidung sind antijüdische Aussagen des Theologen, Historikers und Philologen Arndt. 1814 erklärte Arndt zum Beispiel, dass die „Juden ein verdorbenes und entartetes Volk“ seien. Arndt wünschte sich, „den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten“.

Ute Hagmayer, die Pfarrerin der Gemeinde, sagte dem Tagesspiegel, für sie sei es „schwierig, wenn eine Kirche einen Namensgeber hat, der so antijüdische Aussagen macht“. Die Theologin hatte sich im Vorfeld für eine Umbenennung stark gemacht. Da die Abstimmung aber geheim war, ist nicht klar, wie sie letztlich votiert hat.

„Als Vorbild und Namenspatron ungeeignet“

Der Kirchengemeinderat teilte in einer Presseerklärung mit, dass die Umbenennung „unter ausdrücklicher Anerkennung der Motive der an der Namensgebung der Kirche 1935 beteiligten Personen geschieht, die in einer Atmosphäre des vordringenden Neuheidentums in Ernst Moritz Arndt die Personifizierung einer notwendigen Verbindung von Christentum und Patriotismus sahen. Mochte die Namenswahl damals aus kritischer Distanz zum Nationalsozialismus sinnvoll gewesen sein, so ist die Benennung einer Kirche und Kirchengemeinde nach Arndt heute kaum noch vermittelbar.“

Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gemeindekirchenrats sei die Tatsache, „dass Arndt bei allen sonstigen Verdiensten wegen seiner militant-nationalistischen und judenfeindlichen Äußerungen als Vorbild und Namenspatron einer christlichen Gemeinde ungeeignet ist.“
Klar ist allerdings, „dass es viel Trauerarbeit geben wird“, da macht sich die Pfarrerin keine Illusionen. Denn die Abwägung, ob man die Namen beibehalten oder ablegen soll, sei „mit vielen Verletzungen verbunden“. Der Riss zwischen Traditionalisten und Arndt-Gegnern geht grob gesagt zwischen den älteren und den jüngeren Mitgliedern der insgesamt 4000 Personen starken Kirchengemeinde.

Die Älteren, sagt Pfarrerin Hagmayer, verbinden mit dem Namen Ernst-Moritz-Arndt „ihre Identität“. Die antijüdischen Aussagen spielten dabei eine sehr untergeordnete Rolle, es geht um das Gefühl, das sie mit dem Namen verbinden. „Die meisten sagten sowieso nur EMA“, erklärt die Pfarrerin.

Nun kann jeder neue Namen vorschlagen

Die Jüngeren dagegen störten sich erheblich an den Aussagen von Arndt. Der hatte ja auch 1812 in seinem „Vaterlandslied“ gedichtet: „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“. Arndt rief die deutschen Männer zu den Waffen, um „Henkersblut“ und Franzosenblut“ zu vergießen.

Die Pfarrerin ist jetzt vor allem als Moderatorin und Vermittlerin zwischen den Lagern gefordert. Eine schwierige Aufgabe, die viel Zeit und Kraft kosten wird, vor allem, weil Argumente gegen Emotionen stehen. Ute Hagmayer hat allerdings erfreut festgestellt, dass zumindest der „gesamte Kirchengemeinderat sehr professionell mit dem Ergebnis umgegangen ist und hinter der Entscheidung steht“.

Dieses Gremium wird auch entscheiden, wie der neue Name des Kirchengemeinde lauten wird. Vorschläge kann jeder machen. Aber wann die Abstimmung auf die Tagesordnung kommen wird, ist noch völlig unklar. Doch es wird noch einige Zeit dauern, so viel steht fest.

Bischof Markus Dröge erklärte im Namen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz zu dem Beschluss des Kirchengemeinderats, er begrüße die Entscheidung, welche „die Gemeinde nach einem intensiven und ernsthaften Prozess der Auseinandersetzung mit der Geschichte und Tradition ihrer Namensgebung nun getroffen hat. Sie hat in vorbildlicher Weise einen offenen und fairen Diskussionsprozess durchgeführt, der angesichts der Vielschichtigkeit der Fragestellung nicht einfach war. Sie hat damit Verantwortungsbewusstsein gezeigt und ein gutes Beispiel für eine angemessene kirchliche Entscheidungskultur gegeben.“

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