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Es darf nicht den Eindruck entstehen, dass die Polizei immer nur hinterherfährt.

© Paul Zinken/dpa

Debatte um Angsträume in Berlin: Für Polizisten ist Berlin nicht sicherer geworden

In der Debatte um ein wachsendes Unsicherheitsgefühl sollte die Berliner Politik nichts schönreden. Denn es ist eine Verrohung zu spüren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Auch das noch: In Berlin muss ein Polizeichef zur Aushilfe einen Fall von Bestechlichkeit in seiner Behörde bekanntgeben. Das in einer Zeit, in der sich viele Menschen in den öffentlichen Räumen der Stadt unsicher fühlen. Und das wiederum, kurz nachdem Innensenator Andreas Geisel eine So-la-la-Kriminalitätsstatistik vorgestellt hat. Die vorherrschende Tendenz: weniger Morde, weniger Einbrüche, aber mehr Körperverletzungen, mehr Sexualdelikte, mehr Rohheit, von der man liest und hört und die man wahrzunehmen meint.

Dazu passt, nebenbei gesagt, der Kommentar des Sprechers der Polizeigewerkschaft GdP zur Verkehrsunfallstatistik: Unter der Überschrift „Mehr Unfälle, mehr Schwerverletzte, mehr Unfallfluchten“ schreibt Benjamin Jendro, der „wachsende Egoismus“ hinterlasse Spuren auf den Straßen der Stadt.

Das raue Klima in der Stadt spürt man in vielen Lebensbereichen. Bloß ist eben der öffentliche Raum ein besonders sensibler Lebensbereich – und eine Politik, die sich diesen Raum schönredet, wird schnell unglaubwürdig. Innensenator Geisel sagte zur vorläufigen Kriminalstatistik vor Kurzem, Berlin sei „ein Stück sicherer“ geworden.

Berlins Polizei: härtester Job, am schlechtesten bezahlt

Das trifft nur zu, wenn man Einbrüche wichtiger nimmt als brutale körperliche Angriffe. Für Berliner Polizisten ist die Stadt nicht sicherer geworden, wie die Statistik lehrt: Die Anzahl der Widerstandshandlungen gegen Polizisten ist deutlich gestiegen. Das passiert knapp sieben Mal pro Tag in Berlin.

Ohnehin zeigt eine Kriminalstatistik nicht die Wahrheit über die Sicherheit in einer Stadt, sondern gesellschaftliche Tendenzen und manchmal auch die Erfolge polizeilicher Arbeit. Die Berliner Polizei, die im Bundesvergleich einen der härtesten Jobs erledigen muss, dafür aber am schlechtesten bezahlt wird, hat ganz konkret Einbrecher gejagt und aus dem Verkehr gezogen. Gut gemacht – aber es reicht nicht.

Gewiss: Die Politik ist dabei, ihre Bringschuld einzulösen. Die schlechte Personalausstattung soll besser werden, jedenfalls werden mehr junge Leute ausgebildet und vermutlich auch in den Polizeidienst übernommen. Die Polizei zeigt Präsenz an Orten, die als Brennpunkte der Kriminalität gelten, als Orte der Unsicherheit oder als No-go-Area, jedenfalls zu gewissen Tages- oder Nachtzeiten. Und doch wird man in Berlin den Eindruck nicht los, die Polizei eile mit Blaulicht der Wirklichkeit hinterher.

Das befürchtete Schreiben im Briefkasten: Verfahren eingestellt

Wenn in Teilen der Stadt der Eindruck entsteht, eine Prügelei sei nur ein falsches Wort – oder einen falschen Blick – weit entfernt, ist dem nicht allein mit Bürgermut und Zivilcourage beizukommen. Längst kommt zu solchen Sorgen die Ahnung, dass die notwendige Strafverfolgung ohnehin wegen der Überlastung der Polizei und der Staatsanwaltschaft nach ein paar Monaten im eigenen Briefkasten lande, mit einem Schreiben über die Einstellung des Verfahrens.

Ganz gleich, ob man da von einem wachsenden Unsicherheitsgefühl spricht oder von Angsträumen: Die Politik ist gut beraten, solche Entwicklungen ernst zu nehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Polizei in Nordrhein-Westfalen jetzt daran macht, gezielt gegen Clan-Kriminalität vorzugehen. Auch die befördert ein Unsicherheitsgefühl.

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