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An unterschiedlichen Enden: Falko Liecke (links) und Betül Ulusoy (rechts). Dazwischen: Pinar Cetin aus dem Vorstand des Moscheevereins, Moderator Eren Guevercin und Bundesjustizminister Heiko Maas bei einer Podiumsdiskussion in der Sehitlik-Moschee.

© DAVIDS/ Florian Boillot

Update

Debatte in Sehitlik-Moschee: Betül Ulusoy und Neukölln - das Tuch ist zerschnitten

Die angehende Juristin Betül Ulusoy soll schon vor ihrer Bewerbung in Neukölln eine Zusage für eine Stelle in der Senatsgesundheitsverwaltung gehabt haben. Ulusoy nennt die Vorwürfe "albern".

Er sei eigentlich nicht als Schiedsrichter hier, er wolle das auch gar nicht sein, sagt Heiko Maas (SPD). Und dabei fragt man sich: Wer denn sonst als der Bundesjustizminister? Zu seiner Linken sitzt Betül Ulusoy, zurückgelehnt, den Kopf gesenkt, sie blickt auf das Tischtuch vor sich – auf dasselbe Tuch, auf dem der stellvertretende Neuköllner Bürgermeister und bezirkliche CDU-Chef Falko Liecke am anderen Tischende seine Ellenbogen aufgestützt hat. Das Tuch zwischen ihnen sieht eigentlich ganz ordentlich aus. Nimmt man es als Metapher, müsste es jetzt eigentlich zerschnitten sein.

Der Grund ist ein anderes Tuch, das um Betül Ulusoys Kopf. Sie hat Jura studiert und sich beim Bezirksamt Neukölln um einen Referendariatsplatz als Teil ihrer praktischen Ausbildung beworben. Doch sie trägt ein Kopftuch, und nach dem Berliner Neutralitätsgesetz darf man hoheitliche Aufgaben nur ohne religiöse Symbole erfüllen.

Am Dienstag gab der Bezirk bekannt, Ulusoy dürfe ihr Referendariat im Bezirksamt machen, nur eben keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen. Am Sonnabend erklärte Ulusoy auf ihrer Facebook-Seite, sie werde die Stelle nicht antreten. Zuvor hatte der Tagesspiegel darüber berichtet, dass sie die Frist zur Annahme der Stelle in Neukölln verstreichen ließ und auch über andere Angebote verfüge. Und so sitzen sie und Liecke beim Sommerfest der Sehitlik-Moschee in Neukölln, bei einer Podiumsdiskussion zu „muslimischen Realitäten in Deutschland“, und zwischen ihnen der Justizminister.

Liecke: Bewerbung war "politische Kampfansage"

Liecke wirft Ulusoy vor, die Bewerbung sei eine „politisch motivierte Tat“, sie habe lediglich erreichen wollen, dass der Staat „vor ihr einknickt“. Betül Ulusoy habe zum Zeitpunkt ihrer Neuköllner Bewerbung schon seit einer Woche vereinbart gehabt, ihr Referendariat bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zu absolvieren. Als sie das Bezirksamt zu einer Entscheidung drängte, sei ihre Stelle bei der dortigen Verwaltung schon eingerichtet gewesen.

Er beruft sich dabei auf persönliche Gespräche mit CDU-Kollegin Emine Demirbüken-Wegner, die Staatssekretärin in der Gesundheitsverwaltung ist. Der Bezirk hatte Ulusoy am Dienstag zugesagt, sie dagegen offenbar tags darauf der Gesundheitsverwaltung – und dem Bezirk nicht mehr geantwortet. Beim Bezirk sorgte das für einige Verstimmung. Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte Ulusoys Vorgehen "einfach unmöglich".

Dass diese Angaben zutreffen, legt zumindest eine E-Mail vom 10. Juni nahe, die dem Tagesspiegel vorliegt. Darin schreibt die Personalabteilung der Gesundheitsverwaltung an das Kammergericht, Ulusoys Ausbildungsbehörde: „Fr. Ulusoy rief gerade bei mir an und teilte mir mit, dass sie ihre Verwaltungsstation gerne hier im Haus absolvieren möchte.“ Liecke schließt daraus, bei Ulusoys Bewerbung sei es um eine „politische Kampfansage“, aber nicht um das Referendariat gegangen. Vereinzelter Applaus. Es ist ein Auswärtsspiel für Liecke, hier an diesem schwülen Sonntagnachmittag in der Sehitlik-Moschee, in deren Verein Ulusoy "ein sehr aktives Mitglied" sei, wie der Vorsitzende Ender Cetin sagt.

Ulusoy: Man habe aus den Augen verloren, worum es geht

Die Sehitlik-Moschee in Neukölln.
Die Sehitlik-Moschee in Neukölln.

© picture alliance / dpa

Ulusoy sagt: „Ich finde die Diskussion ziemlich albern.“ Man habe aus den Augen verloren, worum es geht. „Hat das Bezirksamt eine klare Kopftuch-Politik verfolgt? Ja. Verstieß das gegen geltendes Recht? Ja. Darf man sich dagegen wehren? Ja. Ändern die Vorwürfe von Herrn Liecke etwas daran? Nein.“, sagte sie dem Tagesspiegel. Immer wieder werde von Muslimen erwartet, dass sie ein aktiver Teil der Gesellschaft sind, sich politisch einbringen und ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft erfüllen – „aber wir haben nicht nur Pflichten, wir haben auch Rechte“. Eines dieser Rechte sei, dass sie mit Kopftuch ein Referendariat machen dürfe, und das habe sie eingefordert. Lautstarker Applaus.

Viel mehr sagt sie dann nicht mehr bei der Podiumsdiskussion. Ansonsten spricht vor allem Heiko Maas darüber, dass es wichtig sei, miteinander zu reden. Auf ihrer Facebook-Seite äußerte sich Betül Ulusoy dann am Abend noch einmal ausführlich. "Ein Amt also, das sich ganz klar und öffentlich - und vor allem medial - gegen das Kopftuch positioniert hat, beschwert sich in meinem Fall darüber, dass ich mit Journalisten gesprochen habe", schreibt sie dort über das Bezirksamt Neukölln. "Was seit Jahren von ihnen getan wird, wird nun falsch, weil ich es tue?"

Sie sei schließlich Neuköllnerin

Miteinander reden – so einfach das auch klingt: Betül Ulusoy und Falko Liecke sprechen vor der Podiumsdiskussion nicht miteinander, hinterher vermutlich auch nicht. Dabei hätte das für Liecke interessant sein können: Sie habe das Referendariat sehr gerne im Bezirksamt Neukölln absolvieren wollen und sich auch dort zuerst beworben, sagt Ulusoy, sie sei schließlich Neuköllnerin. Lieckes Informationen träfen nicht zu.

Der Kontakt zur Gesundheitsverwaltung habe schon länger bestanden, aber „da ging es nicht um das Referendariat“. Erst, als sie davon ausging, dass es in Neukölln nicht klappt, habe sie bei der Verwaltung nachgefragt. Dort fängt sie am 1. Juli an.

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