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Im Zuge des Verfahrens stießen die Ermittler auf Verdächtige in den eigenen Reihen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Daten und gefälschte Identitäten: Berliner Polizist und Bezirksmitarbeiter halfen internationaler Drogenbande

Ermittler haben am Dienstag eine Bande zerschlagen, die seit Jahren Dutzende Tonnen Kokain geschmuggelt haben soll. Sie soll auch Hilfe von Berliner Amtsträgern bekommen haben.

Nicht nur ein Ex-Stasi-Offizier, auch ein Polizist und zwei Bezirksmitarbeiter machten mit beim Drogengeschäft – der Beamte wurde von Kollegen sogar gedeckt: Die am Dienstag von der Polizei zerschlagene Bande, die seit Jahren tonnenweise Kokain aus Südamerika nach Berlin schmuggelte, soll auch Hilfe von Amtsträgern bekommen haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird gegen drei Mitarbeiter von Polizei und Verwaltung wegen Bestechlichkeit und Falschbeurkundung im Amt ermittelt.

Im Zuge des Verfahrens gegen die international organisierte, von Berlin aus gesteuerte Bande stießen die Ermittler auf Verdächtige in den eigenen Reihen. Bei der am Dienstag vom Bundeskriminalamt (BKA) durchgeführten Razzia, bei der 14 Haftbefehle vollstreckt, sogar drei Männer in Madrid und Lettland festgenommen wurden, rückten Beamte auch bei einem Polizisten und zwei Mitarbeitern eines Berliner Bezirksamts an.

Drei Verdächtige sollen gegen Bezahlung Daten in verschiedenen Informationssystemen abgefragt und gefälschte Dokumente erstellt haben. Gegen den Polizisten und einen Bezirksmitarbeiter sind Haftbefehle erlassen worden. Dass die Drogenbande, die seit 2011 bei neun Schmuggelaktionen mindestens 45 Tonnen Kokain aus Südamerika nach Berlin geschafft haben soll, so lange unentdeckt blieb, lag auch an gefälschten Identitäten. Mit denen sollen sie ein Geflecht aus Firmen gegründet haben, um den Drogenschmuggel in eigener Hand und die Geldwäsche der Einnahmen abzuwickeln.

Die Ermittler stießen bei dem mutmaßlichen bestechlichen Polizisten noch auf mehr Ungereimtheiten – auch bei seinen Kollegen. Der Beamte, der die Daten an die Drogenbanden geliefert haben soll, soll in einem anderen Verfahren einen sogenannten Verwahrungsbruch begangen haben. Es handelt sich um eine Straftat, bei der Amtsträger Beweismittel wie Unterlagen oder Daten beschädigen oder zerstören.

40 Objekte durchsucht und 14 Haftbefehle vollstreckt

Drei seiner Kollegen sollen versucht haben, dem Beamten zu helfen und den Verdacht wegen Verwahrungsbruch gegen ihn zu vertuschen. Insgesamt wird gegen fünf Kollegen des Beamten ermittelt, ihnen wird Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung vorgeworfen.

In dem Drogenverfahren wird wegen bandenmäßigen Kokainhandels und wegen Geldwäsche gegen mehrere mutmaßliche Logistiker des Drogenhandels zwischen Lateinamerika und Europa, aber auch zwei mutmaßliche kolumbianische Lieferanten ermittelt. Am Dienstag wurden mehr als 40 Objekte im In- und Ausland durchsucht und 14 Haftbefehle vollstreckt. Bei acht Beschuldigten wurden Vermögen im Wert von 14,5 Millionen Euro sichergestellt.

[Mehr zur Organisierten Kriminalität bei Tagesspiegel Plus: Der Neuköllner Shisha-Bar-Streit: Drogen, Waffen, Geldwäsche – das bringen die Berliner Verbundkontrollen]

Im Visier der Ermittler stehen 28 Tatverdächtige im Alter zwischen 22 und 62 Jahren. Neben den überwiegend deutschen Tatverdächtigen sollen laut Staatsanwaltschaft Türken, Griechen, Iraker, Georgier, Ukrainer, Letten und Kolumbianer beteiligt gewesen sein.

„Hochprofessionell agierende und weitverzweigte Täterstruktur“

Auch die Ermittlungen liefen international ab. Erkenntnisse aus Frankreich, den Niederlanden, Lettland und Spanien flossen in das Verfahren ein. Zudem liefen vor der Razzia bereits 120 von Richtern genehmigte verdeckten Maßnahmen wie Telefonüberwachung und Observationen.

Ausgelöst wurde der Fall im Jahr 2018. Damals waren im Hafen von Santos in Brasilien 690 Kilogramm Kokain in einem Seeschiffscontainer gefunden worden – die Zieladresse war eine Firma in Berlin. Die Ermittler des BKA stießen dann auf eine „hochprofessionell agierende und weitverzweigte Täterstruktur“.

Spätestens seit dem Jahr 2011 soll die Bande über in Deutschland gegründete Scheinfirmen Kokain nach Deutschland geschmuggelt haben. Der Trick der Bande: Sie stellte die gesamte Logistik für den Transport selbst bereit. Mit Hilfe gefälschter Identitäten blieben die Personen dahinter unentdeckt.

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Nach dem Drogenfund in Brasilien war die Bande laut BKA zunächst abgetaucht. Die Ermittler hatten jedoch Hinweise, dass die Bande sich neue Routen und Transportwege über Kolumbien, Panama und Mexiko aufbaute, um das Kokain in Großlieferungen nach Berlin zu bringen.  

Laut BKA soll der Schmuggel höchst konspirativ über ein Geflecht von Scheinfirmen abgewickelt worden sein. Es geht auch um Betrug: Mit den Scheinfirmen soll die Bande auch Corona-Hilfsgelder abgegriffen haben. Zudem sollen über das Firmengeflecht um mehrere Jahre lang die Einnahmen aus dem Drogenhandeln gewaschen worden sein. Dabei soll auch der frühere Offizier des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und das Büro eines Kölner Versicherungskonzerns in Berlin-Kreuzberg beteiligt gewesen sein.

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