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Am 9. November 1989 war plötzlich die Grenze von Osten nach Westen offen.

© Filmverleih Weltkino

Das Wendewunder: Jella erklärt Kindern DDR, BRD und den Mauerfall

Warum war Deutschland geteilt, gab es den Westen und den Osten? Und wieso änderte sich das vor 30 Jahren? Unsere Kinderreporterin hat die Antworten gesucht.

Das ist Jella. Mit ganzem Namen heißt sie Jella Riffel. Sie ist zwölf Jahre alt und schreibt Berichte für andere Kinder. Wir beim Tagesspiegel nennen das dann den Kinderspiegel.

Unsere Kinderreporterin Jella Riffel.
Unsere Kinderreporterin Jella Riffel.

© Kai-Uwe Heinrich

Hier erklärt Jella, was der Unterschied zwischen der BRD und der DDR war und wie es zum Mauerfall kam. Sie hat auch mit vier Erwachsenen gesprochen, die die Zeit vor 1989 und auch den Mauerfall im Westen und im Osten erlebt haben. Die Interviews lest ihr weiter unten. Übrigens: Jellas Bild stammt von unserem Fotografen Kai-Uwe Heinrich. Die anderen Bilder stammen aus dem Zeichentrickfilm "Fritzi, eine Wendewundergeschichte". Darin erlebt die elfjährige Fritzi das Ende der DDR in Leipzig. Aber nun erst mal Jellas Bericht.

Wenn ihr in Berlin seid, fällt euch vielleicht auf, dass in den unterschiedlichen Bezirken verschiedene Ampelmännchen sind. Habt ihr euch schon mal gefragt, warum das so ist?

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Deutschland 1939 begonnen und 1945 verloren hat, wurde das Land von den Siegermächten in vier Besatzungszonen eingeteilt. Dazu gehörten: USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion, deren größtes Land Russland war. Amerikaner, Briten und Franzosen übernahmen den Westteil, die Sowjets den Ostteil.

Genau so wurde auch Berlin aufgeteilt. 1949 wurde aus dem Westteil die Bundesrepublik Deutschland (BRD), aus dem Ostteil die Deutsche Demokratische Republik (DDR), wobei das mit der Demokratie in der DDR so eine Sache war. Im Westteil herrschte der Kapitalismus. Im Ostteil herrschte der Kommunismus.

In der DDR konnte man nicht frei sagen, was man dachte

Die beiden Welten wurden immer unterschiedlicher, sogar die Ampelmännchen. Im Westen gab es immer mehr zu kaufen, die Kriegsschäden an Häusern und Straßen wurden nach und nach ausgebessert. Den Menschen ging es besser. In der DDR ging es den Menschen nicht ganz so gut. Viele Gebäude, die im Krieg zerstört worden waren, wurden nicht wiederaufgebaut. Es gab weniger zu kaufen, und man konnte nicht frei sagen, was man dachte.

Viele Menschen in der DDR waren unzufrieden und wollten das Land verlassen. Schließlich baute die DDR 1961 die Mauer, damit die Menschen nicht mehr in Richtung Westen fliehen konnten. Offiziell hieß die Mauer in der DDR aber „antifaschistischer Schutzwall“, denn die Menschen in der DDR sollten glauben, dass man sie vor dem Westen schützen müsse.

1989 trafen sich immer mehr Menschen zum Demonstrieren

Wer im Osten lebte, durfte nicht in den Westen reisen. Einige Menschen versuchten, über die Grenze zu fliehen, die aus zwei hohen, streng bewachten Mauern bestand. Die meisten schafften es nicht. Manche wurden erschossen oder eingesperrt. Außerdem wurden viele DDR-Bürger von der Stasi überwacht. Die Stasi hieß eigentlich Staatssicherheit und war der Geheimdienst der DDR.

1989 trafen sich immer mehr Menschen montags in den Kirchen und beteten für Freiheit in ihrem Land. Im Oktober 1989 begannen sie, aus den Kirchen auf die Straßen zu gehen und für eine DDR mit freien Menschen und offenen Grenzen zu demonstrieren. Trotz der Angst vor der Stasi schlossen sich immer mehr Menschen an. Jetzt konnten sie nicht mehr überhört werden.

Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Viele werden diesen Tag nie vergessen. Die Menschen aus dem Osten durften nun wieder in den Westen reisen. Innerhalb von kurzer Zeit wurden die Grenzanlagen eingerissen.

[Mehr zum Thema: Papa, Oma – wie war das, als die Mauer fiel? Das sind die Gewinner-Geschichten unseres Schülerwettbewerbs.]

In der Schule hatten es Kinder aus Familien schwer, denen es in der DDR nicht gefiel.
In der Schule hatten es Kinder aus Familien schwer, denen es in der DDR nicht gefiel.

© Filmverleih Weltkino

Stephan ist als Kind ausgereist

Wie war das als Kind in der DDR?
Stephan: Eigentlich ging es uns gut. Ich hatte Freunde, wir haben viel draußen gespielt, uns Steinschleudern und Ähnliches gebaut. Meine Eltern hatten einen guten Job, wir hatten sogar ein Auto, einen Lada. Im Sommer waren wir am Meer und im Winter Skifahren in Tschechien. Bei den Pioniernachmittagen sind wir ins Kino gegangen oder haben gespielt. Dass ich beeinflusst wurde, habe ich nicht mitbekommen, weil es so geschickt gemacht wurde.

Wie war es in der Schule?
Stephan: Die Klassen 1–10 gingen auf eine Schule. Manchmal gab es dort einen sogenannten Appell. Der Schuldirektor stand auf einem Podest. Alle konnten sehen, wenn man ein Lob oder einen Tadel bekommen hat. Fürs Altpapier- und Altglassammeln gab es Lob, das stand sogar auf meinem Zeugnis.

Warum wolltet ihr die DDR verlassen?
Renate (Stephans Mutter): Vor allem wegen der Kinder, sie sollten frei aufwachsen. Thomas, unser Ältester durfte kein Abi machen und nicht studieren. Wir konnten nicht sagen, was wir dachten und nicht mit den Kindern über den Ausreiseantrag reden, damit sie sich nicht in der Schule verplapperten. Davon wusste nur Thomas.

Wie lange hat es gedauert, bis ihr ausreisen durftet?
Renate: Wir mussten drei Jahre warten. Jedes halbe Jahr haben wir einen neuen Antrag gestellt.

Stephan: Wir feiern noch immer jedes Jahr den Tag, an dem wir ausreisen durften.

Die Menschen trafen sich in der Nikolaikirche in Leipzig zum Gebet.
Die Menschen trafen sich in der Nikolaikirche in Leipzig zum Gebet.

© Filmverleih Weltkino

Conni lebte in Ost-Berlin

Conni, du warst beim Mauerfall 21 Jahre alt. Wie erging es dir in der DDR?
Man konnte nicht jedes Buch lesen und nicht in jedes Land reisen. Als Christin durfte ich nicht studieren und auf kein Gymnasium gehen, weil ich nicht in der Jugendorganisation FDJ war. Man konnte nicht frei seine Meinung sagen. Der Osten erschien mir sehr grau, der Westen so schön bunt.

Hast du auch gute Erinnerungen?
Ja, zum Beispiel die Jugendfreizeiten in der Gemeinde. Und wir haben uns immer sehr über die Pakete aus dem Westen gefreut, da hat das ganze Wohnzimmer geduftet.

Wie war das 1989 bei den Friedensgebeten?
Die Stasi wollte die Menschen einschüchtern. Aber für uns war klar, montags gehen wir entweder zum Montagsgebet oder zur Demonstration. Wir haben dafür gebetet, dass alles friedlich abläuft und es kein Blutvergießen gibt.

Was hast du dir erhofft?
Bildung für jeden! Reisefreiheit. Dass man alles sagen darf, was man denkt. Ich bin ganz schön froh, dass das alles vorbei ist.

Wie war es für dich, als die Mauer fiel?
Das werde ich nie vergessen! Am Vormittag habe ich noch eine Freundin verabschiedet, die in den Westen gehen wollte. Am Abend sah ich dann die Berichte im Fernsehen an. Ich konnte das erst nicht glauben. Am 10. November habe ich mit meinen Eltern einen Ausflug zum Kudamm gemacht. Das war eine tolle Stimmung in der Stadt!

Die Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig wurden immer größer.
Die Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig wurden immer größer.

© Filmverleih Weltkino

Christoph Becker war in Leipzig

Herr Becker, wie haben Sie von den Treffen in der Nikolaikirche gehört?
Einige meiner Freunde studierten in Leipzig und gingen zu den Treffen. Da bin ich mitgegangen.

Warum haben Sie mitgemacht?
Ich wusste, dass da auch einige hingingen, die die DDR verlassen wollten. Viele durften nicht mehr arbeiten und wurden von der Stasi verfolgt. Ich wollte auch ausreisen und herauskriegen, was für Erfahrungen andere gemacht hatten.

Hatten Sie Angst?
Am Anfang nicht. Natürlich hatte ich Sorge, dass ich Schwierigkeiten bekomme und überwacht werde, dass die Stasi Fotos macht und sie weitergibt. Später, als immer mehr Leute zu den Treffen kamen, fingen sie auch an, Leute festzunehmen.

Was haben Sie am 9. November 1989 gemacht.
Da habe ich gehört, dass in der Ausweisstelle Ausreisegenehmigungen erteilt wurden. Ich bin hingerannt und habe tatsächlich eine bekommen.

Was haben Sie da gefühlt?
Ich war überglücklich! Ich bin gleich am nächsten Tag zum Bahnhof gegangen. Der Zug war brechend voll, viele haben geweint vor Freude. Alle waren unglaublich freundlich, als wir im Westen ankamen. Ich bin zu Verwandten ins Ruhrgebiet gefahren. Jeder wollte wissen, wie es mir geht, und wollte mir helfen.

Haben sich Ihre Hoffnungen an den Westen erfüllt?
Auf jeden Fall. Ich war 21 und konnte in Freiheit weiterstudieren, reisen wohin ich wollte. Ich habe den Beruf, den ich mir ausgesucht habe. Ich bin sehr froh über den Fall der Mauer.

Die Grenze umgab nicht nur West-Berlin, sondern trennte die DDR von der BRD.
Die Grenze umgab nicht nur West-Berlin, sondern trennte die DDR von der BRD.

© Filmverleih Weltkino

Dieter Stulpe war West-Berliner

Opa, du warst 21 Jahre alt, als die Mauer 1961 gebaut wurde. Was hat sich dadurch verändert?
Unsere Familie war auseinandergerissen! Es wurde nicht nur eine Mauer gebaut, da war auch Stacheldraht, der ging quer durch die Gärten durch, es wurden ganze Häuser abgerissen.

Wie habt ihr Kontakt gehalten?
Miteinander zu sprechen, war unheimlich schwer. Es gab nicht viele Telefone im Ostteil. Und wenn wir telefonieren wollten, galt das im Osten als Auslandsgespräch, auch wenn man nur 400 Meter auseinander wohnte. Manchmal haben wir uns per Brief an der Grenze verabredet. Wenn man Glück hatte, hat man sich an der Grenze über den Stacheldraht hinweg sehen können und hat sich zugewunken. Das war aber eigentlich nicht erlaubt.

Wie war das später?
Wir West-Berliner durften in die DDR fahren und unsere Freunde und Verwandten besuchen. Wir mussten immer 25 D-Mark pro Person umtauschen. Vieles, das wir hier im Westen hatten, gab es in der DDR nicht, oder es war nur sehr schwer zu bekommen. Wir haben viele Dinge entweder im Paket zu unseren Verwandten geschickt oder sie beim Besuch mitgebracht. An der Grenze wurden wir ganz genau kontrolliert. Das war oft sehr unangenehm und dauerte lange.

Wie war das, wenn ihr in den Urlaub gefahren seid?
Da mussten wir auf der Transitstrecke durch die DDR fahren. Wir mussten die Ausweise an den Grenzen abgeben, sie wurden kontrolliert, dann bekamen wir sie wieder. Wir hatten immer Angst, dass wir in der DDR eine Autopanne haben.

Jella Riffel

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