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Berlin: Das Reisetagebuch des Regierenden (3)

Klaus Wowereit besucht Mexiko. Wir schreiben das auf – täglich. Heute: Talkshow mit Clown

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein kräftiger Kerl mit grüner Haarperücke und roter Nase umarmt Klaus Wowereit. Victor Trujillo, kurz „Broze“ genannt, macht im Privatsender „Televisa“ eine Talkshow zum Frühstück, die sich zehn Millionen Mexikaner regelmäßig ansehen. „Nachrichten sind so traurig“, sagt er. „Ich mache Tagesschau als Clown.“ Der Frau des deutschen Botschafters standen die Haare zu Berge, als sie erfuhr, dass der Regierende Bürgermeister am Montag in der Sendung auftreten will. „Broze“ spricht deutsch, er hat ein paar Jahre in Stuttgart gelebt. „Klaus, willkommen“, sagt er. „Erklär’ uns doch mal, was Ostalgie ist.“ Der Gast muss viel erklären. „Ihr habt Schwierigkeiten mit dem Geld, habe ich gehört.“ „Und die Kultur, wie steht es damit, Klaus?“

Wowereit erzählt von der Love Parade und vom Christopher Street Day und dass Berlin für die jungen Leute wirklich schön sei. Über das Drogenproblem in Berlin soll der Regierende noch berichten, und er liefert das Bekenntnis ab, „dass ich persönlich gegen die Freigabe von Haschisch bin“. Das muss „der Klaus“ jetzt nur noch den Koalitionsfraktionen SPD und PDS zu Hause erklären, die die Sendung möglicherweise nicht gesehen haben, aber Cannabis unbedingt legalisieren wollen.

„Bist du unzerstörbar, so als Bürgermeister, Klaus?“, fragt Broze auf einmal. Der stutzt einen Moment, hält sich dann aber doch für (fast) unzerstörbar. „Was, bist du besoffen, Klaus?“ ruft der Moderator und fällt dann noch über den Bürgermeister von Mexiko City her. „Der ist verrückt, findest du nicht auch?“ Aber da nimmt Wowereit den Kollegen Andrés Manuel López Obrador in Schutz. Zwei Stunden später will er sich mit ihm treffen.

Dann ist Halbzeit in der turbulenten Show – gleich nach dem Regierenden Bürgermeister kommt die Nobelpreisträgerin aus Guatemala, Rigoberta Menchu, an die Reihe. Wowereit umarmt die kleine, runde Indiofrau im Studio und plaudert mit ihr. Im nächsten Jahr kommt sie nach Berlin, um ihr neues Kinderbuch vorzustellen.

Danach geht es weiter zum Rathaus, einen barocken Prachtbau am Zócalo, dem zentralen Platz in Mexiko-Stadt: Besuch beim Bürgermeister. Obrador ist etwa so alt wie Wowereit, ein kleiner drahtiger Mann, der stolz darauf ist, niemals ins Ausland zu verreisen. Aber bei der nächsten Wahl in Mexiko will er Staatspräsident werden. Mit guten Chancen. Er ist ein populärer Mann mit eigenwilligen Gewohnheiten. Manchmal setzt Obrador Pressekonferenzen um sechs Uhr früh an und er bastelt mächtig an Sparpaketen, um Geld für die Beseitigung der Armut frei zu schaufeln.

Wowereit hat ihn nach Berlin eingeladen und für Siemens geworben, denn für den Ausbau der U-Bahn in Mexiko City werden interessante Aufträge ausgeschrieben. Zwei Dutzend einheimische Journalisten warten nach dem Treffen der Bürgermeister auf den Gast aus Berlin. Die Pressekonferenz zieht sich in die Länge. Warum sind die einheimischen Medien auf den Regierenden so scharf? „Wowereit geht hier einfach gut“, meint ein Botschaftsmitarbeiter.

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