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Blick auf den Eingang zum Kriminalgericht Moabit.

© picture alliance / Annette Riedl

Das Leben als IS-Braut: War Zeynep G. so naiv, wie sie vor Gericht vorgibt?

Die Angeklagte Zeynep G. sagt im Terrorprozess am Berliner Kammergericht aus. Sie schloss sich einem IS-Kämpfer an – aus Liebe, wie sie sagt.

Von Fatina Keilani

In der Zeit ihres Irrtums trug sie Vollverschleierung. An diesem Mittwoch jedoch sitzt die Angeklagte Zeynep G. mit offenen Haaren, in einem engen roten Pullover mit etwas Ausschnitt und engen schwarzen Hosen vor Richter Detlev Schmidt, dem Vorsitzenden des sechsten Strafsenats am Kammergericht. Sie will aussagen und hat darum gebeten, den Glaskäfig verlassen zu dürfen, in den besonders gefährliche Angeklagte gesetzt werden. Wie gefährlich ist und war diese Frau? Ihr Auftreten vor Gericht lässt sich kaum zur Deckung bringen mit dem, was ihr vorgeworfen wird.

Es ist eine Staatsschutzsache, die Anklage lautet auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Kriegsverbrechen und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ankläger ist der zuständige Mann beim Generalbundesanwalt, erkennbar an der bordeauxroten Robe. 22 Verhandlungstage sind bis Ende Januar terminiert, immer Dienstag und Mittwoch um 9.30 Uhr.

Die Angeklagte, geboren 1986, soll seit mindestens 2014 Unterstützerin der Terrororganisation „Islamischer Staat“ gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, Ende September/Anfang Oktober 2014 von Berlin aus nach Syrien gereist zu sein, um sich dem IS anzuschließen.

Sie habe in Syrien zunächst einen tschetschenischen IS-Kämpfer geheiratet und den gemeinsamen Haushalt geführt. Nach dem Tod des Mannes habe sie einen weiteren IS-Kämpfer geheiratet und diesen bei seinen Tätigkeiten unterstützt. Für ihre Rolle als Hausfrau und später auch Mutter sei sie gemeinsam mit ihrem Ehemann vom IS alimentiert worden.

Als sie am 21. Mai 2020 nach Deutschland einreisen wollte, wurde sie verhaftet und aufgrund eines Haftbefehls des Bundesgerichtshofs am Flughafen Frankfurt/Main festgenommen. Seither ist sie in Untersuchungshaft.

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Bei ihrer Vernehmung bestätigte sie viele der genannten Tatsachen, und doch klingt die Geschichte ganz anders. Ja, den Z. habe sie über ein Datingportal im Internet gefunden, sie habe nach einer Beziehung gesucht. Er sei sehr attraktiv gewesen und habe sie mit Charme und Romantik für sich gewonnen. „Das klingt so lächerlich, wenn ich es heute erzähle“, sagt sie vor Gericht. Zudem habe er wie ein guter Mensch gewirkt. Er wolle in Syrien helfen, sich dort um Kinder und Bedürftige kümmern. Als Teilhaber einer kleinen Baufirma in Deutschland habe er genügend Geld und könne nicht zusehen, wie andere leiden. Was danach kam, habe sie nicht geahnt.

In salafistische Kreise war sie zuvor schon geraten, in Berlin. Ihr Vater hatte die Mutter im Jahr 2001 mit drei Kindern sitzen lassen, da war Zeynep G. 15 Jahre alt. „Unser Vater hat uns einfach weggeschmissen, das hat sehr wehgetan“, schilderte sie, immer noch schmerzerfüllt.

Die Salafistenszene bot Zuflucht

Die Mutter sei ihr „Fels in der Brandung“ gewesen, habe sich gekümmert. Nach der Scheidung habe die Mutter das Kopftuch abgelegt, sich emanzipiert, sich weitergebildet, ein eigenes Leben geführt. Als die Tochter plötzlich in islamistische Kreise geriet, sei die Mutter wütend gewesen, sie habe das nicht akzeptiert.

Die Frauen aus der Salafistenszene boten Trost und Zuflucht. Und sie boten den „wahren“ Islam. Zeynep G. trug Kopftuch, verhüllte sich dann ganz. Betört von Z. reist sie nach Syrien. Dort ist alles ganz anders. Er kontrolliert sie lückenlos, schlägt sie.

Als er stirbt, kommt sie in eine Art Frauenhaus des IS, wird an den Nächsten verheiratet, der noch brutaler ist. Er schlägt sie grün und blau, misshandelt sie, sie verliert ein Baby. Sie sei unglaublich naiv gewesen, sagt G. mit ihrer hellen, mädchenhaften Stimme, während sie ein Martyrium schildert.

Das Gericht versucht zu ergründen, wie viel davon stimmt. Tatsächlich sind laut Verfassungsschutz bis März dieses Jahres über 1000 Männer und Frauen nach Syrien und in den Irak ausgereist, um den IS zu unterstützen. Rückkehrerinnen stehen in ganz Deutschland in ähnlichen Verfahren vor Gericht. Wie naiv und passiv sie wirklich waren, muss sich zeigen.

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