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Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Humboldt-Forum. Sie beschwört die "interkulturelle Verständigung“ im Geiste der Humboldt-Brüder.

© Tobias Schwarz/AFP

Das Humboldt-Forum eröffnet: Von wegen Entideologisierung!

Alles war und ist strittig: das Haus, das Kreuz, die Nutzung, die Kunst: Das Schloss in Berlins Mitte öffnet digital - die Debatten gehen weiter. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Wie hältst du es mit dem Schloss?, laute seit über zehn Jahren die leidenschaftlich diskutierte Gretchenfrage So es der SPD-Abgeordnete Eckhard Barthel im Parlament. Das war 2002, vor dem Bundestagsbeschluss zum Wiederaufbau. Man diskutierte über die kulturelle Identität der Republik, über die Unterbringung der Ethnologischen Sammlungen als begrüßenswerten „Dialog der Kulturen“ und über die Architektur.

Der FDP-Politiker Günter Rexrodt traute keinem zeitgenössischen Architekten einen anständigen Entwurf zu. Und der damalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin freute sich über die Entideologisierung des Schlosses – welch ein Irrtum.

Wie hältst du es mit dem Schloss? Damit ist noch lange nicht Schluss, auch nicht bei der jetzigen digitalen Teil-Eröffnung des Humboldt-Forums. Es ist eine Projektionsfläche geblieben, eine Art Vakuum im Herzen der Nation, das neuralgische Fragen und Kontroversen geradezu ansaugt. Das Ergebnis ist ein Debatten-Marathon, lauter heftige, auch erbitterte Auseinandersetzungen.

Über die Nutzung – nein, es ziehen keine Hotels ein, auch nicht die komplette Landesbibliothek, das war alles mal im Gespräch. Über den Träger – nein, nicht die mächtige Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sondern Neil MacGregor wurde aus Großbritannien hinzugezogen und eine eigene Stiftung gegründet. Über den Palast der Republik, der weichen musste, über Fake-Architektur und die Wiederherstellung von Schinkels Vision. Über das Kreuz auf der Kuppel, über Religion und Toleranz und die unselige historische Inschrift, dass sich im Namen Jesu alle Knie beugen sollen. Und zuletzt über Raubkunst und Kolonialismus.

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Ein Königsschloss mit geklauten Sachen drin, der Satz hat es sogar in Jan Böhmermanns ZDF-Satiresendung geschafft. Nigeria verlangt jetzt die Benin-Bronzen zurück, mit einem offiziellen Schreiben ans Kanzleramt. Aus dem Humboldt Forum wird dagegen mantraartig Weltoffenheit und größtmögliche Transparenz angekündigt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters beschwört zur Eröffnung die „interkulturelle Verständigung“ im Geiste der Humboldt-Brüder, die dem Fremden mit eigenen Augen begegneten. Irgendwann 2021 kann das Publikum den Bronzen mit eigenen Augen begegnen – und die Raubkunstdebatte geht in die nächste Runde.

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