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Innerhalb der Berliner Regierungskoalition wächst die Kritik am Mietendeckel.

© Wolfgang Kumm/dpa

„Dann fliegt uns der Topf um die Ohren“: Experten bei SPD und Grünen warnen vor Mietendeckel

In der rot-rot-grünen Koalition von Berlin wachsen die Zweifel an der Begrenzung von Mieten. Immer mehr Fachleute sprechen sich dagegen aus.

In der Berliner Koalition wächst die Kritik am vom Senat geplanten Mietendeckel. Der Vorsitzende des Fachausschusses Soziale Stadt der Berliner SPD Volker Härtig sprach von „Eckpunkten, deren Folgen die Verfasser nicht hinreichend abgewogen haben“. Die Regierungsfraktionen „überbieten sich wechselseitig mit Forderungen, um bei den Wählern zu punkten.“ Würde dieser Deckel tatsächlich auf die Mieten gesetzt, „dann fliegt uns der Topf um die Ohren.“ Der Mietendeckel erfordere aber größte Sorgfalt.

Leidtragende wären insbesondere städtischen Wohnungsunternehmen und die Genossenschaften. Die Landeseigenen rechneten fest mit moderat steigenden Mieten und seien auf diese Erlöse angewiesen, um den vom Senat geforderten Bau bezahlbarer Mietwohnungen finanzieren zu können und auch zur Ausübung des kommunalen „Vorkaufsrechts“. Zuletzt gingen so 500 Wohnungen in der Friedrichstraße in städtisches Eigentum über.

"Neubau bezahlbarer Mietwohnungen wird erschwert"

„Das alles funktioniert heute schon nur deshalb, weil die städtischen Gesellschaften Überschüsse aus ihren Wohnungsbeständen einsetzen, um diese an sich defizitären Projekte quer zu subventionieren“, sagt Härtig. Treibt der Mietendeckel die Firmen also erneut an den Rand der Insolvenz, so wie schon einmal vor zwei Jahrzehnten als der damalige Finanzsenator deren Überschuldung feststellte? „Die sechs Unternehmen würden jedenfalls geschwächt und der Neubau bezahlbarer Mietwohnungen erschwert.“

Und noch eine Gefahr sieht der SPD-Wohnungsexperte durch die Einführung des Mietendeckels: „Die energetische Modernisierung und Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit in Bestandswohnungen werden erschwert“. Bei einer maximalen Umlage von 50 Cent und einem zugleich „monströsen bürokratischem Aufwand“ für die Genehmigung der Maßnahmen. „Das wird sich keiner mehr antun“. Besser sei es, die Modernisierungsumlage gleich ganz auszusetzen. Das sei auch Beschlusslage der SPD. Bei einer drastischen Beschränkung von Modernisierungen bestehe „ein Konflikt zwischen Mieter- und Klimaschutz“.

Härtig kritisiert ferner, dass keine Regulierung von Möblierungszuschlägen vorgesehen sei. Auch eine radikalere Erschwernis für Eigenbedarfskündigungen sei nicht geprüft worden.

Vielzahl von Hausprojekten gefährdet

Der Sprecher der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen und Chef der Gesobau Jörg Franzen hatte bereits vor Monaten gewarnt, dass „wir nicht ewig so weitermachen können“ mit dem Bau von Wohnungen zu politisch festgelegten Mieten – ohne Subventionen und sei es durch Einbringung kostenloser Grundstücke vom Land sei das Zuschussgeschäft nicht langfristig zu tragen. Berlins größter Wohnungsverband BBU warnte ebenfalls, dass „gemeinwohlorientierte wie die landeseigenen Wohnungsunternehmen auf moderate Mietanpassungen angewiesen sind, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können“.

Auch der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) warnt: „Der Mietendeckel würde eine Vielzahl von Hausprojekten gefährden, die sich vor dem Markt retten wollen, indem sie ihre Immobilie erwerben.“ Oft gründen deren Bewohner eine Genossenschaft oder ähnliche gemeinschaftliche Eigentumsform, deren Mitglieder dann Mieten bezahlen. Schrittweise erfolge dann eine Sanierung dieser Altbauten, das Geld dafür bringe die Gemeinschaft über die Mieten auf. „Die Bewohner akzeptieren das, weil es ja ihr gemeinschaftliches Eigentum ist.“ Auch diese Vorhaben würden scheitern durch die Einführung einer fest gedeckelten Miete.

Letztes Mittel: Aufteilung von Miethäusern in Eigentumswohnnungen

Und noch eine Gefahr sieht der Baustadtrat, der als Erster das Vorkaufsrecht in Berlin anwandte und gemeinwohlorientierte Vermieter zur Vorherrschaft am Markt verhelfen will: „Die Aufteilung von Miethäuser in Eigentumswohnungen und deren Verkauf wird zum letzten Mittel, um schnell Geld zu machen am Markt.“ Deshalb bestehe die Gefahr, dass viele private Wohnungsunternehmen auf dieses Geschäftsmodell umschwenken. „Aufgeteilte Häuser sind für immer für den Mietmarkt verloren.“ Auch das Vorkaufsrecht lasse sich in solchen Fällen nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand ausüben.

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