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Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), Andrea Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung der Vivantes Kliniken und Günther Jonitz, Chef der Ärztekammer, bei der Eröffnung.

© Hannes Heine

Covid-19-Notklinik an der Messe einsatzbereit: „Hoffentlich kommen keine Patienten“

Das Corona-Behandlungszentrum in Messehalle 26 ist eröffnet. Der Berliner Senat hofft, dass es nicht gebraucht wird.

Der Boden akkurat ausgelegt, die fast 500 Betten und dazugehörigen Zwischenwände stabil, die Beatmungsgeräte hochwertig – nach nicht mal sechs Wochen Aufbauzeit ist aus Messehalle 26 eine Klinik geworden. Das Covid-19-Reservekrankenhaus, von dem Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) im März noch vage sprach, ist einsatzbereit. Sicher, es fehlt an Patienten.

Am besten wäre sogar, die Notklinik würde gar nicht genutzt, da sind sich die Senatorin, Vivantes-Chefin Andrea Grebe und Ärztekammerpräsident Günther Jonitz einig. Die drei führten am Montag durch die Gänge, also die Flure der Ad-hoc-Klinik, die sich nun durch die Halle ziehen.

Vivantes-Vorstandsvorsitzende Grebe ist dabei, weil die landeseigene Klinikkette das Reservehaus betreibt. Derzeit suchen die Vivantes-Leute noch Pflegekräfte, die sich für einen möglichen Einsatz auf dem Messegelände registrieren lassen wollen.

Senatschef Müller: Berlin ist mit der Covid-19-Notklinik ein Vorbild

An Medizinern werde es nicht mangeln, das hatte Berlins oberster Arzt, der frühere Chirurg Jonitz, deutlich gemacht. Auch wenn im Fall einer besonders massiven zweiten Infektionswelle also Pflegekräfte fehlten, könnten in der Covid-19-Notklinik schon jetzt Patienten behandelt werden.

Berlin ist mit diesem Behandlungszentrum Vorbild“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). „Das war ein beispielloser Kraftakt.“ Obwohl die Hauptstadt mit der Reserveklinik „gut aufgestellt“ sei, hoffe er, das Zentrum müsse gar nicht genutzt werden.

Reserve für den Ernstfall. Gegenwärtig werden die 500 fertigen Betten für Covid-19-Patienten in der Messehalle 26 nicht gebraucht.
Reserve für den Ernstfall. Gegenwärtig werden die 500 fertigen Betten für Covid-19-Patienten in der Messehalle 26 nicht gebraucht.

© Kay Nietfeld/dpa

In den nächsten Wochen bleiben die Reservebetten auf der Messe wohl tatsächlich erst einmal leer. Berlins reguläre Krankenhäuser haben ausreichend Platz - 40 Prozent der Betten sind frei, also circa 8000 stationäre Plätze.

Ex-Feuerleiter Broemme und Vivantes-Chefin Grebe - gut vernetzte Profis

Dass das „Corona-Behandlungszentrum an der Jafféstraße“, so der vom Senat gewünschte Term, eröffnen konnte, hat die Stadt gut vernetzten Profis zu verdanken: Der frühere Präsident des Technischen Hilfswerks und Berlins Ex-Feuerwehrchef, Albrecht Broemme, leitete den Umbau. Er kannte die nötigen Funktionäre – im Bauamt, in den Kliniken und Betrieben. Weil pandemiebedingt Messen, Konzerte und Theater absehbar nicht erlaubt sind, waren allerlei Handwerker verfügbar.

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So schufen Bühnentechniker, Tischler, Elektriker zusammen mit Bundeswehrsoldaten und Vivantes-Experten eine Klinik, die viel mehr ist als ein Lazarett. Und das in einer Stadt, die ihren schon 2012 fertig geglaubten Flughafen seit Jahren nicht zu eröffnen in der Lage ist.

Senatorin Kalayci hat mit Broemme zum Beginn der Pandemie auf den richtigen Mann gesetzt – und auch die richtige Frau in der Stadt gehabt: Vivantes-Chefin Andrea Grebe, die sich oft genug mit Rot-Rot-Grün hatte streiten müssen, bleibt eigens für die Coronakrise freiwillig länger im Amt als geplant.

Gibt Auskunft - Senatorin Dilek Kalayci (SPD) spricht gern über die Covid-19-Notklinik.
Gibt Auskunft - Senatorin Dilek Kalayci (SPD) spricht gern über die Covid-19-Notklinik.

© Hannes Heine

Zu den zunächst fast 500 Betten sollen in den nächsten Wochen 300 weitere Plätze eingerichtet werden. Berlin wäre dann wohl eine der Großstädte, die am besten auf die Pandemie vorbereitet sind. Insgesamt werden dann wohl acht Kilometer Sauerstoffleitungen verbaut worden sein, CT-Geräte sind genauso da wie mehr als 100 Beatmungsmaschinen – nur schwere Fälle werden sie benötigen. Nach der zweiten Ausbauphase wird das Projekt wohl mehr als 90 Millionen Euro gekostet haben.

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Selbst die Opposition hält sich mit Kritik zurück. Florian Kluckert, Gesundheitsexperte der FDP-Fraktion, sagte: „Nun müssen auch rasch die anderen Krankenhäuser wieder anfangen, in den Versorgungsbetrieb überzugehen, um die aufgeschobenen Operationen nachholen zu können.“ Der Erfolg an der Messe dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Berlins Gesundheitswesen unter dem Spardruck des Senats gelitten habe.

Die Berliner Krankenhauslandschaft hatte kürzlich angegeben, dass in den fast 60 Kliniken der Stadt 2,1 Milliarden Euro nötig wären, um Bauten und Technik zu modernisieren. Allerdings weiß Kalayci, dass der Senat auch dann nicht für die Extraausgaben auf der Messe kritisiert wird, wenn die Betten dort leer bleiben sollten.

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