zum Hauptinhalt
Kunden an einem Geschäft in der Schlossstraße in Berlin-Steglitz

© dpa/Christoph Soeder

Update

Corona-Beschlüsse des Senats: Dem Virus ist es egal, wer der Schnellste unter den Lahmen ist

Keine Notbremse, dafür endlich Maßnahmen für Büros. Berlins Weg der Pandemiebekämpfung birgt Hoffnung – und wird dennoch nicht reichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anke Myrrhe

Die Botschaft ist klar: Eine Notbremse zu ziehen, nur um eine Notbremse zu ziehen, könne ja nun wirklich nicht Sinn einer Notbremse sein. Ein Regierender Bürgermeister, der mit Bedacht handelt, der es einfach besser weiß: So einen wünscht man sich in einer Pandemie. Und als solcher würde sich Michael Müller (SPD) nach den Senatsbeschlüssen vom Samstagabend gern verstanden wissen.

Die Notbremse wird also nicht gezogen: Die Geschäfte bleiben ebenso geöffnet wie Kosmetiksalons und Tattoostudios. Was die Ministerpräsident:innen am 3. März als wichtigste Bedingung für Öffnungen beschlossen hatten, wird damit nicht umgesetzt – obwohl Berlin seit fast einer Woche eine Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 hat. „Das war so nicht gedacht“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend in der ARD-Sendung „Anne Will“

Dennoch inszeniert sich der Regierende als größter Bremser der Republik. Zwar hat er damit nicht mal Unrecht, doch dem Virus ist es ziemlich egal, wer unter seinen lahmen Verfolgern der Schnellste ist.

Die Zeit rennt davon, die Widersprüche bleiben

Berlin geht einen anderen Weg. Einen viel schwierigeren, wie die Senatsvertreter:innen in reichlich Wortwindungen bei ihrer Pressekonferenz am Samstagabend betonten. „Ein Schritt nach vorn“ sei das Beschlossene, sagte Müller. Und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne): Jetzt einfach machen, „was die MPK vor etlichen Monaten mal beschlossen hat“, sei nicht unbedingt der richtige Weg.

Drei Wochen, nicht etliche Monate, will man ihr zurufen. Dass die Zahlen damals schon stiegen und dass Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten das Wichtigste ist. War es nicht Müller, der nach dem Osterruhebeschluss von einem Paradigmenwechsel sprach und davon, dass man diese Tage brauche, um Zeit zu gewinnen? Nun rennt die Zeit davon, die Widersprüche bleiben. Es ist schließlich in Mode, Fehler zu benennen und zu korrigieren. Nur dass kaum noch jemand genau weiß, was Fehler ist und was Korrektur.

Warum also nicht auf dieser Welle weiterreiten? Im Sturm der öffentlichen Kritik könne man schließlich „nicht jede Böe auffangen“, so hieß es aus Müllers Umfeld. Ganz falsch ist das alles nicht, ja vielleicht sogar ein bisschen richtig, wenn man bedenkt, dass Berlin ab Mittwoch das einzige Bundesland mit wirklichen Regeln für Büros ist. .

Berlin beschließt Homeoffice im Wechselmodell

Verpflichtendes Homeoffice im Wechselmodell wie in der Schule (hoffentlich gibt’s da bald eine App für die Koordination der Familientermine), und vor allem eine – Achtung neue Wortkreation – Testangebotspflicht. Arbeitgeberinnen müssen ihren Mitarbeitern zwei Tests in der Woche zur Verfügung stellen. Angesichts einer Präsenzarbeitsquote, die in Berlin mit den bisherigen Appellen nur von 70 Prozent auf 67 Prozent gesunken ist, ein überfälliger Schritt, der vor allem Müller wichtig war. Auch um die Schulen nach den Osterferien wieder öffnen zu können.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bloß nicht wieder dieses Hin und Her. Das ist auch die Begründung dafür, dass der Einzelhandel nicht notgebremst wird. Dabei weiß hier selbst die zuständige Senatorin nicht mehr, wie das neue Modell heißt: Nach „Click and Collect“ und „Click and Meet“ gelte jetzt „Test and Click“, verlas Pop, äh: „Test and Meet“. Oder wie Mekel es nennt: Testen und Bummeln.

Heißt: Zum Shoppen braucht es nun keinen Termin mehr, dafür aber ein negatives Testergebnis. Das gilt übrigens auch für Frisöre, die das erst nicht einfordern mussten, dann dachten, dass sie es müssten (Falschaussage Pop), dann doch nicht (Sorry!), jetzt aber doch. Bloß kein Hin und Her.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will eine andere Art der Notbremse.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will eine andere Art der Notbremse.

© imago images/photothek

[Mehr über Michael Müllers Strategie im Kampf gegen die Pandemie können Abonnenten von Z+ hier lesen: Der Verwirrspieler – Michael Müllers riskante Abkehr von der Notbremse]

Und dennoch gibt es Hoffnung, dass die Maßnahmen im wahrsten Sinne positive Effekte haben könnten. Einkaufszentren müssen zum Beispiel Testmöglichkeiten anbieten, der Kaufanreiz wird zum Testanreiz. Pandemiebekämpfung mit der kapitalistischen Keule – Hauptsache, es hilft.

Ein bisschen, vielleicht. Bei einer Pandemie außer Kontrolle wird das aber nicht reichen. „Ich kann nicht ausschließen, dass der Lockdown in den nächsten Wochen gezogen werden muss“, sagte Müller. „Es kann eine Extremsituation entstehen, wo so etwas nötig sein wird.“ Er weiß selbst: Die Extremsituation liegt hinter der nächste Böe. Und es hilft sicher nicht, wenn man sie einfach anders nennt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false