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Ob sich der Ausfall der Mitarbeiter auf den betrieb auswirkt, ist zunächst unklar.

© Ralf Hirschberger/dpa

Corona-Ausbruch nahe Berlin: Mehr als 100 Mitarbeiter eines Postverteilzentrums in Quarantäne

In einer Nachtschicht steckte eine infizierte Person vier Kollegen an, doch bislang gab es nur wenige weitere Tests. Jetzt greift die Amtsärztin in Stahnsdorf durch.

Nach dem Corona-Ausbruch im Briefzentrum mit fünf Infizierten hat sich das mittelmärkische Gesundheitsamt am Montagabend zu einer drastischen Maßnahme durchgerungen: Für mehr als 100 Mitarbeiter wurde jetzt - zunächst mündlich - die häusliche Quarantäne angeordnet. Der Grund: Die Amtsärztin konnte am Montagabend nicht mehr ausschließen, dass es sich bei den betroffenen Mitarbeitern des Postverteilzentrums in Stahnsdorf tatsächlich wie zuvor angenommen um Kontaktpersonen der Kategorie II handelt. "Die Kontaktdichte ist zu hoch", so Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert.

Dem Vernehmen nach soll es im Krisenstab des Kreises mittlerweile Zweifel daran geben, ob die Hygiene- und vor allem Abstandsregeln in dem Zentrum der Deutschen Post im Stahnsdorfer Gewerbegebiet tatsächlich wie vorgeschrieben eingehalten werden. Unklar ist demnach, wie nah sich Mitarbeiter in ihren Pausen kommen oder bei einem Gespräch vor oder nach Schichtbeginn. "Daher sind die Mitarbeiter, die zuvor als Kontaktpersonen der Kategorie II galten, jetzt als Kontaktpersonen der Kategorie I eingestuft." 

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Während Kontaktpersonen der zweiten Kategorie laut dem Robert-Koch-Institut ein geringeres Infektionsrisiko haben, weil sie sich zwar im selben Raum wie ein bestätigter Covid-19-Fall aufhielten, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichtskontakt mit ihm hatten, sieht das für Kontaktpersonen der ersten Kategorie anders aus.

Aufgrund der Nähe zum Infizierten, zum Beispiel durch ein kumulativ mindestens 15-minütiges Gespräch oder das Leben in einer Hausgemeinschaft, gilt für sie ein höheres Risiko am Coronavirus zu erkranken. Sie müssen in häusliche Quarantäne und werden engmaschig von den Behörden zu ihrem Gesundheitszustand befragt.

Die jetzt in Stahnsdorf angeordnete Quarantäne gilt nach Informationen des Krisenstabs für die betroffene Nachtschicht, in der wie berichtet eine infizierte Person am Wochenende weitere vier Mitarbeiter angesteckt hat.  

Ursache weiterhin unklar

Wie es zu dem Ausbruch kommen konnte, ist weiterhin unklar. „Das Unternehmen steht jetzt im Fokus und wir sind dabei das herauszufinden“, sagte am Montag Kai-Uwe Schwinzert, Sprecher des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Am Samstag wurde bekannt, dass sich zunächst vier Menschen in dem Briefzentrum mit dem Coronavirus infiziert hatten. Einen Tag später wurde eine fünfte infizierte Person gemeldet.

Zwei der Infizierten stammten aus Potsdam-Mittelmark, eine aus Potsdam, eine aus Berlin und eine aus dem Kreis Teltow-Fläming.

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Als Reaktion hatte die Deutsche Post den Mitarbeitern angeboten, sich testen zu lassen. Das sei, so Schwinzert, erstmals in der Nachtschicht von Sonntag auf Montag möglich gewesen und werde nun fortgeführt. Von den rund 100 Mitarbeitern, die dort pro Schicht arbeiten, hätten in der Nacht zu Montag allerdings nur etwa 50 bis 60 Menschen dieses Angebot wahrgenommen. Warum die Zahl relativ gering ist, sei unklar. „Es kann sein, dass das arbeitsrechtliche Gründe hat“, sagte Schwinzert.

Der Landkreis habe darauf keinen Einfluss, da das Unternehmen selbst die Tests durchführt. Erst in einem zweiten Schritt könnten Abstriche behördlich angeordnet werden. Mit den Testergebnissen rechne man Ende der Woche. Die Betriebsärztin sei mit dem Gesundheitsamt im Austausch.

Geht der Betrieb weiter?

Wie die Sprecherin der Deutschen Post, Anke Blenn, am Montagmittag auf Nachfrage mitteilte, hätten sich als Folge „einige wenige Mitarbeiter“ des Briefzentrums entsprechend der geltenden Regeln bereits in Quarantäne begeben. Ob der Ausfall von mehr als 100 Mitarbeitern sich auf den Betrieb auswirkt, war am späten Montagabend nicht mehr zu erfahren.

Am Mittag sagte Blenn noch, dass der Betrieb „ohne Einschränkungen“ weitergehe. Eine reibungslose Versorgung der Menschen in der Region sei sichergestellt. Auch ein Ansteckungsrisiko durch Gegenstände und Postsendungen bestehe „nach bisherigen Erkenntnissen“ nicht, so die Sprecherin.

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„Wir arbeiten derzeit eng mit dem zuständigen Gesundheitsamt zusammen, um mögliche Infektionsketten nachzuvollziehen und zu unterbrechen“, so Blenn. Abschließende Erkenntnisse, in welchem Umfang sich Mitarbeiter im privaten oder beruflichen Umfeld infiziert haben, gebe es nicht. Weitere Details will die Deutsche Post dazu nicht nennen – aus Rücksicht auf die Privatsphäre der Mitarbeiter, wie Sprecherin Blenn mitteilte.

Sie sagte, dass man bereits in den vergangenen Wochen Schutzmaßnahmen umgesetzt habe. Dazu zählten neben der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes, der vom Unternehmen zur Verfügung gestellt werde, auch zusätzliche Reinigungen. Zudem sei der Betrieb so strukturiert, dass sich nur wenige Mitarbeiter begegnen würden. Wie es dennoch zu dem Corona-Ausbruch kommen konnte, ließ die Sprecherin allerdings unbeantwortet.

Zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen

In dem 1996 in Betrieb genommenen Briefzentrum arbeiten etwa 340 Angestellte. Sie bearbeiten ausschließlich Briefe und Postkarten. „Päckchen und Pakete werden in Stahnsdorf nicht bearbeitet. Dies erfolgt in einem der beiden Paketzentren in Börnicke beziehungsweise Rüdersdorf.“

Das Briefzentrum Stahnsdorf ist für eine tägliche Bearbeitungskapazität von maximal drei Millionen Briefsendungen ausgelegt und bearbeitet Post, die aus den Orten des Postleitzahlenbereichs 14 abgeschickt wird oder für Empfänger in diesem Bereich bestimmt ist.

Dazu zählt das südwestliche Brandenburg zwischen Rhinow und Jüterbog bis zur Grenze zu Sachsen-Anhalt sowie die südwestlichen Stadtteile von Berlin. Die maximale Auslastung werde jedoch nur in Spitzenzeiten wie vor Weihnachten erreicht. Auch während der Coronakrise sei die Zahl der bearbeiteten Briefe nicht angestiegen.

Neben dem Briefzentrum in Stahnsdorf befindet sich mit dem Amazon-Verteilzentrum in Werder (Havel) ein weiteres großes Unternehmen der Logistikbranche in der Nähe. Dort arbeiten rund 130 Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb. Auf Anfrage teilte das Unternehmen mit, dass auch dort die Prozesse umgestellt wurden. 

Unter anderem habe man in Werder die Schichtzeiten so geändert, dass es mindestens 15 Minuten Pause zwischen den Schichten gebe. Auch „Einbahnstraßen“ bei den Ein- und Ausgängen seien angelegt worden. „Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme haben wir Temperaturkontrollen beim Betreten unserer Logistikgebäude eingeführt“, sagte Amazon-Sprecherin Nadiya Lubnina.

Eva Schmid, Florian Kistler

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