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Die neue Landesbibliothek will sich der Senat 270 Millionen Euro kosten lassen.

© dpa

Contra: Können wir uns das leisten?

A 100, Schloss und Landesbibliothek. Berlin kann viel – vor allem Geld ausgeben. Helmut Schmidt hat das kritisiert. Oder ist es umgekehrt? Vergisst der Rest des Landes nur zu gern seine Verpflichtungen gegenüber der Hauptstadt? Ein Pro & Contra.

Von

Contra

Politik ist in guten Zeiten die Fähigkeit des gleichmäßigen Geldausgebens. In schlechten Zeiten ist Politik die Kunst des Wegdenkens: Denk dir ein paar Ausgaben weg und frag dich, was passiert. Helmut Schmidt, der beliebte Bundesbesserwisser, hat laut ein paar öffentliche Ausgaben weggedacht, unter anderem das immer noch inhaltsleere Berliner Ersatzschloss. So ist es leider mit der Politik hierzulande: Ein paar notwendige Gedanken quer zum politischen Mainstream machen sich bloß Pensionäre.

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Klaus Wowereit könnte sich von Schmidts dahingegrummelten Boshaftigkeiten über die Berliner und ihre Disposition zum bundesalimentierten Lebensstil an seine besten Jahre erinnert fühlen. Wowereit war ja mal ein Frecher! Ein Tabubrecher! Einer, der sich, frisch im Amt, mit denen anlegte, die meinten, Angriffe auf ihre Versorgung wären undenkbar. Wowereits erste Jahre im Roten Rathaus, 2001 bis 2006, waren harte Jahre für den öffentlichen Sektor dieser Stadt. Aber es waren Jahre, in denen Wowereit und sein Finanzsenator, der böse, böse Thilo Sarrazin, der Stadt und dem Rest der Republik zeigten, dass Politik in Deutschland eben nicht immer mehr, immer mehr, immer mehr bedeutet – durch das Spardiktat im öffentlichen Dienst, durch den Verkauf der Bankgesellschaft und brachiale Kürzungspolitik im öffentlichen Haushalt.

Das Sparen an Strukturen hat, zugegeben, Spuren hinterlassen: in den Behörden und Bezirksverwaltungen, bei vielen Einrichtungen der Sozialfürsorge. Es hat sogar bei Wowereit Spuren hinterlassen: Mit dem Scheitern der Berliner Klage auf Schuldenerlass 2006 in Karlsruhe ist dem Regierenden der finanzpolitische Ehrgeiz abhandengekommen, und Sarrazin erging sich hernach in politisch unkorrekten Spötteleien über manche Bewohner der Hartz-IV-Hauptstadt. Und nun?

Ab August haben Eltern Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz - aber nicht kostenfrei.
Ab August haben Eltern Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz - aber nicht kostenfrei.

© Kitty Kleist

Andere – die Finanziers des Länderfinanzausgleichs – grübeln über Karlsruher Klagen, derweil macht die Bundesregierung anderen Staaten in Europa Sparansagen, die, aufs eigene Wahlvolk angewandt, sogar brave Deutsche ins schäumende Wutbürgertum treiben würden (man stelle sich vor, Rentner oder Lehrer müssten hier monatelang ohne Geld auskommen – die Familie soll erst mal helfen ...).
Und einen Inhalt für das Stadtschloss gibt es immer noch nicht. Also: weg damit. Es lebe die Leere des Schlossplatzes. Die wird sich im Sommer schon füllen. Gleiches gilt für die Klaus-Wowereit-Gedächtnisbibliothek auf der Tempelhofer Freiheit. Zugegeben: Kaum ein Kulturbau ist prinzipiell wünschenswerter als eine schöne, lichte neue Bibliothek. Aber es ist eben einfach kein Geld dafür da.

Überhaupt dürften die Berliner Politiker in Kürze merken, dass auch Beamte anderer Länder den Hauptstadtetat mit Interesse lesen. Es gibt nun mal keinen Grund dafür, warum Leute, die die rotten Straßen der Stadt mit Kleinlastern à la Porsche Cayenne penetrieren, kein Geld für Kitaplätze zahlen sollen. Oder weniger polemisch gesagt: Kitaplätze sollten nach Einkommen gestaffelte Gebühren kosten. Wetten, dass man mit etwas Spürsinn im Sozial- oder auch im Kulturetat noch Sparmöglichkeiten findet? Man könnte Thilo Sarrazin ein Erfolgshonorar zahlen ...
Klar: Es gibt gute Gründe für jede öffentliche Ausgaben, für Hilfen zur Erziehung ebenso wie für den Hauptstadtkulturfonds oder die Förderung von Proberäumen. Es gibt, das haben SPD- und CDU-Abgeordnete gepeilt und zu Politik gemacht, gute Gründe für einen Umgang mit öffentlichen Immobilien, bei dem es nicht um den maximalen Verkaufspreis geht. Dass in einer so großen Stadt Geld für Verkehrsinfrastruktur, sprich Straßen, fließen muss, versteht sich (außer für Grüne) von selbst. Aber das Wegdenken von ganzen Zoos, Opernhäusern, angestaubten öffentlichen Galerien, Kosten für „Gender Budgeting“ oder eine eigene Landeszentrale für politische Bildung sollte man darüber nicht verlernen. (Werner van Bebber)

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