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19.10.2018, nahe Alex. Der Geldtransporter mit den aufgebrochenen Türen.

© dpa

Update

Clan-Kriminalität in Berlin: Razzia nach Überfall auf Geldtransporter - bei Remmo-Clan

Wieder eine Razzia nach dem Geldtransporter-Überfall in Berlin-Mitte: Ein Verdächtiger soll der aus dem Libanon stammenden Großfamilie Remmo angehören.

Spezialkräfte der Polizei haben am Dienstag mehrere Berliner Wohnungen gestürmt – die Razzia richtete sich gegen Männer, die vergangenen Oktober in Mitte, nahe dem Alexanderplatz, einen Geldtransporter überfallen haben und danach schießend durch die Stadt gerast sind. Die Verdächtigen und mögliche Beweismittel wurden an diversen Anschriften vermutet – vermummte SEK-Beamte und Fahnder des Landeskriminalamtes durchsuchten deshalb sieben Objekte in Kreuzberg, Neukölln, Steglitz, Tempelhof und Köpenick. Zwei Beschuldigte, 25 und 38 Jahre, wurden angetroffen, befragt, aber nicht festgenommen. Am Einsatz waren 180 Beamte beteiligt.

Ein Verdächtiger soll Informationen aus Justizkreisen zufolge der bekannten Großfamilie Remmo angehören. Mit Blick auf die aus Libanon stammenden Remmos gilt allerdings, dass dieser Clan selbst innerhalb des Milieus deutsch-arabischer Familien besonders groß ist: Die weit verzweigten Verwandtschaftsverhältnisse haben Ermittlern immer wieder Probleme bereitet. Die Anwälte der aktuell Verdächtigen sind nicht bekannt. Über zahlreiche Remmos wird derzeit verhandelt – es geht um Mord, Einbruch und Geldwäsche.

Das kaputte Fluchtfahrzeug in der Feilnerstraße in Kreuzberg.
Das kaputte Fluchtfahrzeug in der Feilnerstraße in Kreuzberg.

© Felix Hackenbruch

Die Tat, die durch die Razzia am Dienstag aufgeklärt werden soll, geschah am 19. Oktober 2018, einem Freitag, um 7.30 Uhr. Damals hatten zwei Wagen an der Alexanderstraße Ecke Schillingstraße einen Geldtransporter gestoppt. Mehrere Maskierte stiegen aus, bedrohten die Fahrer mit schweren Waffen und bogen die Tür des Tresorfahrzeuges mit Spezialwerkzeug auf.

Das Gerät stellte sich als eine von der Feuerwehr gestohlene Hydraulikschere heraus. Die Täter schleppten Kisten aus dem Fahrzeug und versuchten diese in einen Mercedes zu laden, wobei es Probleme gab: Die Kisten waren offenbar zu groß. Beim Losfahren fiel eine Kiste aus dem Auto. Dies zeigen Videos, die Augenzeugen von dem Überfall gemacht haben. Die Täter flohen in zwei Autos nach Kreuzberg.

Die Polizei war schnell vor Ort und nahm die Verfolgung auf. In der Neuen Grünstraße schossen die Täter auf das Polizeiauto und trafen die Kühlerhaube. Nur einige Minuten später hatte eines der Fluchtfahrzeuge einen Unfall. In der Feilnerstraße ließen die Täter den Mercedes samt Beute zurück. Das zweite Fahrzeug, einen Audi, fand die Polizei später in Kreuzberg. Beide Autos waren vor der Tat gestohlen worden.

Erste Festnahmen gab es schon im November 2018: Damals verhafteten Polizisten einen 38-Jährigen aus dem Umfeld eines deutsch-arabischen Clans. Die Ermittler kamen ihm durch DNA-Spuren im Fluchtwagen und an den Geldkisten auf die Spur. Diesem Mann wird schwerer Raub und versuchter Mord an Polizisten vorgeworfen. Im Dezember wurde ein zweiter Verdächtiger festgenommen: Ein 32 Jahre alter Mann aus Mariendorf. Er soll der Logistiker der Bande sein und für den Überfall ein Fahrzeug und das Hydraulikwerkzeug besorgt haben. Die beiden werden ebenfalls dem Clan-Milieu zugerechnet. Insgesamt soll es fünf Täter geben.

Der Geldtransporter auf der Alexanderstraße/Ecke Schillingstraße
Der Geldtransporter auf der Alexanderstraße/Ecke Schillingstraße

© dpa/Paul Zinken

Der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Norbert Cioma, erklärte: „Sich mal in den Wohnungen von Tatverdächtigen umzuschauen, ist gerade in dem Bereich ein essenzieller Bestandteil der Ermittlungsarbeit, da wir innerhalb der Familien und des sozialen Umfelds so gut wie keinerlei Kooperation erwarten können.“ Dass es bereits drei Monate nach der Tat Durchsuchungen gebe, sei ein großer Erfolg für die Kripo-Ermittler.

Angehörige der Remmos fallen den Behörden seit der Wende auf – oft wegen Drogendelikten, Hehlerei, Bandendiebstahl. Derzeit stehen drei Heranwachsende des Clans wegen des Diebstahls der 100 Kilogramm schweren Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Bode-Museum 2017 vor Gericht. Auch die Taten, die dieser Familie zugerechnet werden, waren Auslöser für die von Innensenator Andreas Geisel (SPD) angekündigte Offensive.

Im November 2018 hatte der Senator zu einem als Clan-Gipfel bezeichneten Treffen geladen. Spitzenbeamte und Landespolitiker berieten über den Kampf gegen kriminelle Clans. Sie beschlossen einen Fünf-Punkte-Plan, dessen Kern die ressortübergreifende Zusammenarbeit in einer neuen Koordinierungsstelle beim Landeskriminalamt ist. Neben Polizei und Staatsanwaltschaft sollen Finanzämter, Jobcenter, Ausländerbehörde sowie Ordnungs- und Jugendämter beteiligt sein.

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Im vergangenen Jahr waren zudem die Streits innerhalb des Milieus eskaliert. Berlins wohl bekanntester Intensivtäter, der Libanese Nidal R., wurde am Tempelhofer Feld erschossen. Und es hat Streit zwischen den Großfamilien Remmo und Abou-Chaker gegeben, der öffentlich ausgetragen wurde. Die Abou-Chakers machten bis März 2018 Geschäfte mit dem Musiker Bushido. Der sagte sich von den einschlägig bekannten Brüdern los und wandte sich einem Remmo-Mann zu.

Am 15. Januar war ein Haftbefehl gegen Arafat Abou-Chaker vollstreckt worden, eine Woche später wurde in Dänemark sein Bruder Yasser festgenommen – sie sollen, so der Verdacht der Ermittler, eine Entführung geplant haben. Und erst am Wochenende war ein Mann aus dem Milieu verhaftet worden, weil er an einer Schießerei beteiligt gewesen sein soll.

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