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Die Suche nach Elias erreichte auch Berlin - hier wird im Bahnhof Friedrichstraße nach dem sechsjährigen Jungen aus Potsdam gesucht.

© Jörg Carstensen/dpa

Chronik des Falls Elias: 114 Tage Suche mit tragischem Ausgang

Fast 2000 Polizisten und Hunderte Freiwillige suchten nach dem sechsjährigen Elias, der Anfang Juli in Potsdam verschwand - und dessen mutmaßlichen Mörder die Polizei gestern festnahm. Die Chronik.

Anfang Juli verschwand der sechs Jahre alte Elias im Potsdamer Ortsteil Schlaatz. Obwohl die Polizei und zahlreiche freiwillige Helfer intensiv nach ihm suchten, gab es fast vier Monate lang keine heiße Spur - bis am heutigen Freitag bekannt wurde, dass seine Leiche in einer Kleingartenkolonie in Luckenwalde vergraben sein soll. Offenbar fiel er dem gleichen Mann zum Opfer, der wohl auch den vier Jahre alten Mohamed missbraucht und ermordet hat. Die Chronik einer verzweifelten Suche mit anscheinend furchtbarem Ende.

Mittwoch, 8. Juli: Elias verschwindet. Wie die Mutter sagt, habe der Sechsjährige die ganze Zeit vor dem Fenster ihrer Wohnung im Potsdamer Ortsteil Schlaatz gespielt. Das letzte Mal habe sie ihren Sohn gegen 17.30 Uhr gesehen, auch mehrere Zeugen sehen den Jungen. Um 18 Uhr habe sie dann bemerkt, dass Elias verschwunden war. Eine halbe Stunde später bittet sie auf Facebook um Hilfe im Freundes- und Bekanntenkreis, um 19.11 Uhr alarmiert sie die Polizei. Die beginnt sofort eine groß angelegte Suche - nicht nur mit Hubschrauber und Wärmebildkamera, sondern auch mit Tauchern und Boote. Mehr als 150 Beamte durchstreifen das Wohnumfeld des Kindes und überprüfen ein sumpfiges Gelände am nahegelegenen Fluss Nuthe.

Donnerstag, 9. Juli: Bis zum Abend gehören der "Suche Elias"-Gruppe auf Facebook fast 10.000 Mitglieder an, die Hilfsbereitschaft der Freiwilligen ist enorm. Die Potsdamer beteiligen sich an Suchaktionen, verteilen 3.000 Flugblätter und kleben Plakate - gleichzeitig schießen auch die Spekulationen ins Kraut. Auch der Fußballverein SV Babelsberg 03 beteiligt sich an der Suche. Innerhalb der ersten 24 Stunden gehen mehr als 40 Hinweise bei der Polizei ein. Gleichzeitig beginnen die Beamten, alle Überwachungsbänder der Trams und Busse aus Potsdam zu überprüfen.

Anwohner und freiwillige Helfer suchen in einem Waldgebiet in Potsdam nach Spuren des verschwundenen sechsjährigen Elias.
Anwohner und freiwillige Helfer suchen in einem Waldgebiet in Potsdam nach Spuren des verschwundenen sechsjährigen Elias.

© Nestor Bachmann/dpa

Freitag, 10. Juli: Allein an diesem Tag gehen mehr als 100 Hinweise bei der Polizei ein, aber es fehlt immer noch eine heiße Spur. Es gebe keinen Hinweis auf ein Verbrechen, sagt die Polizei, die in alle Richtungen ermittelt. Zahlreiche Suchtrupps sind den ganzen Tag über unterwegs, das Bürgerhaus in Schlaatz wird zum Treff-, Versammlungs- und Koordinationspunkt der Helfer. Die Solidarität unter den Potsdamern reißt nicht ab. Schätzungsweise helfen 150 Freiwillige, indem sie Flyer verteilten und in Suchtrupps verschiedene Stadtgebiete abliefen. Auch diese Suche bleibt bis zum Abend ergebnislos.

Dienstag, 14. Juli: Vier Jungs im Alter von zehn bis zwölf Jahren werden gesucht. Sie sollen am Tag des Verschwindens noch auf einem Spielplatz in der Nähe des Inselhof-Spielplatzes gespielt haben und damit wichtige Zeugen sein. Weitere Anwohner werden im Wohngebiet befragt. Weiterhin suchen freiwillige Helfer nach dem Jungen im Stadtgebiet. Rund 60 Freiwillige sind im Einsatz. Außerdem wird die Suche auf Berlin erweitert. 17 Infotafeln, die unter anderem am Berliner Hauptbahnhof, am Zoologischen Garten und Ostbahn zu sehen sind, informieren über den Fall Elias.

Mittwoch, 15 Juli: Der Sandkasten am Inselhof, in dem Elias gespielt hat, wird umgegraben. Die Ermittler finden nur eine Schaufel. Zuvor hieß es, dass Elias etwas im Sand verbuddelt hat. Am Abend läuft eine 30-sekündige Meldung bei der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“. Daraufhin gehen neun neue Hinweise ein.

Mitarbeiter des Technischen Hilfwerkes (THW) und Polizisten suchen nach dem vermissten Elias aus Potsdam. Dafür wurde der Wasserspiegel im Flüsschen Nuthe um etwa 20 Zentimeter abgesenkt.
Mitarbeiter des Technischen Hilfwerkes (THW) und Polizisten suchen nach dem vermissten Elias aus Potsdam. Dafür wurde der Wasserspiegel im Flüsschen Nuthe um etwa 20 Zentimeter abgesenkt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Donnerstag, 16. Juli: Die Nuthe wird erneut durchsucht. Dafür wird der Wasserstand um 20 Zentimeter abgesenkt. Mit einem Bagger wird die Nuthe zwei Tage lang durchkämmt, Polizisten und Einsatzkräfte des THW sind im Einsatz. Kein Ergebnis. Zuvor hatten immer wieder Spürhunde an der Nuthe angeschlagen, etwa 600 Meter entfernt vom Wohnort des Jungen. In Potsdam macht sich zunehmend Ratlosigkeit breit - und Frust.

Sonnabend, 18. Juli: Auch Pioniere der Bundeswehr sowie die Bereitschaftspolizei helfen mit schwerem Gerät bei der Suche in der Nuthe.

Sonntag, 19. Juli: Zehn Tage Suche, keine Spur. Mehr als 1750 Polizeibeamte waren im Einsatz, bis die Polizei ihre intensive Suche einstellt. Jetzt ermittelt nur noch die "Soko Schlaatz".

Der fünfjährige Henry und seine achjährige Schwester Sophie lassen als Zeichen der HoffnungBallons mit anhängenden Flugblätter und selbstgemalten Bildern steigen.
Der fünfjährige Henry und seine achjährige Schwester Sophie lassen als Zeichen der HoffnungBallons mit anhängenden Flugblätter und selbstgemalten Bildern steigen.

© Bernd Settnik/dpa

Sonntag, 26. Juli: Anwohner lassen für Elias rund 150 bunte Luftballons über Potsdam aufsteigen. Eltern und Kinder haben daran Flugblätter und persönliche Botschaften befestigt.

Montag, 27. Juli: Die eigens eingerichtete mobile Wache im Stadtteil Schlaatz wird wieder abgezogen. Über 800 Hinweise sind eingegangen.

Mittwoch, 29. Juli: Am Vormittag geht die Polizei einer älteren Spur nach. Sie sucht mit Mantrailer-Hunden am Platz der Einheit nach Elias. Der gesamte Platz wird abgesucht. Keine Spur.

Montag, 3. August: Die Soko „Schlaatz“ wird verkleinert. Noch 45 Beamte sind in der Soko aktiv. Knapp 900 Hinweise sind bisher eingegangen. Fast alle sind davon überprüft, sogar Eingebungen von Hellsehern ist die Polizei nachgegangen.

Mittwoch, 12. August: Die Kräfte der freiwilligen Helfer schwinden. Die Suchen werden nach und nach eingestellt. Einige freiwillige Helfer sorgen mit einer angeblichen neuen Suchaktion für Kopfschütteln und Kritik. Denn was aus ihrem Aufruf zur Suche, der am Mittwoch auf der Internetplattform Facebook veröffentlicht wurde, mit keinem Wort hervorgeht: Die Aktion findet nach PNN-Recherchen für Dreharbeiten des Fernsehsenders RTL statt. In dem Aufruf ist dagegen von einer „mit den Behörden“ abgesprochenen Suchaktion zur Erneuerung von Flyern und zum Gespräch mit Anwohnern die Rede. Es kommt zum Streit unter den letzten freiwilligen Helfern. Sie stellen die Suche bald ein, die Facebook-Seite „Suche Elias“ wird gelöscht.

Donnerstag, 13. August: „Wir rechnen nicht mehr damit, dass Elias noch lebt“, sagt Michael Scharf, Stabsleiter der Polizeidirektion West, mehr als fünf Wochen nach dem Verschwinden des Jungen. Von den mehr als 900 eingegangenen Hinweisen sei der größte Teil abgearbeitet, sagt ein Polizeisprecher. Derweil wächst die Kritik an der Arbeit der Polizei. Björn Lakenmacher, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sagt, er habe den Eindruck, die Polizei habe nicht immer die Kontrolle über die Ermittlungen gehabt. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Schuster, kritisiert Abstimmungsprobleme mit den freiwilligen Helfern.

Dienstag, 18. August: Eine unbekannte Privatperson lobt eine ungewöhnlich hohe Belohnung von 50.000 Euro für entscheidende Hinweise auf Kind und Täter aus.

Freitag, 4. September: Die erste Spur: Die Soko „Schlaatz“ sucht nach einem dunklen Pkw-Kombi. Die Insassen kommen als Zeugen in Betracht, heißt es von den Ermittlern. Ein dunkles Auto wurde mehrfach zur Tatzeit im Wohngebiet Schlaatz gesehen.

Elias - spurlos verschwunden. Ein Spielplatz im Potsdamer Wohngebiet "Am Schlaatz".
Elias - spurlos verschwunden. Ein Spielplatz im Potsdamer Wohngebiet "Am Schlaatz".

© Ralf Hirschberger/dpa

Donnerstag, 8. Oktober: Elias wird seit drei Monaten vermisst: 300 Stunden Filmmaterial und 1000 Fotos werden erneut überprüft. Im Tagesspiegel-Interview spricht Soko „Schlaatz“-Chefermittler Michael Scharf über den damaligen Ermittlungsstand und wie der Fall ihn auch privat beschäftigt. „Das ist unerklärlich. Eigentlich dürfte es nicht möglich sein, dass dort jemand unbeobachtet verschwindet, egal auf welche Art. Wenn er weggelaufen wäre, wäre das vielleicht nicht so wahrgenommen worden. Aber er hätte doch irgendwo ankommen müssen und wäre dort gesehen worden“, sagte er.

Donnerstag, 29. Oktober: In der Nähe von Jüterbog in Brandenburg wird ein 32-Jähriger festgenommen, der den in Berlin verschwundenen vier Jahre alten Mohamed entführt haben soll. Er gesteht nicht nur die Entführung, den Missbrauch und die Ermordung an Mohamed, sondern auch die Entführung und Ermordung von Elias. Die Leiche des Jungen habe er in einer Kleingartenkolonie in Luckenwalde vergraben.

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