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Vertauschte Rollen: Beim Christopher Street Day in Hamburg (2003) wird ein Polizist "verhaftet".

© dpa

Christopher Street Day in Berlin: Brandenburger Polizist läuft trotz Verbot in Uniform mit

Beim CSD in Berlin dürfen Brandenburger Polizisten nicht in Dienstkleidung mitlaufen. Ein Beamter aus Potsdam verstößt nun absichtlich gegen die Regel, um die Sache zu klären.

Der Provokateur läuft zwischen Wagen sieben und acht, aber er ist leicht zu übersehen. Er ist ein schmaler Typ, die Brille unauffällig, vor allem aber: Er trägt Polizeiuniform. Die tragen am Sonnabend alle in seiner unmittelbaren Umgebung. Aber die anderen, die dürfen das. Kommissar Marco Klingberg darf das nicht.

Deshalb ist er ja ein Provokateur. Kommissar Klingberg, Dienststelle Polizeiinspektion Potsdam, sagt: „Ich nehme Stress mit der vorgesetzten Behörde in Kauf. Ich möchte eine Grundsatzentscheidung.“ Er möchte geklärt wissen, ob ein Polizist in Uniform an einer Schwulen- und Lesbenparade wie dem CSD teilnehmen darf, egal, wo er arbeitet. Er nimmt teil, deshalb droht ihm eine disziplinarische Strafe.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Berliner CSD laufen Polizisten in Uniform mit. Polizeipräsident Klaus Kandt hat es genehmigt. Polizisten aus Brandenburg dürfen aber nicht in Dienstkleidung an der Parade teilnehmen, das Innenministerium hat es verboten.

Warum wird Brandenburgs Polizisten verboten, was den Berliner Kollegen erlaubt ist?

Klingberg ist Vorsitzender des Landesverbands Berlin-Brandenburg des Verbands lesbischer und schwuler Polizisten in Deutschland (VelsPol), auch deshalb rückt er in die Rolle der Symbolfigur. Für VelsPol sind uniformierte Polizisten bei der Parade auch eine Art Werbung für die Polizei: „Da kann man sehen, wie tolerant die Polizeiführung gegenüber homosexuellen Kollegen ist“, sagt der VelsPol-Bundesvorsitzende Thomas Ulmer.

Marco Klingbeil, 43, riskiert bewusst eine disziplinarische Strafe.
Marco Klingbeil, 43, riskiert bewusst eine disziplinarische Strafe.

© Frank Bachner

Zudem gebe es natürlich einen klaren Verhaltenskodex für die Beamten: angemessenes Auftreten, das einem Polizisten entspricht, gehört dazu, also etwa keine schrille Kostümierung. „Wer gegen diese Regeln verstößt, muss sofort die Parade verlassen“, sagt Ulmer.

Für Klingberg ist das eine Selbstverständlichkeit, vor allem aber versteht der 43-Jährige nicht, warum Brandenburger Beamte nicht dürfen, was den Berlinern erlaubt ist.

Ganz einfach, sagt Ingo Decker, Sprecher des Brandenburger Innenministeriums: „Eine Uniform ist eine Dienstbekleidung.“ Ein Polizist müsse für jeden als Funktionsträger erkennbar sein. Beim CSD aber könne sich jeder kostümieren, wie er wolle, also auch mit einer Polizeiuniform. Wie also soll ein Bürger einen echten Polizisten erkennen? Gut, „die Berliner haben in diesem Punkt eine andere Einschätzung“, sagt Decker, „aber die müssen wir ja nicht übernehmen.“

Das Ministerium in Potsdam fürchtet einen Dominoeffekt

Bitte, es könne ja jeder Polizist bei der Parade mitmarschieren, „aber das ist dann eine außerdienstliche Betätigung“. Denn mit den Zielen des CSD habe die Polizei ja nun beim besten Willen nichts zu tun. Und das Argument, die Parade sei ja auch eine Werbeplattform für die Polizei, das macht ihn sogar fassungslos. „Ich habe schon vieles gehört, aber so etwas nun wirklich noch nicht.“ Er denkt vielmehr an den Dominoeffekt: „Beim nächsten Mal will einer in Uniform für den Erhalt der Braunkohle demonstrieren.“

Vier Landesregierungen haben ihren Beamten erlaubt, dass sie bei der Parade in Uniform auftreten, die anderen lehnten ab. Flankiert werden die Deutschen von Polizisten aus zwölf europäischen Nationen, alle in Uniform. In den Niederlanden gehören Polizisten in Dienstkleidung bei CSD-Paraden seit Jahren zum gewohnten Bild.

Im Moment findet in Berlin der Europäische Kongress schwul-lesbischer Polizisten statt, für die Teilnehmer ist die Parade der emotionale Höhepunkt. Für Klingberg natürlich auch, aber er weiß, dass notfalls schnell Schluss mit lustig ist. Und dass Partygänger Marco dann zum Kommissar Klingberg wird. Wenn direkt vor ihm eine Straftat passiert, greift er natürlich ein, ganz erkennbar Polizist.

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