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Das Times Art Center in der Brunnenstraße ist ein Zentrum chinesischer Kunst in Berlin. Und Isaac Chong Wai einer ihrer Protagonisten.

© Nikita Teryoshin

Chinesische Kunstszene in Berlin: Der große Sprung

Ein chinesisches Kunstzentrum eröffnet, Galerien mit China-Schwerpunkt siedeln sich an, ein Mäzen aus Peking plant ein Künstlerdorf – Hunderte Kreative aus Asien leben hier. Dann kam Corona.

Céline Liu kann nicht kochen. Nun hat sie die Handycam auf sich gerichtet und wirft Erdnüsse in die Pfanne. „Ich werde euch fünf Filme vorstellen und fünf dazu passende Rezepte, die sehr einfach sind.“ Das erste heißt „Tiger Dish“. Sogar Liu kriegt das hin: Gurken, Möhren, Sojasoße, viel Wasabi. Dazu spielt die Künstlerin Filmszenen der amerikanisch-britischen Miniserie „Chernobyl“ ein. Es geht um das Reaktorunglück von 1986, es geht um Wahrheit und Lüge, um die Kunst des Überlebens.

Und um den Salat, der so heißt, obwohl kein Tiger drin ist.

Liu geht seit dem 2. Februar kaum aus dem Haus. Bei ihr in Peking liegt das öffentliche Leben lahm. Vor kurzem wirkte das in Deutschland noch absurd. Jetzt nicht mehr.

Die Galerie Migrant Bird Space vertritt Liu in Berlin und hat die Künstlerin zu einer Videoserie auf Instagram eingeladen, „Fun in Quarantine“ heißt sie.

Weitere Künstler folgen. Sie alle haben sechs Wochen Wissensvorsprung in Sachen Quarantäne, können davon berichten, was die Isolation mit ihnen macht. Und wie das Leben langsam wieder in Schwung kommt. Kontakt halten, mehr geht im Moment nicht. In Berlin liegt die Kunstwelt brach.

Xi Bei leitet das Times Art Center Berlin, es ist ein Ableger eines Museums in China.
Xi Bei leitet das Times Art Center Berlin, es ist ein Ableger eines Museums in China.

© Nikita Teryoshin

Austausch mit China – ist das nicht gefährlich?

Seit etwa fünf Jahren haben chinesische Künstler nun Berlin als Wohn- und Arbeitsort für sich entdeckt. Manche schätzen, dass derzeit rund 800 Kreative aus Asien hier wohnen. Gerade die international Erfolgreichen haben große Ateliers in der Stadt. Der Bekannteste war wohl Ai Weiwei, der inzwischen von viel Kritik begleitet Richtung Cambridge weitergezogen ist. Ein chinesisches Kunstzentrum hat eröffnet, Galerien mit China-Schwerpunkt siedeln sich an, ein Mäzen aus Peking plant eine Künstlerresidenz im Umland.

Und dann kam Corona. War es das jetzt mit dem China-Boom in Berlin? Und ist das nicht ohnehin viel zu gefährlich – ein Austausch mit dem Land, aus dem Corona in die Welt kam?

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In der Brunnenstraße in Mitte sind die großen Türen des Brandlhuber-Atelierhauses in der Nummer 9 verschlossen. Das Times Art Center ist dicht, so wie alle Galerien der Stadt. Drinnen ist die Ausstellung des chinesischen Künstlers Zhou Tao aufgebaut.

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Es ist seine erste Schau in Europa. Der Film, der im Erdgeschoss läuft, zeigt Szenen aus der Wüste Gobi, windige Weiten, einen Hundekampf, weiches Schilf, dickes Fell, oft im Close-up. „Liubai“ nennt man diese Ästhetik in der antiken chinesischen Malerei. Es ist Zhou Taos Erfindung, das in Fotografie und Film umzusetzen. So etwas sieht man hierzulande kaum. Und so muss es jetzt erstmal bleiben.

Die Krise ändert nichts am Anspruch des Kunstzentrums. Das Times Art Center, der Ableger eines Museums aus dem südchinesischen Guangzhou, setzt auf Austausch und Kommunikation, und zwar in beide Richtungen. „Es gibt viel voneinander zu lernen“, sagt Kuratorin Xi Bei. Sie lebt seit zehn Jahren in Berlin, hat in Paris studiert, war viel in der Welt unterwegs, bevor sie vor zwei Jahren gefragt wurde, ob sie das Center in Berlin aufbauen wolle.

Die Vernissagen waren meistens voll, manchmal glamourös in ihrer Internationalität. Eloquente Kuratorinnen aus New York trafen auf elegant gestylte Kunstfrauen aus Peking; die Berliner DIY-Mode dazwischen.

Eröffnung im Times Art Center Mitte Februar. Die Fotografien von Zhou Tao sind zum ersten Mal in Europa ausgestellt. Er selbst konnte nicht kommen.
Eröffnung im Times Art Center Mitte Februar. Die Fotografien von Zhou Tao sind zum ersten Mal in Europa ausgestellt. Er selbst konnte nicht kommen.

© Nikita Teryoshin

Kunst ist heute ein Job, der Geld bringt

Eröffnungsabend der Zhou-Tao-Ausstellung Mitte Februar. Xi Bei, mit akkuratem Bob und geometrischen Ohrringen, ist etwas nervös. In China breitet sich das Coronavirus schon massiv aus. Sowohl Zhou Tao als auch die Kuratorin aus Guangzhou haben ihre Reisen nach Berlin abgesagt. Manche Fluggesellschaften haben den Verkehr nach China bereits eingeschränkt. „Würde Zhou Tao jetzt fliegen, käme er wahrscheinlich gar nicht mehr zurück“, sagt Xi Bei.

Die ersten Gäste sehen sich die Bilder im Erdgeschoss an. Xi Bei grüßt, klopft auf Schultern, steht für Fotos bereit. Es gibt Gourmet-Häppchen mit Wantanblättern und Pilzen, süße Röllchen aus schwarzem Lavagebäck.

Die meisten kennen sich irgendwie, von Eröffnungen, gemeinsamen Ausstellungen, aus der Kunstwelt eben. „In den 80er und 90er Jahren kamen die meisten chinesischen Künstler aus politischen Gründen nach Berlin, oder sie hatten ein Stipendium des DAAD“, sagt Xi Bei.

In Berlin lockt die künstlerische Energie

Die jüngere Generation ist anders. Sie sind im Wohlstand aufgewachsen. Kunst gilt jetzt in China als Job, mit dem Geld verdient werden kann. Die Studierendenzahlen sind enorm gewachsen, die Kunsthochschulen um Klassen besser ausgestattet als in Deutschland.

Gemütlich ist es nicht. Künstler müssen oft umziehen, weil ihnen in den wachsenden Städten innerhalb von Tagen die Ateliers abgerissen werden. Die Kommunikation auf Wechat wird überwacht. Die Kunst wird im besten Fall ignoriert, oder, wenn sie der Regierung nicht passt, auch zensiert.

„Diese Generation lockt dasselbe, was Künstler weltweit an Berlin mögen“, betont Xi Bei. Die vielen Kreativen in der Stadt, der Austausch, die Energie, die Lockerheit.

Die Jüngeren distanzieren sich, bei allem Respekt, vom Aktivismus à la Ai Weiwei. Statt auf Aggressivität, setzten sie auf Solidarität untereinander. Wir alle müssen mit Dingen umgehen, die wir nicht wollen. Von chinesischen Künstlern kann man das lernen.

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Auf dem Eröffnungsabend macht ein Fotograf Bilder für die Website des Centers, er trägt einen Mundschutz. Xi Bei wird später fragen, ob ein Bild davon in diesem Bericht gezeigt würde. Das Cover des „Spiegel“, das mit Gesichtsmaske und markiger Zeile die Herkunft des Coronavirus anprangerte, hat viele Chinesen getroffen. Und auch Berliner mit asiatischem Aussehen wurden rassistisch beleidigt.

Misstrauen und Vorurteile gibt es genug. Xi Bei muss oft die Frage beantworten, wer hinter der Institution stecke, die sie in Berlin leitet. Wenige kennen das Guangdong Times Museum im südchinesischen Perlflussdelta; es ist das erste Kunstmuseum aus Asien, das sich eine Außenstelle im Ausland leistet. Sonst war es immer umgekehrt. Westliche Institutionen und Kunstgalerien eröffneten Dependancen in Peking, Hongkong, Singapur. Das Guangdong Times Museum ging 2010 aus der Guangzhou Triennale hervor. Der angesehene, in Rom tätige Kurator Hou Hanru hat das initiiert, der Schweizer Direktor der Serpentine Galleries in London, Hans Ulrich Obrist, war beteiligt, Rem Koolhaas plante die Architektur.

Isaac Chong Wai, 29 Jahre alt, ist in Hongkong aufgewachsen und lebt seit vier Jahren in Berlin. In seinem Atelier in Prenzlauer Berg arbeitet er vor allem an Tanzperformances.
Isaac Chong Wai, 29 Jahre alt, ist in Hongkong aufgewachsen und lebt seit vier Jahren in Berlin. In seinem Atelier in Prenzlauer Berg arbeitet er vor allem an Tanzperformances.

© Nikita Teryoshin

Finanziert werden beide Orte, das Mutterhaus und der Ableger, von einer chinesischen Firma, der Times China Holdings Limited, einem riesigen Immobilienentwickler. „Ich werde oft gefragt, ob die jetzt ganz Berlin aufkaufen wollen“, sagt Xi Bei. Non-Profit aus China? Viele Berliner können sich das nicht vorstellen.

In Zeitlupe wird ein Schlag zur sanften Berührung

Vom Klischee wegzukommen, dabei hilft manchmal die Kunst – und der Körper. Isaac Chong Wai beschäftigt sich in seinen Werken schon eine ganze Weile mit Straßenprotesten. Bilder auf Social Media haben ihn dazu animiert. Eine seiner Tanzperformances untersucht, wie das Polizeitraining der Zukunft aussehen könnte. Die Performer bewegen sich ganz langsam. Ein Schlag in Superzeitlupe wird zur sanften Berührung.

Schon bei der Eröffnung des Times Art Center im Sommer 2018 sorgte Chong dafür, dass sich mehrere Darsteller in Polizeiuniform unter die Gäste mischten. Sie schützten die Gäste, wo es nichts zu schützen gab. Oder sie boten die Hand zur Begrüßung an. Wurde die Hand ergriffen, ließ der Polizist sich auf den Boden sinken.

Und der Gast musste entscheiden: Mitfallen oder stehenbleiben? Einige Monate später wurden die Proteste in Hongkong immer dramatischer und gewalttätiger. Institutionen weltweit waren jetzt an Chongs Arbeiten interessiert. Sein konstruktives, deeskalierendes Denken galt als wegweisend.

Fotos wie Gemälde. Die Aufnahmen von Zhou Tao entstanden in der Wüste Gobi.
Fotos wie Gemälde. Die Aufnahmen von Zhou Tao entstanden in der Wüste Gobi.

© Nikita Teryoshin

Isaac Chong Wai sitzt mit schwarzem Rolli und schwarzer Hose in seinem Atelier in Prenzlauer Berg und entschuldigt sich, dass seine Wände so leer sind. Etliche Werke sind nach Innsbruck zu einer Kunstbiennale verschickt worden. Nur ein kleines Modell mit drei beigefarbenen Männchen steht auf einem Tisch, in dem sonst recht kargen Raum.

„Das sind 3-D-Modelle von mir; drei Figuren, die ineinander fallen“, sagt Chong. „Falling Carefully“ heißt die Arbeit. Aus dem Fallen wird ein Stehen. Aus Instabilität wird Sicherheit. Das ist ein wiederkehrendes Motiv bei ihm. Chong ist in Hongkong aufgewachsen, oft hat er noch dort zu tun.

Auch an den Straßenprotesten nahm er teil, hat die Hilflosigkeit der Demonstranten gespürt. „‚Falling Carefully’ ist für mich eine Möglichkeit, die Situation zu verdauen und zu analysieren“, sagt er.

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Nach seinem Kunststudium in Hongkong geht Chong 2015 nach Weimar an die Bauhaus-Universität, er macht einen Master in „Public Art“. In Weimar gibt es nicht viel, außer deutscher Geschichte, mit der die ausländischen Studierenden permanent konfrontiert sind. Chong findet seinen Weg, damit umzugehen.

„I kissed a guy in Buchenwald“ heißt eine zurückgenommene Konzeptarbeit, sie entstand nach einem Tinderdate, das der 29-Jährige in der Gedenkstätte hatte, einfach, weil beide Männer noch nie dort gewesen waren.

Künstlerdörfer mit angeschlossener Shoppingmall

Chong arbeitet mit dem, was ihn umgibt. Seine Installation mit abgegossenen Einschusslöchern aus Berliner Hauswänden sollte aktuell bei der Kunstmesse Art Basel Hongkong gezeigt werden. Doch die Messe fiel wegen der Coronakrise aus.

Eine geplante Ausstellung in Seoul wurde verschoben, die Produktion von „Falling Carefully“ in Lebensgröße, die die Hongkonger Asia Society bezahlen will, ist vertagt. Auch die Innsbrucker Biennale schloss vorzeitig. Fast wäre Isaac Chong Wai aus Österreich gar nicht mehr zurückgekommen.

Jetzt arbeitet er zu Hause im Studio und nutzt die Ruhe. Er weiß sich zu fokussieren. In seiner Anfangszeit in Berlin hat er sich systematisch auf alle Ausschreibungen beworben, die er finden konnte. Er ist einer der wenigen asiatischen Künstler in der Stadt, der bereits in vielen Berliner Institutionen ausgestellt haben. Seine größten Shows allerdings finden in Asien statt.

Hartweich. Isaac Chon Wai mit einem Ziegelstein aus Gummibärchen.
Hartweich. Isaac Chon Wai mit einem Ziegelstein aus Gummibärchen.

© Nikita Teryoshin

China wurde in der vergangenen Dekade zum boomenden Marktplatz für zeitgenössische Kunst, auch mithilfe westlicher Galerien. Lange Zeit war zeitgenössische Kunst kein Thema, freies Malen war unter Mao verboten.

Ab 1990 kam langsam experimentelle Kunstformen auf, zeitgleich verkündete die Regierung, dass Geld und Reichtum kein Makel mehr seien. Der Unternehmer Uli Sigg, ehemaliger Botschafter der Schweiz in China, beginnt vor mehr als 40 Jahren, im großen Stil Arbeiten von jungen chinesischen Künstlern zu kaufen.

Mittlerweile hat sogar der Staat angefangen, Gegenwartskunst zu sammeln. Die großen Handelsplätze sind Peking, zunehmend auch das glamourösere Shanghai, und – mit dem Vorteil der niedrigen Steuern und der Englisch sprechenden Bevölkerung – Hongkong. In China werden viele, sehr große Privatmuseen eröffnet.

Kunstmessen entstehen, Künstlerdörfer samt Shoppingmalls und riesigen Showrooms gebaut. Die Politik unterstützt solche Projekte. Staatliche Hilfen für Künstler gibt es nicht. Der Berliner Kunstmarkt wirkt im Vergleich dazu wie ein stiller, ruhiger Fluss. Ein unwägbarer Ort für Händler aus Asien: Wer es hier wagt, braucht Kapital.

Knowhow, Kapital, Kontakte

Hua Xiaochan und Klaus Dierkes haben 2017 ihre Galerie XC.HuA in der Potsdamer Straße eröffnet und zunächst vieles im Stillen organisiert. „Wir sind nicht naiv, wir kennen die Situation hier“, sagen sie. „Aber Berlin gilt international und vor allem in China als Kunst-Hotspot. Die Stadt zählt zu den Top-3 Destinationen bei unseren wichtigen Sammlern.“

Die beiden eröffneten auch gleich noch einen Standort im Pekinger Künstlerviertel Caochangdi. Zehn Mitarbeiter halten all das am Laufen. In der Kombination Peking-Berlin kann es klappen, so die Überlegung des Paares, das drei wichtige Dinge vereint: Knowhow, Kapital und Kontakte.

Xiaochan Hua und Klaus Dierkes in ihrer Berliner Galerie XC.HuA - eine zweite Filiale existiert in Peking.
Xiaochan Hua und Klaus Dierkes in ihrer Berliner Galerie XC.HuA - eine zweite Filiale existiert in Peking.

© Nikita Teryoshin

Hua Xiaochan studierte in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi Kunst, mit 24 Jahren zog sie nach Peking. Fünf Jahre lang arbeitete sie als Managerin in der Galerie des Stuttgarters Matthias Küper, lernt Künstler kennen, knüpft Kontakte zu wichtigen Sammlern, so lernt sie auch Klaus Dierkes kennen.

Er ist Manager bei einem deutschen Autobauer in Peking und sammelt ebenfalls Kunst. Sie werden ein Paar, dann Geschäftspartner und ziehen mit ihrem kleinen Sohn nach Berlin.

Noch vor wenigen Wochen sah alles vielversprechend aus. In einem Altbau auf dem Gelände der ehemaligen Tagesspiegel-Druckerei starten Hua Xiaochan und Klaus Dierkes endlich ihr reguläres Ausstellungsprogramm. Die Gäste bevölkern die Räume, den dritten Stock und den vierten Stock unterm Dach.

Im Anschluss essen sich im angesagten China-Restaurant um die Ecke etwa 40 geladene Gäste einmal quer durch die Speisekarte. Die Stimmung ist gut. Klaus und Hua sind die Neuen in der Stadt – und im Moment offen für alles.

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Im Frühjahr zum Gallery Weekend hätten sie gerne den chinesischen Künstler Tong Kunniao in die Galerie geholt. Ein Typ, der perfekt nach Berlin passt, er ist jung, unerschrocken, cool und in China bereits ein Shootingstar. Auf Youtube sieht man, wie er im fleischfarbenen Anzug und mit einem selbstgebauten Apparat einen Vogelflug mimt. Seine aus Konsumtrash zusammengebauten kinetischen Skulpturen sollten per Schiff nach Berlin kommen.

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Weil das Pekinger Transportunternehmen im Quarantänegebiet ansässig ist und nicht mehr agieren kann, wird daraus nichts. 40 000 Euro hätte es gekostet, in letzter Sekunden zumindest einige Elemente der Werke ausfliegen zu lassen. Der Künstler selbst wäre im April angereist und hätte mit Fundstücken von Berliner Flohmärkten die Installationen neu gebaut. Aber auch das klappt nicht mehr. Corona ist schneller. „Wir müssen umplanen“, schreibt Hua per Whatsapp. Tong Kunniaos Auftritt ist verschoben, auf Herbst, falls das klappt.

China kauft sich die Besten aus aller Welt zusammen

Es gab 2019, anlässlich der Feier der 25-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Peking und Berlin, einige Ausstellungen mit asiatischer Gegenwartskunst in Berlin. Eine Schau im Fotomuseum, eine Ausstellung mit chinesischer Medienkunst im Kulturforum, zuletzt junge Kunst aus China in der Kommunalen Galerie in Wilmersdorf. Alle unterstützt vom in Berlin ansässigen chinesischen Kulturverein Geka, der auch Autorennen und andere Events sponsert.

Goldene Tür. Hua Xiaochan in ihrer Galerie in der Potsdamer Straße.
Goldene Tür. Hua Xiaochan in ihrer Galerie in der Potsdamer Straße.

© Nikita Teryoshin

Aber auch der Austausch in umgekehrter Richtung scheint interessant. Vor Corona haben sich viele Künstler, auch Berliner, um Auftritte in den chinesischen Museen und Ausstellungshäusern bemüht. Und auch für die Berliner Galerien ergaben sich Chancen. China boomt und kauft sich die Besten aus aller Welt zusammen.

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In der ostchinesischen Millionenmetropole Nanjing fand im Dezember 2019 die staatliche finanzierte Kunstmesse Nanjing Art Fair International statt, eine Messe, die auf Videokunst spezialisiert ist. Ganz kurzfristig wurden dazu zehn europäische Top-Galerien eingeladen. Die XC.HuA Galerie ist dabei, ebenso die renommierte König Galerie.

„Der ganze Auftritt wurde bezahlt, die Reisekosten, die Standkosten. Und es waren sehr aufwändige Messestände“, erzählt Jiangnan Wang, die schon lange in Deutschland lebt, in Berlin eine Galerie leitete und nun bei König für den chinesischen Markt zuständig ist.

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Verkauft habe in Nanjing niemand wirklich gut, vermutet sie. Es sei zwar viel Publikum gekommen, aber eben keine Kunstkäufer. Und bei Videokunst überlegen ohnehin selbst erfahrene Sammler zweimal.

Man lernt eben noch in China. Die Kunstmesse war Teil einer „internationalen Kunst-Saison“, und die wiederum als Testlauf für eine Biennale gedacht. Parallel dazu werden in Nanjing gleich mehrere staatlich finanzierte und private Kunstmuseen gebaut. Ob das alles wieder in Schwung kommt, wenn Covid-19 eingedämmt ist? Vermutlich ja. Erste Lebenszeichen gibt es bereits.

Aus den Reihen des auf den Herbst verschobenen Gallery Weekends lässt Direktorin Maike Cruse wissen: „Berliner Galerien berichten mir, dass die Chinesen seit kurzem wieder Kunst kaufen.“ Und Johann König schreibt auf Instagram: „Licht am Ende des Tunnels?“ In Peking machen die ersten Ausstellungshäuser wieder auf, unter anderem eine große Schau – voll mit Berliner Künstlern. [Mitarbeit: Minh An Szabó de Bucs]

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