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Carsten Jung - hier in einem Interview mit dem Tagesspiegel - ist seit 2019 der Vorstandschef der Berliner Volksbank.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Chef der Berliner Volksbank: „Viele Kunden heißt nicht, dass man damit auch viel Geld verdient“

Die Berliner Volksbank wächst in der Pandemie Institut steigert Gewinn und Bilanzsumme, gewinnt Mitglieder - verliert aber Tausende Kunden.

Krisenzeiten müssen keine schlechten Zeiten für Banken sein, vor allem dann nicht, wenn sie viele Firmenkunden betreuen. Die haben in der Pandemie nämlich eher mehr als weniger Beratungs- und Kreditbedarf als in guten Zeiten. Das scheint ein Grund dafür zu sein, warum die Berliner Volksbank, das größte Institut aus der Familie der Volks- und Raiffeisenbanken, auch das zweite Jahr der Pandemie solide abgeschlossen hat.

Carsten Jung, bereits seit 1999 an Bord und seit 2019 auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden, geizte am Freitag bei der Präsentation der Jahreszahlen nicht mit optimistischen Botschaften: 2021 sei ein „sehr gutes Geschäftsjahr“ gewesen. Man habe das operative Ergebnis gesteigert und die Kosten gesenkt. Das 75. Gründungsjubiläum habe man zwar nicht wie geplant feiern können. Man sei aber gut durch das Jahr gekommen und auch gut ins neue Jahr gestartet.

Auch was die direkten finanziellen Folgen des Krieges angeht, wirkte der Volksbank-Chef nicht besonders beunruhigt. Sein Institut habe keine nennenswerten Kundenverbindungen nach Russland oder die Ukraine. Anders als Volksbanken und ihre Wettbewerber in anderen deutschen Regionen, hat es die Berliner Volksbank auch weniger mit Industrieunternehmen zu tun, denen Zulieferer und Absatzmärkte abhanden kommen können. In Berlin betreut die Volksbank mehr Handwerksbetriebe und Dienstleistungsunternehmen, die wesentliche Teile ihres Geschäftes lokal betreiben.

Selbstverständlich aber sei auch sein Institut indirekt von den steigenden Energiepreisen betroffen, fügte Jung hinzu. Man bereite sich auf mögliche Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen, die die Kunden und die Bank selbst betreffen könnten, vor. Zudem überwies die Volksbank im März Geldspende in nicht genannter Höhe an das Deutsche Rote Kreuz, initiierte Sachspenden für die Ukraine innerhalb der Bank und entsandte Kollegen, die bei der Wohnraumvermittlung für Geflüchtete halfen.

Beratungsgespräch in einer Filiale der Berliner Volksbank: Das Institut hält an Filialen fest und stellt aktuell auch Personal ein.
Beratungsgespräch in einer Filiale der Berliner Volksbank: Das Institut hält an Filialen fest und stellt aktuell auch Personal ein.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Eine der wenigen negativen Kennzahlen in dem Jahresbericht: Die Zahl der Kundenkonten insgesamt ging um 3,4 Prozent auf 545.000 zurück. „Viele Kunden heißt aber nicht, dass man damit auch viel Geld verdient“, erklärte Jung. Mindestens so wichtig für die genossenschaftlich organisierten Volksbanken ist die Zahl ihrer Mitglieder, die zugleich Eigentümer sind. Sie stieg um 3,8 Prozent auf nun 217.000. „Damit wurde die Eigenkapitalbasis weiter verbessert und die Substanz der Bank gestärkt“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung.

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Die Mitglieder entscheiden auch über die Verwendung des um fast 16 Prozent zum Vorjahr gestiegenen Jahresgewinns in Höhe von nun 19,1 Millionen Euro. Der Vorstand schlägt vor, eine Dividende von 2,0 Prozent auf die Anteile auszuzahlen, das wären 0,25 Punkte mehr als im Vorjahr. In 2021 spendete die Berliner Volksbank zudem mehr als eine Million Euro für gemeinnützige Einrichtungen in Berlin und Brandenburg.

Wie alle Finanzinstitute muss auch die Berliner Volksbank sehen, wie sie mit der anhaltenden Nullzinsphase Geld verdient. Anders als der lokale Wettbewerber Berliner Sparkasse betreibt die Volksbank kein eigenes Geschäft mehr mit kleineren Immobilienkrediten, sondern vermittelt diese lediglich. Erst ab einem Kreditvolumen in Höhe von mindestens 750.000 Euro nimmt die Volksbank, die auch traditionell ein enger Partner der Wohnungsbauwirtschaft ist, die Immobilienkredite in die eigenen Bücher.

Der andere Megatrend, der die gesamte Branche herausfordert, ist natürlich die Digitalisierung. Jung sagte, dass die Volksbank am Filialgeschäft festhalten werde und zumindest in diesem Jahr keine weiteren Filialen schließen will: 190 Kontaktstellen hat das Institut in Berlin und Brandenburg, einige davon sind nur Service-Terminals und Automaten. Beratung für Privatkunden gibt es an 46 Filialen. Dabei setzt die Volksbank auf ein Shop-Konzept: Privatkunden erhalten in den meisten Filialen lediglich sieben relativ einfach strukturierte Finanzprodukte. Umfassendere Dienste gibt es nur in sehr wenigen Filialen. Jung sieht das Institut relativ weit in diesem Prozess. „Anders als viele Wettbewerber haben wir unsere Hausaufgaben schon gemacht“.

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