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Uli Zelle vom rbb (rechts) beim Team vom Tagesspiegel-Checkpoint

© TSP/Thilo Rückeis

Checkpoint-Party: "Solche Weicheier sollten nicht über Berlin urteilen!"

Bei der Fuck-Up-Night des Creative Bureaucracy Festivals erklärte BER-Chef Lütke Daldrup das Scheitern. Und Team Checkpoint lief zu großer Form auf.

Von Laura Hofmann

Dass Bürokratie – zumindest in Berlin – zuweilen lustig sein kann, beziehungsweise unfreiwillig komisch, ist bekannt. Doch kann sie auch kreativ sein? Ja, das hat zum Beispiel Jutta Weitz, ehemalige Leiterin der Gewerberaumverwaltung der WBM bewiesen, die das ganze Scheunenviertel kulturell geprägt hat, in dem sie nach der Wende leerstehende Gebäude zu Kulturorten gemacht und so das „New Berlin“ geschaffen hat. Sie ist eine von drei Gewinnern des Creative Bureaucracy Awards, der ihr am Freitagabend von Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner sowie Autor und Städteforscher Charles Landry beim Creative Bureaucracy Festival verliehen wurde.

Schöner scheitern lernen konnte man bei der anschließenden Fuck-Up-Night unter anderem von BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup, der streng genommen noch gar nicht gescheitert ist, weil er der bisher einzige BER-Geschäftsführer ist, der noch keinen Flughafen-Eröffnungstermin hat platzen lassen. Dass das auch daran liegen könnte, dass er erst einen gesetzt hat – geschenkt. Hier eine Liste der Dinge, die wir Lütke Daldrup und den anderen Gästen der Fuck-Up-Night gelernt haben:

- „Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir im Oktober 2020 eröffnen können.“ (Lütke Daldrup zum BER)

- Deutschland hat das Problem, dass wir „eine Gesellschaft der sektionalen Optimierer“ sind. (Ebenfalls Lütke Daldrup auf die Frage, warum der BER immer noch nicht eröffnet hat)

- Wenn man schon in der Bauphase ist, am besten keine Pläne mehr ändern (nochmal Lütke Daldrup)

- Die Mutter aller Probleme am BER? Die Politik. Genauer gesagt: Politiker im Aufsichtsrat, die nur in Legislaturperioden denken (Manfred Rettig, ehem. Geschäftsführer der Bundesbaugesellschaft und Vorstand der Stiftung Berliner Schloss)

- „Sparen ohne Konzept ist eine Rasenmähermethode, bei der man Unkraut und Blumen verliert.“ (Sebastian Muschter, ehem. Berater bei McKinsey und Ex-Lageso-Chef zur Berliner Sparpolitik, die an den falschen Stellen Personalkürzungen vorgenommen hat)

- Die Gesundheitskarte kommt, wahrscheinlich…irgendwann (auch wenn die Technik mittlerweile natürlich völlig überaltert ist). (Ulrich Tilly, ehem. Bundesministerium für Gesundheit zum Projekt, das 2001 erdacht wurde und mittlerweile schon zwei Milliarden Euro gekostet hat.)

"Wir machen gar nichts in Wannsee im Moment"

Dass Berlin zwar vielfach scheitert, das aber wenigstens mit Humor, haben die Gäste der Checkpoint-Party bewiesen. Anders gesagt: Was kommt dabei heraus, wenn man Kreuzberg-Chefin Monika Herrmann und Kreuzberg-Bewohner Harald Martenstein nebeneinander auf eine Bühne stellt? Erstaunlich viel Harmonie! „Monika Herrmann ist eine ganz nette Person und sie macht das alles sicher nicht absichtlich“, versicherte Martenstein, der zudem verkündete, gerne im Graefekiez zu leben. „Die paar Problemchen gibt es überall in Berlin.“

RBB-Legende Ulli Zelle, der nicht nur ganz Berlin kennt, sondern auch noch richtig gut singen kann (Beweisvideo hier), mag es trotzdem lieber in Charlottenburg, wo sich seit 25 Jahren nichts verändert habe, und hat Probleme mit Menschen, die ein halbes Jahr hier sind und ihm Berlin erklären wollen.

Apropos Berlin erklären: Warum sind eigentlich die Bäder immer kaputt, Herr Scholz-Fleischmann? Das Strandbad Wannsee wird nach Einschätzung Martensteins seit 32 Jahren saniert. Oder? „Wir machen gar nichts in Wannsee im Moment“, erwidert der Bäderchef. „Aber das ist das Problem“.

Sensationelle Neuigkeiten aus Berlins größtem Freiluft-Coffeeshop: Im Görlitzer Park kann man wieder Yoga machen! „Also morgens“, gab Monika Herrmann bekannt, die es Zuhause nach einem Tag Kreuzberger Verrücktheit lieber spießig mag: mit einem Glas Wein auf der Dachterrasse ihrer Wohngemeinschaft.

"Wer Vollidiot sagt, meint das auch so"

Jan Fleischhauer (Spiegel) und Ulf Poschardt (Welt) müssen jetzt ganz stark sein: „Solche Weicheier sollten nicht über Berlin urteilen“, urteilt ihrerseits die Kreuzberger Bürgermeisterin. Fleischhauer hatte die Hauptstadt kürzlich als Venezuela Deutschlands bezeichnet, Poschardt findet, es sei so, als würde Borat hier regieren. Von der Idee ist Martenstein wiederum sehr angetan: „Das hätte wenigstens den Unterhaltungswert, den man beim Regierenden manchmal vermisst.“ Vermisst hat er außerdem die Berliner Schnauze, als er mal in München lebte und sich dort mit scheinheiliger Freundlichkeit konfrontiert sah: „Wenn in Berlin jemand sagt, du Vollidiot, dann meint er das wenigstens auch so!“

Was wir sonst noch gelernt haben? „Blasenschwäche des Zugführers“ hat die S-Bahn tatsächlich mal als Erklärung für Verspätungen angegeben. Das kam beim Betriebsstörungsbingo live heraus, das gestern Abend Premiere feierte. Und Checkpoint-Kollege Robert Ide ist nun auch offiziell King of Kalauer, nachdem der Applaus nach seiner Stand-Up-Wortspiel-Schau der lauteste des Abends war. Hier nur ein kleiner Ausschnitt: Tja, Berlin ist ein tägliches Stressfest: Selbst die Wissenschaft bestätigt, dass Berliner laufend am Rennen sind. Ein Trost: Die nächste voll leere Bahn kommt bestimmt. Die Frage ist nur: wann? Ist man einmal drin, ist die Leitung meistens dicht im Schacht – oder es herrscht Datenersatzverkehr bei langsamen Mobilfunkanbietern. Und an Berlins Betriebsstörungen sollte man sich sowieso nicht mehr stören – hier ist jede Weiche die Härte. Und wer im Sommer mal weg war, landet schnell auf dem Boden der Tatsachen – Sie kennen das Lied: Ich hab‘ noch einen Koffer in Tegel. Was das Checkpoint-Team gestern Abend noch so auf die Beine gestellt hat, können Sie hier im Podcast nachhören.

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