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Charité: Pflegerstreik legt OP-Säle lahm

Durch den Streik an der Charité müssen Patienten weiter mit Einschränkungen rechnen. Die Klinik verliert täglich hunderttausende Euro.

An der Charité sind Schwestern und Pfleger in einen unbefristeten Streik getreten. Bis zu 1500 Pflegekräfte, Techniker, Verwaltungs- und Reinigungsmitarbeiter haben am Montag die Arbeit niederlegt. An diesem Dienstag wollen sich die Streikenden von den drei Standorten der Großklinik aus zu einer gemeinsamen Kundgebung in der Müllerstraße treffen. Neben der Gewerkschaft Verdi hatte auch der Beamtenbund seine Mitglieder zum Ausstand aufgerufen, nachdem die monatelangen Tarifgespräche mit Europas größter Universitätsklinik gescheitert waren. Verdi-Verhandler und Charité-Personalrat Carsten Becker sagte dem Tagesspiegel: „Macht die Klinik kein neues Angebot, werden wir weitere Betten lahmlegen.“

Derzeit sind zwischen 300 und 400 der 3200 Krankenbetten nicht belegt. Von 120 Operationen, die am Steglitzer Benjamin-Franklin-Campus und im Bettenturm in Mitte durchgeführt worden wären, sind am Montag 100 ausgefallen. Am Weddinger Virchow-Campus sind von 130 geplanten Eingriffen nur 30 durchgeführt worden, sagte Kliniksprecherin Stefanie Winde. Allerdings wurden schon vor Tagen in Absprache mit den Patienten hunderte Termine verschoben. Insgesamt sind 30 Not-OPs durchgeführt worden. Für Akutfälle hatte Verdi eine Notdienstvereinbarung unterzeichnet.

In den kommenden Tagen wird mit ähnlich eingeschränktem Betrieb gerechnet. Verdi intern sind Protestaktionen bis diesen Freitag geplant. Sprecherin Winde sagte, man sei von der Streikbereitschaft überrascht. Die Klinikleitung begrüße, dass sich Verdi gewissenhaft an die Notdienstvereinbarung halte. Zuvor hatte Charité-Vorstandsvorsitzender Karl Max EinhäuplVerständnis für den Protest gezeigt. „Die Streikenden haben ein Recht auf höhere Löhne, woanders wird auch mehr gezahlt, aber die Charité hat derzeit keine Spielräume.“ Ein neues Angebot legte die Klinik jedoch nicht vor, die strikte Sparlinie des Senats mache dies derzeit unmöglich, hieß es von Mitarbeitern. Zuletzt wurde ein gestaffeltes Lohnplus angeboten, demnach gäbe es aber erst 2017 den bundesweit üblichen Tarif. Derzeit bekommt eine Charité-Schwester nach zehn Dienstjahren im Schichtbetrieb im Schnitt weniger als 2500 Euro brutto im Monat. Die Streikenden fordern für jeden der 10 000 nichtärztlichen Beschäftigten 300 Euro mehr, was dem üblichen Lohn entspräche.

Das versuchen die Streikenden, Patienten und Passanten gleichermaßen zu vermitteln: Aus mitgebrachten Boxen vor dem Wahrzeichen der Charité, dem Bettenturm in Mitte, dröhnt massentaugliche Popmusik. Schwestern in Streikwesten verteilen Flugblätter. Viele Patienten zeigen Verständnis für den Streik. Ein junger Mann trottet hinter seiner Mutter zur Rettungsstelle am Bettenturm. Doch dort sitzt gerade niemand, draußen flattern die Streikplakate. Die beiden warten, schließlich kommt die Mutter wieder heraus. Eine Schwester habe den Jungen doch untersucht – Abschürfungen an der Hand, ein blauer Fleck im Gesicht – und geraten, den Hausarzt aufzusuchen. „So schlimm ist es nun auch wieder nicht“, sagt die Mutter. Ihr Junge nickt.

Etwa 13 000 Menschen arbeiten in der Charité, jährlich werden dort 130 000 Patienten stationär versorgt, dazu eine halbe Million ambulant. Auch einige Mitarbeiter der Krankenhaustochter „Charité Facility Management“ (CFM) streikten am Montag, die 2500 CFM-Beschäftigten erledigen den Wachschutz für die Klinik. Sie werden schlechter bezahlt als im Stammhaus. Einige erhalten eigenen Angaben zufolge 5,50 Euro brutto pro Stunde. Verdi fordert für sie Löhne auf Charité-Niveau. Die Klinik ist seit Jahren verschuldet. Während Charité-Chef Einhäupl für 2010 mit einem Minus von 17,8 Millionen Euro ein besseres Jahresergebnis als erwartet vorlegte, verlangt der Senat für 2011 eine schwarze Null. Deshalb hat er die Kooperation mit den ebenfalls landeseigenen Vivantes-Häusern vorantreiben lassen; außerdem sollen Stellen gestrichen werden. Vivantes geht es finanziell besser, der größte kommunale Klinikkonzern Deutschlands kann sich auf die Patientenbehandlung konzentrieren, während die Charité auch eine Forschungsstätte ist. An diesem Freitag tagt deren Finanzausschuss. Dort wird man viel zu besprechen haben. Pro Streiktag gehen der Charité zwischen 500 000 und einer Million Euro verloren: Fallen Behandlungen aus, zahlen Krankenkassen nicht. Die nächste Tarifrunde steht schon zum Jahresende an. Die Medizinergewerkschaft Marburger Bund verhandelt dann für die 2000 Ärzte.

Hotline für Patienten: 030/450550500

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