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BVG-Fundsachenauktion: Die Könige des Krempels

Rollatoren, Feuerlöscher, Gemälde: Vierteljährlich versteigert die BVG nicht abgeholte Fundsachen. Viele Berliner hoffen dann auf Schnäppchen - den Hammer schwingt Auktionator Ulrich Beier.

Fünfzehn Schirme und vier Gehhilfen für 15 Euro: Ulrich Beier macht der Menge ein Angebot, das sie nicht ablehnen soll, er ist der Pate des Plunders. „Niemand?“ Der Auktionator blickt nach links, rechts, ein Finger geht hoch. „Na also, bitte!“ 15 zum Ersten, zum Zweiten – uuund – Beier lässt den Hammer auf sein Pult rauschen. Verkauft an Bieter 406, der nun nie wieder den Regen fürchten muss und, zumindest theoretisch, einen kleinen Seniorentrupp auszurüsten wüsste.

Dabei bilden die Schirme und Krücken sogar eines der harmloseren Konvolute bei der BVG-Fundsachenversteigerung. Beier auktioniert später auch noch einen Fön, Wasserkocher, Akkuschrauber und Kindersitze, einen in den Öffentlichen vergessenen roten Feuerlöscher, der für viel Heiterkeit sorgte, und einen Rollator. „Unglaublich, was die Leute in Bus und Bahn vergessen – und auch nicht binnen sechs Wochen im Fundbüro abholen“, sagt Beier. Es ist auch diese Aberwitzigkeit der Rückstände, deretwegen der 65-Jährige seinen Beruf liebt.

Auktionen immer gut besucht

„Jede Woche dasselbe und trotzdem jede Woche anders.“ 1978 kam er, gebürtiger Schwabe, gelernter Kaufmann, nach Berlin, der Sprung in das Lizitationsgeschäft gelang zufällig, über einen Nebenjob, der irgendwann Haupterwerb wurde. Mittlerweile führt er das Auktionshaus Beier, mit Frau Monika, ebenfalls Auktionatorin. Vierteljährlich bringt das Paar alles Liegengebliebene der Berliner Verkehrsbetriebe unter die Leute, sie die Räder, er den Rest. Immer sind die Termine überbesucht, fünf Sitzreihen, ohne freien Platz. Die Schnäppchenjäger, alt und jung, Rentner, Studenten und Familien stehen in den Gängen und an der Wand, drängen sich zwischen Kleiderständern, unter gebogenen Lüstern. In den Händen: Butterbrote, Taschenrechner, Bieternummer, kleine Zettel, kugelschreiberbekritzelt.

Gut gelauntes Dumping

Meier, roter Pullunder, blaues Jackett, ruft Kopfhörer auf, Schätzpreis 10 Euro. In der ersten Reihe sagt ein Mann: „Sechs Euro.“ Das Publikum lacht. Untergebote sind keine Seltenheit in der stickigen Lagerhalle in Tempelhof, hier regiert die Mikroökonomie. Es gibt gut gelauntes Dumping. Quasi: ein Anti-Sotheby’s. Nur bei allzu dreisten Reinrufern stellt sich Beier taub. Oder er gibt launig Contra, wie jetzt. „Geschenke erst am 24. Dezember, Kumpel.“ Breit grinst der Zurechtgewiesene, kann man ja mal versuchen, er bietet acht und kriegt den Hörer. So geht es immer weiter. Golfschlägersets, Ölgemälde, ein Stetoskop. Technik geht sogar für relativ großes Geld weg. Ein iPod kostet 80, eine Spiegelreflexkamera 96 Euro. Tom B. hat, im Sack gebündelt, 40 Lederhandschuhpaare erstanden. „Der Winter kommt bestimmt.“ Der Künstler will die Fingerwärmer nach Nordafrika schicken.

Und Beier? Wird am Ende 335 zum Teil absurde Posten auktioniert haben und sagen: „Keine Kuriositäten heute.“

Moritz Herrmann

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