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In der evangelischen Kirche wird diskutiert, wie sie sich zum Thema Sterbehilfe verhält.

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Bundesverfassungsgericht erklärt Verbot für nichtig: Weiter keine Sterbehilfe in der evangelischen Kirche Berlin

Bischof Christian Stäblein will keinen assistierten Suizid in kirchlichen Altenheimen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Verbot für nicht erklärt.

In kirchlichen Altenheimen in Berlin und Brandenburg wird es wohl auch künftig keine Angebote der Suizidassistenz geben. Das machte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, am Freitag deutlich.

Vor einem Jahr, im Februar 2020, hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe für nichtig erklärt. Zwar gibt es nach wie vor kein Recht auf Beihilfe zum Suizid – der Staat darf es dem Einzelnen aber nicht unmöglich machen, solche Angebote in Anspruch zu nehmen.

Und mittlerweile wurden es in der Bundespolitik zwei Gesetzesentwürfe vorgestellt, die genau solche Fälle regeln sollen: Ein interfraktioneller Entwurf einer Gruppe von Abgeordneten rund um Karl Lauterbach (SPD) und ein Entwurf der Grünen wollen unter anderem Wartezeiten und Beratungspflichten festlegen. Außerdem sollen Wege zur Feststellung eines frei gebildeten, ernsthaften und dauerhaften Sterbewillens vorgeschrieben werden, bei deren Einhaltung nicht gewerblich betriebene Suizidbeihilfe straffrei sein soll.

Vor allem in der evangelischen Kirche wird nun darüber diskutiert, wie die Kirchen als große Träger von Altersheimen und Pflegeeinrichtungen mit der neuen Lage umgehen sollen. Auslöser war ein Gastbeitrag der Theologen Rainer Anselm und Isolde Karle sowie von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Darin hatten sie betont, es könne „eine Aufgabe kirchlich-diakonischer Einrichtungen sein, neben einer bestmöglichen medizinischen und pflegerischen Versorgung auch bestmögliche Rahmenbedingungen für eine Wahrung der Selbstbestimmung bereitzustellen“.

Es erscheine möglich, Angebote wie eine palliative Sedierung und die Begleitung „bei einem wohlüberlegten Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit als Alternativen, abgesicherte Möglichkeiten eines assistierten Suizids in den eigenen Häusern anzubieten oder zumindest zuzulassen“. Andere Kirchenvertreter, etwa der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, widersprachen dieser Linie vehement.

Und auch Stäblein zeigte sich am Freitag skeptisch. Für die Kirche stellten sich zwei Optionen: „Es kann zum Einen nicht darum gehen, Suizid als eine Option unter Anderen darzustellen“, sagt Stäblein. „Es muss aber auch darum gehen, die freie Entscheidung eines Menschen, seine Selbstbestimmung und Autonomie zu respektieren und nicht zu diskreditieren.“

Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz.
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz.

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In diesem Rahmen müsse die Kirche nun „in einer viel größeren und weiter gefassten Debatte nach sinnvollen Lösungen suchen.“ Ihn selbst begleite das Thema schon seit seiner Studentenzeit, sagt Stäblein. Damals jobbte er im Friederikenstift, einem großen Krankenhaus in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.

„Ich habe da immer wieder mit Sterbenden und Menschen, die gerne Sterben wollten, Kontakt gehabt“, sagt Stäblein. „Solche seelsorgerlichen Gespräche haben mich mein ganzes Berufsleben lang begleitet.“ Deswegen verfolge er die aktuelle Debatte intensiv.

„Ich sehe aber nicht, dass wir kirchliche Häuser als Räume für Suizidassistenz anzubieten haben“, sagt Stäblein. Aufgabe der Kirche sei es, die Sterbenden zu begleiten, etwa mit Hospiz- und Palliativangeboten. „Ich würde für einen ,Safe Space‘ plädieren“, sagt Stäblein. „Kirchliche Häuser sollten keine Häuser sein, in denen man in welcher Form auch immer mit dem Angebot der Suizidbeihilfe konfrontiert wird.“

In der aktuellen Diskussion setzt sich Stäblein für eine „Debatte in Würde“ ein, bei der auf Menschen nicht über kurz oder lang ein kollektiver Druck entstehe, Suizidangebote nutzen zu müssen. Vorstellen kann sich Stäblein deswegen auch, dass sich die Kirche – ähnlich wie bei der Schwangerschaftskonfliktberatung – an den Gesprächen, die in den beiden aktuellen Gesetzesentwürfen vorgeschrieben sind, beteiligt.

„Dass wir da ein Wort mitreden, steht außer Frage“, sagt Stäblein. Doch auch hier ist es dem Bischof wichtig, dass die Kirche „zum Leben“ berät. Ähnlich wie in der Schwangerschaftskonfliktberatung, wo evangelische Beratungsstellen im Unterschied zu katholischen Einrichtungen zwar einen Beratungsschein ausstellen, wo aber Stäblein zufolge ebenfalls die Beratung „zum Leben hin“ im Mittelpunkt stehe. „Die Kirche sollte offene, seelsorgerliche Gespräche führen und aber gleichzeitig Beratung anbieten, die die Menschen vom Segen des Lebens überzeugen wollen.“

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